EpitaphWorld Tour – die finale Tour?
Mit der EpitaphWorld Tour haben Judas Priest ihre letzte Tournee nach 40 Jahren Bandgeschichte angekündigt und setzen sich damit wortwörtlich ein (Grab-) Monument für die Ewigkeit. Hoffen wir, dass dem noch nicht so sein wird.
Judas Priest ist keine Band die polarisiert, wohl weil die Jungs um Rob Halford mehr oder weniger dem Metal immer treu blieben und weil fast jeder von uns erste Geh- bzw. Pogoversuche an einer Heavy Disco mit dem einen oder anderen Judas Song hatte.
Wenig überraschend ist das Durchschnittsalter in der riesigen Halle in AC/DC Sphären so um die 40 rum. Vereinzelt sieht man Eltern mit Kindern im Sinne das ist noch geile Mucke und vor allem viele ältere Pärchen sind vor Ort. Wetten, dass die eine oder andere Liaison zu Töfflibuebe-Zeiten mit Marcel Scheiner Jeans und Judas-Priest-Rückenaufnäher ihren Anfang nahm?
Ich bin heute zum ersten Mal im Forum in Fribourg. Die riesige Halle wird in etwa zur Hälfte für das Konzert genutzt. Diese ist gut gefüllt aber nicht überfüllt. Trotzdem wirkt die Bühne fast ein bisschen verloren in dieser eher trostlosen Halle, die an eine überdimensionierte Turn-/Mehrzweckhalle aus den 70ern erinnert. Aber gleich vorweg, das ist der einzige eher negative Punkt in dieser Review.
Wie angekündigt, wird der heutige Konzertabend zu einer Zeitreise von 40 Jahren Band-und Metalgeschichte. Ob gespielt oder nicht, es war irgendwie passend, dass der Metalopa Rob Halford leicht gebückt und später dann auch mit Stock, über die Bühne schlurfte – so wie es halt bei über 60 jährigen Männern der Fall sein kann. Er wirkt ein bisschen in seine übergrosse Ledernietenkluft hineingeschrumpft. Doch je länger der Abend dauert, desto jünger wirkt das Metal-Urgestein oder besser bekannt als der Metal-God mit einer 4 ½-Oktaven-Stimme mit unerreichten Screams.
Rob Halford ist aber nicht nur der bekannteste Screamer – seine Schreie begleiten uns den ganzen Abend – sondern eine richtige Metaldiva. Es ist als ob er uns zeigen möchte, wie viele Leder-/Jeans-Jacken und –Mäntel sich über die Jahre angesammelt haben und so wechselt er nach jedem Song diese aus. Oft auch mit Bezug zum entsprechenden Song – z.B. mit passendem Rückenaufnäher oder dann in komplettem silbernen Mantel inkl. Kapuze gehüllt beim Nostradamus -Song «Dawn of Creation / Prophecy». Bei jedem anderen würde dies – zusammen mit den Monster-Plateau-Schuhen inkl. Sporen (!) – wie eine Persiflage gegenüber dem Metal wirken, bei ihm handelt es sich jedoch um das Original schlechthin. Auch wenn er zum Teil Haarscharf an der Grenze des guten Geschmacks vorbeischiesst – z.B. wenn sein tätowierter Bauch unter all dem Leder hervorguckt oder wenn er mit einer Harley, Lederkappe und eine Peitsche aus selbigem Material im Mund auf die Bühne fährt. Da wähnt man sich schon fast ein bisschen in der Blue Oyster Bar.
Und nicht zuletzt genau deswegen ist Judas Priest ist DIE Heavy Metal Band. Sie sind genau das, was den klassischen Heavy Metal ausmacht. Zwei Gitarren (Glenn Tipton und der jüngste in der Band sowie Nachfolger von Gründungsmitglied K. K. Downing, Richie Faulkner) die sich laufend duellieren und vor allem auch viele Soli von sich geben, viel Power am Schlagzeug (Scott Travis) und Bass (Gründungsmitglied Ian Hill), viele Screams/hoher Gesang und nicht zu vergessen, viel Leder und Nieten und ab und zu noch mit Zöttelis dran. Wo die Gitarren, nebst unbestrittenem Hammersound produzieren, auch noch zur Verlängerungen des Phallus dienen und somit das imponierende Machogehabe auf der Bühne vervollständigen. Aber wer jetzt denkt, bei Judas handelt es sich um senile, alte, arrogante Säcke täuscht sich gewaltig. Die Jungs machen einen überaus sympathischen Eindruck und zelebrieren britische Höflichkeit in Reinkultur. Irgendwie gefällt mir diese alte Schule besser, als ständig ein Fuck you um die Ohren geschmissen zu erhalten. Rob bedankt sich auch mehrmals ganz artig bei den Fans und bezeichnet diese auch als die besten Heavy-Metal-Fans überhaupt.
Die Zeitreise, welche Songs vom ersten Album Rocka Rolla (Never Satisfied) bis zum letzten – epischen – Silberling Nostradamus (Dawn of Creation / Prophecy) beinhaltet, wird durch einen gigantischen Screen in der Mitte der Bühne visualisiert. Zu jedem Song sehen wir mindestens das entsprechende Plattencover. Alles samt Klassiker. Die Bühne ist so traditionell wie die Band: Das Schlagzeug thront in der Mitte über allem und wird flankiert von zwei grossen Judas-Priest-Tribal-Kreuzen. Überall hangen Ketten – teils echt, teils aufgemalt – viel Pyro und dann die typische Bühnenaufteilung, wo der Sänger überall hin darf, die Gitarristen sich die Bühne links und rechts hälftig teilen und der Bassist, der einen Spot von einem Quadratmeter nutzt. Einzig die farbigen Laser passen irgendwie nicht zu diesem Metalabend.
