Metalinside.ch - Sabaton - Velodrom Berlin 2017 - Foto Kaufi 20
Mi, 15. März 2017

Sabaton – Interview mit Chris und Tommy

Velodrom (Berlin, DE)
26.04.2017
Metalinside.ch - Sabaton - Velodrom Berlin 2017 - Foto Kaufi 20

The Last Tour

… so lautet das Motto der aktuellen Sabaton Rundreise durch die Welt, angelehnt natürlich an den Titel des aktuellen Albums „The Last Stand“. Es soll ja Leute gegeben haben, die haben allen Ernstes gedacht, dass dies wirklich die letzte Tour der Schweden ist. Und es gibt mit Sicherheit Leute, die genau dies wünschen. Tja – Pech gehabt! Sabaton eilen von Erfolg zu Erfolg, ein Ende ist nicht abzusehen. Und das ist sehr gut so!

Vor der Show im ausverkauften Velodrom in Berlin treffe ich mich mit den Gitarristen Chris Rörland und Neuzugang Tommy Johansson für eine Bestandesaufnahme.

Die beiden sind völlig releaxed und suchen ein paar Plektren raus, die ich für einen Kollegen ergattern soll. Doch erstmal wollen wir auf die Tour zu sprechen kommen. „Die Tour läuft fantastisch“ meint Chris. „Auch die Unterschiede zwischen den Venues sind nicht so gross. Wir spielen auch hier nicht immer in solchen Hallen wie heute – heute haben wir ALLES dabei – und da haben wir dann nur den Panzer und verzichten auf die Pyroshow.“ Tommy ergänzt: „In Norwegen haben wir vor 800 Leuten gespielt und auch in Griechenland sind es kleinere Hallen gewesen.“ Und im Bezug auf die Fans und die Interaktionen? Chris mag beides: „Es ist natürlich supercool vor so vielen Leuten wie beispielsweise in Prag zu spielen (Anm. Kaufi: da waren’s etwa 13‘000!). Da konnten wir mit allem so richtig aus dem Vollen schöpfen und alle hatten eine gute Zeit. Alle Bands hatten zudem sehr viel Platz auf der Bühne. Aber mir gefallen die kleineren Bühnen auch. Man ist so nah bei den Leuten, kann alle abklatschen.“

Bekanntlich sind Accept auf dieser Tour als „Special Guests“ mit dabei. Ex-Gitarrist Thobbe Englund meinte mal, dass es für ihn unglaublich wäre, da er einer der grössten Accept Fans war in seiner Jugend. Bei der heutigen Gitarrenfraktion dürfte das ähnlich sein? „Surreal!“ meint Chris und Tommy ergänzt: „Absolut richtig. Wir haben Accept gehört, als wir aufgewachsen sind. Jetzt eröffnen sie für uns die Shows? Das ist unglaublich! Es ist allerdings auch lustig, wenn man sieht was auf den sozialen Medien so abgeht. ‚Klar, Accept sind Headliner, die werden Euch zum Frühstück verputzen‘ – ihr könnt sagen, was ihr wollt: Aber Accept eröffnen für UNS!“ Nun, wer die Konzertberichte gelesen hat, weiss dass es Accept dem Headliner auch etwas gar einfach machen mit ihrer ziemlich auf Sicherheit bedachter Setlist. Chris meint auch: „Ich würde sehr gerne mal ein paar ältere Dinge hören. ‚Russian Roulette‘, ‚Screamin‘ For A Love Bite‘.“

Speziell in den deutschen Medien sind Sabaton nicht sonderlich beliebt, um es mal harmlos auszudrücken. „The Last Stand“ ist auf keiner Liste der Kategorie „Bestes Album“ zu finden, umgekehrt platziert man die Schweden in der Kategorie „Schlechteste Live Band“ weit oben. Das wirft die Frage auf: Warum fehlt die Akzeptanz der Medien? „Ich weiss es nicht“ sinniert Chris. „Schlechte Reviews sind auch gute Reviews, denke ich. Das heisst, dass die Leute immer noch über uns sprechen! Ich glaube, Sabaton sind dermassen schnell so gross geworden – die Leute hassen das! Speziell auch in Schweden!“ Und der Neuling ergänzt: „Es ist in Schweden cool geworden, Sabaton nicht zu mögen! Es passiert das gleiche wie vor ein paar Jahren, als die Leute grundlos HammerFall zu hassen begannen. Geh heute in Rockbars und wünsch dir einen Song. Das kostet 5 Kronen. Ein Sabaton Song? Kostet 20 Kronen! Es ist regelrecht ‚in‘, Sabaton zu hassen. Doch das Lustige daran ist: all diese Leute haben schlussendlich mindestens EINEN Sabaton Song, den sie mögen!“ Chris meint lapidar: „Es ist eine komische Welt…“

Man kann das natürlich umgekehrt sehen: Brauchen Sabaton denn die Medien überhaupt? Die beiden Gitarristen schauen sich an und überlegen. Schliesslich sagt Chris: „Ich denke, es ist immer noch gut, wenn die Leute Mist über uns erzählen. Wenn sie gar nichts mehr sagen, dann ist es schlecht! Aber solange sie überhaupt über uns reden, ist’s gut.“ Nun ja – SO kann man das natürlich auch sehen…