Bei den vielen Klassiker – wobei die bekanntesten naturgemäss in der zweiten Hälfte des Konzerts gespielt werden – gibt’s für viele kein Halten mehr. Was für ein Bild wenn über 50jährige abgehen wie sonst deren Töchter beim Anblick von Justin Bieber.
Einer der ersten grossen Höhepunkte mit Mitsingpotential ist «Turbo Lover». Die über 30jährigen im Publikum fühlen sich wie zu den guten alten Töfflibueben-Zeiten. Rob lobt anerkennend zum lauthals mitgesungenen Refrain das Publikum: «You sound great! Awesome». Weiter sagt er, dass Judas sich immer als Heavy Metal Band gefühlt habe, auch wenn es in der Bandgeschichte auch Songs und Zeiten mit unterschiedlichen Stilen gab. Joey de Maio: That’s true Metal!
Bei dem wohl grössten Judas-Klassiker und ein Metal-Evergreen «Breaking The Law» überlässt Rob das Singen komplett den anwesenden Metalheads. Er beschränkt sich darauf, das für ihn viel zu hoch montierte Mikrofon gen die singende Meute zu strecken. Anfangs sehr überraschend und dann irgendwie cool und am Ende zu schnell vorbei. Breaking the Law hätte mit Rob’s Gesang ein bisschen verlängert werden können. Dennoch wird der Song und das Publikum auch sich selber am lautesten gefeiert.
Nach einem Drumsolo, welches immer mehr die Züge des Intros von «Painkiller» annimmt, gibt es wegen eben diesem schnellsten und härtesten Judas-Song kein Halten mehr. Glenn Tipton’s Solo von Painkiller ist bestimmt eines der bekanntesten Metal-Solos überhaupt. Wer kennt dieses epische Speed-Solo nicht? Wer kriegt dabei nicht heute noch Hühnerhaut? Ich zumindest hatte ein gewaltiges Backflash und fühlte mich glatt 20 Jahre jünger. Während Painkiller hört man ganz kurz einen Growl von Rob Halford. Und das vom Screammaster himself.
Vor «You’ve Got Another Thing Comin’» kommt Rob Halford mit einer Schweizer Flagge umgehängt auf die Bühne und macht noch ein bisschen auf Ich-Sing-irgendwas-Sinnloses-wie-ohohoho-oder-yeah-yeah-vor-und-ihr-Singt-mir-nach mit dem Publikum. Diese machen das Spielchen auch ganz brav mit und die Stimmung ist am Höhepunkt bis die Band die Bühne zum ersten Mal länger verlässt. Die erste und einzige Zugabe ist «Living After Midnight». Auch wenn es noch lange nicht Mitternacht ist, wird nochmals intensiv mit Rob zusammen gesungen. Nach rund 90 Minuten lässt sich die Band ein weiteres Mal richtig feiern, bis sie die Bühne definitiv verlässt. Eben gespielt oder nicht, am Schluss kommt Rob Halford wieder mit Stock und schleppendem Gang auf die Bühne. Also wollte er uns zeigen, dass die Klassiker von früher sein Jungbrunnen sind und sobald der Vorhang fällt, er sich wieder zum Metal-Opa wandelt. Wenn er also ewig leben will, dann muss er weiter die Judas-Klassiker zum Besten geben.
Aber war es das jetzt mit Judas Priest? Zumindest haben Priest fürs 2012 nach dem Ende nach der Tournee ein neues Album unter dem Namen Epitaph (?) angekündigt. Glauben wir den Worten von Rob Halford während dem heutigen Konzert – «Hope to see you again» – dann dürfen wir weiter hoffen, dass die Legende weiterlebt – nicht nur als Grab-Monument (Epitaph).
Das Fanzit
Es war einfach nur geil heute Abend. Wer so viele Klassiker im Gepäck hat, kann nichts falsch machen. Die Instrumentalisten um Glenn Tipton haben hammermässig gespielt und bewiesen, dass sie noch lange nicht zum alten Eisen gehören. Hier können einige junge Bands noch was lernen, wie man auf der Bühne abgeht und dennoch messerscharf spielt und insbesondere die zweistimmigen Soli beeindrucken immer wieder. Und Rob Halford sang um einiges besser als erwartet. Teilweise sogar fast wie zu seinen besten Zeiten oder zumindest wie wohl seit über 20 Jahren nicht mehr.
Setliste Judas Priest
- Battle Hymn / Rapid Fire
- Metal Gods
- Heading Out to the Highway
- Judas Rising
- Starbreaker
- Victim of Changes
- Never Satisfied
- Diamonds and Rust (Acoustic & Metal Version)
- Dawn of Creation / Prophecy
- Night Crawler
- Turbo Lover
- Beyond the Realms of Death
- The Sentinel
- Blood Red Skies
- The Green Manalishi (With the Two-Pronged Crown)
- Breaking the Law
- Painkiller
- The Hellion / Electric Eye
- Hell Bent for Leather
- You’ve Got Another Thing Comin’
- Living after Midnight