„Carolus Rex“ wurde vor ein paar Jahren – als weder Tommy noch Chris in der Band waren – auch in schwedischer Sprache veröffentlicht. Gibt es da allenfalls Pläne, für eine Wiederholung? Chris gibt zu, dass dies nicht ausgeschlossen ist: „Ja, wir haben da auch schon darüber gesprochen, weil „Carolus Rex“ so ein grosser Erfolg wurde. Es würde sicher Spass machen, wieder ein schwedisches Album zu machen – aber ich wüsste gerade nicht, über welchen Krieg?“ Tja, das sind dann die „Probleme“, wenn man zu sehr in einem Konzept steckt… „Es gibt schon viel historisches, aber nichts, was so ‚cool‘ wäre. Aber wir haben es im Hinterkopf, früher oder später…“

Ein Kritikpunkt, der auch aus den Reihen der Fans kam, war immer mal wieder die Setliste. Man wirft den Schweden vor, plus / minus immer die gleichen Songs zu spielen. (Was ich so überhaupt nicht unterschreiben würde…) Aber jetzt auf dieser Tour sieht es schon deutlich anders aus! „Union (Slopes of St.Benedict)“ hat den Weg ins Programm gefunden. Chris stellt auch lachend sofort klar: „Das war meine Idee!“ Herzlichen Dank dafür! Zudem haben Sabaton die Eier, das (fast) unantastbare „Metal Crüe“ zu kippen! Soll nochmals einer Kritik üben hier… Da Chris mit „Union“ angekommen ist, zeigt dass das Programm also nicht einfach von den beiden Aushängeschildern Joakim und Pär vorgegeben wird. Chris bestätigt das: „Ja klar, alle in der Band haben eine Stimme!“ Die von Tommy ist klar – „Swedish Pagans“! Tommy lacht schallend, und Chris führt weiter aus: „Da sind so viele Songs, die wir spielen möchten. Und der Katalog wird grösser und grösser. Es wird immer schwieriger, eine ideale Setliste zusammenzustellen, speziell auch an verschiedenen Orten, weil wir ja über Kriegsgeschichte singen. Da sind drei, vier Songs, die wir spielen MÜSSEN. Dann müssen wir diese spielen, und dann müssen wir jene spielen…“ Jetzt wurde also einer der vier „MUST“-Songs – eben „Metal Crüe“ gekippt und auch der Anfang von „Primo Victoria“ wurde verändert, zudem ist dies jetzt die erste Zugabe – sehr cool! Doch das Luxusproblem könnte man doch einfach abschwächen, in dem man mehr als 90 Minuten spielt? Chris meint lachend: „Ich glaube, das wird bald einmal passieren. Ich meine, wir müssen einfach länger spielen! Es wird so schwierig, einen 90-Minütigen Set zusammenzustellen… So 20 Minuten mehr wäre schon was… Aber es freut mich, dass Du die Rückkehr von ‚Union‘ so toll findest!“ Danke – und dann ist da ja noch die unglaublich emotionale neue Version von „The Final Solution“. „Wir haben in den USA diskutiert, was wir in Europa tun könnten“ erklärt Rörland. „Dann kam die Idee mit ‚The Final Solution‘ und wir haben gesagt, das müssen wir jetzt tun, denn es ist Jahre her, seit wir den im Programm hatten. Und iIch hatte den noch nie live gespielt.“

Ursprünglich wäre eigentlich Hannes van Dahl bei diesem Interview vorgesehen gewesen. Doch da seine bessere Hälfte Floor Jansen (die Sängerin von Nightwish) ihr gemeinsames Baby erwartete, ist der Schlagzeuger in die Heimat geflogen. Und Chris liefert gerade die News: „Heute Mittag ist das Baby auf die Welt gekommen, ein Mädchen! Alle sind wohlauf!“ Na denn – herzlichen Glückwunsch! Doch jetzt ist natürlich die grosse Frage nach der Zukunft. Wird Hannes deswegen – wie einige seiner Vorgänger – Sabaton bald verlassen? Chris dementiert energisch: „Er wird zurückkommen! Und er wird auch bleiben!“ Twilight Force Drummer Daniel Sjörgen übernimmt während der Vaterschaftspause Hannes‘ Job. Wie ist das für den Rest der Truppe? „ Es ist gar nicht mal so schlimm“ erklärt Rörland. „Hannes wusste das ja und er hat Daniel ins Spiel gebracht, die haben schon über Monate davon gesprochen. Lange bevor wir überhaupt auf Tour gingen, sass Daniel in Falun und übte die Songs, Hannes hat ihm Videos geschickt, wie er die Songs spielt – und als die Zeit gekommen war um mit uns zu proben, da konnte er all die Songs bereits. Manchmal vergesse ich sogar, dass Daniel da oben sitzt. Man schaut rauf zum Drummer und erschrickt fast!“ Die beiden lachen und Tommy ergänzt: „Er spielt schon sehr ähnlich, dann sind da gewisse Passagen, die tönen wirklich nach Hannes!“

Änderungen gab es für Chris ja auch an anderer Stelle. Sein Buddy Thobbe Englund hat Sabaton letzten Sommer verlassen und wurde durch Tommy Johansson ersetzt. Sind das grosse Anpassungen? „Ich liebe Thobbe von ganzem Herzen!“ stellt Rörland klar. „Er ist glücklicher so, wie es jetzt ist. Er wollte nicht mehr so viel auf Tour sein. Hie und da mal eine Ladung Shows, das ist ok und dann wieder daheim sein bei der Familie. Aber ich könnte mit keinen besseren Ersatz für Thobbe wünschen als diesen Kerl hier! Und wir harmonieren auch erstaunlich gut auf der Bühne.“ Grosses Lob also ans neueste Sabaton Mitglied, der das Kompliment zurückgibt: „Es ist grossartig und ich bin sehr glücklich, hiervon ein Teil zu sein!“

Aber wer ist eigentlich dieser Tommy Johansson? Woher kommt er und wie kommt er zur Band resp. wie hat die Band in gefunden? Warum ist Tommy „the chosen one“? „Lange Geschichte kurz erzählt, warum ich der Auserwählte bin“ lacht der sympathische Blondschopf. „Ich bin ein grosser Sabaton Fan seit 2005 (Anm. Kaufi: das ist ja noch länger als ich…), hab viele Shows gesehen und 2010 bin ich auf einer Party mit Sabaton gelandet. Wir waren alle ziemlich betrunken, und dann begannen Joakim und ich zusammen Piano zu spielen.“ Chris will es genau wissen und fragt nach den Songs. Tommy gesteht mit leiser Stimme: „Disney Songs.“ Was natürlich für einen weiteren Heiterkeitsausbruch sorgt… „‘Die kleine Meerjungfrau‘ und solche Dinge“ erzählt Johansson weiter. „Danach sind wir alle irgendwie in Verbindung geblieben. 2012 haben sie mich kontaktiert, als sie neue Mitglieder suchten. Doch damals hatte ich genug zu tun mit meiner eigenen Band und auch mit meinem Leben sonst. Ich hätte keine Zeit für dieses intensive Tourleben gehabt, also habe ich das Angebot abgelehnt. Aber ich stand auch weiterhin in Kontakt mit Joakim und Pär und als Thobbe vor dem Absprung stand, hat mich Pär angerufen. Und das war der perfekte Zeitpunkt! Mein Arbeitsplatz wurde aufgehoben, ich wäre arbeitslos geworden. Die perfekte Gelegenheit! Ich hab meine Wohnung aufgegeben, der Tourbus ist im Moment der Ort, an dem ich lebe!“

Gegen Ende erzählt Tommy noch etwas genauer, wie er damals auf Sabaton aufmerksam wurde. „Die spielten am Sweden Rock Festival 2005, auf einer wirklich kleinen Bühne. Natürlich hab ich ‚Primo Victoria‘ gehört und ich fand den Song fantastisch. Ich hab sie dann getroffen, um ein Foto zu machen. Ich war damals so 16, 17 Jahre, ein richtiger Fanboy!“ gesteht er. „Aber die Jungs waren super nett und dann hab ich immer auch die Alben gekauft, sobald sie veröffentlicht wurden, ich hab sie viele Male live gesehen. Diese Songs jetzt selber live zu spielen, macht schon Spass!

Chris hat sich neue Gitarren anfertigen lassen, Warhead heissen die Dinger. Da frage ich mich als gewöhnlicher Fan und Nicht-Musiker: Hört man da überhaupt irgendwelche Unterschiede? Chris beruhigt: „Nein, das ist kaum möglich. Ich hab einfach ein paar neue Dinge drauf machen lassen, ein paar technische Dinge – ich kann jetzt wenn ich will einen Ton die ganze Show durch halten.“ Er lacht und meint weiter: „Es ist nur Spass. Ich wollte einfach eine Gitarre, die in kalten oder heissen Venues perfekt ist. Ich habe etwa fünf Jahre am Design gearbeitet, bis ich es an ESP geschickt habe. Ganz klar die beste Gitarre, die ich je gespielt habe. Und das sage ich nicht einfach so. Es IST die beste Gitarre!“

Sabaton haben stellenweise den Status von Superstars erreicht, da könnte man sich gewisse Annehmlichkeiten leisten. Doch die Jungs sind trotz der immensen Erfolge immer noch bodenständig geblieben und bevorzugen den Nightliner gegenüber Hotelzimmern. „Wir könnten wohl in Hotels gehen, aber wozu?“ fragt Chris. „Das Leben findet im Bus statt. Da sind alle zusammen. Da kann man eine Filmnacht machen, Playstation spielen – im Hotel? Da bist du einfach für dich selbst. Und ich finde es einfacher einzuschlafen, wenn der Bus fährt!“

Nun, da bleibt mir nur noch eines zu sagen: Danke Tommy und Chris für das unterhaltsame Gespräch und danke an Tourmanager Bruno für die Hilfe! Bis zum nächsten Mal…

26.04.2017
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