Wie schon angekündigt gilt «Dark Roots Of Earth» für viele bereits als das Thrash-Metal-Album des Jahres. Damit ist eigentlich alles schon gesagt. Aber gerne gebe ich noch meinen Senf dazu …
Wenn man sich den neuesten Geniestreich von Mastermind Eric Peterson und seinen Mitstreitern aus der Bay Area anhört, dann stellt sich unweigerlich einmal mehr die Frage, warum Testament nicht Teil der Big 4 bzw. dann eben von den Big 5 sind? Genau diese Frage habe ich Eric auch gestellt (siehe Link zum Interview am Ende der Review) und er konnte diese selber nicht schlüssig beantworten. Auch wenn Testament bzw. damals noch unter dem Namen «Legacy» vor Megadeth gegründet wurden, so erschien deren vielbeachtetes Debut (The Legacy) erst 1987 und da hatten die anderen vier Thrash-Metal-Titanen (Metallica, Slayer, Anthrax, Megadeth) bereits alle ihre Spuren in der Metalszene hinterlassen und den Durchbruch geschafft. Und so bin ich mit Eric einer Meinung, wenn er zu diesem Thema abschliessend sagt, dass wenn der Begriff Big X später entstanden wäre, dann wären es mindestens die Big 5 gewesen – mit Testament.
Testament erlebte in den 90er einige Besetzungswechsel – vor allem am Schlagzeug und an der Lead-Gitarre – und kämpfte Anfangs der 00er Jahre mit Chuck Billys Krebserkrankung zusätzlich mit Schicksalsschlägen. Bis dann 2008 mit der Reunion und dem klassichen Line-up (Alex Skolnick zurück an der Leadgitarre) nach sieben Jahre Pause das schon damals geniale Album «The Formnation Of Damnation» erschien. Und mit Dark Roots Of Earth setzen Testament noch einen drauf.
Vom Opener «Rise up» bis zum Finale mit «Last Stand For Independence» folgt ein Hammerriff dem nächsten. Chuck Billy hat seiner einzigartigen Stimme noch nie so viel Freilauf gegeben und so hört sich der mächtige Frontmann mit seinen 50 Jahren teilweise wie ein 20 Jähriger Jüngling an.
Nebst den genialen Riffs überzeugen auch die hammermässigen Lead-Parts. Gegenüber früheren Alben steuert dabei Eric einen bedeutend grösseren Anteil von Solis bei und zusammen mit der wie gewohnt genialen Performance von Jazz-Liebhaber Alex machen die gemeinsamen Solis die Songs noch epischer – z.B. bei «Native Blood», wo der erste Teil des Solos von Alex kommt und dann Eric übernimmt.
Zugelegt haben Testament auch mit Drummer-Legende Gene Hoglan am Schlagzeug (u.a. ex- Death, ex-Fear Factory). Gene war bereits bei den Aufnahmen von «Demonic» (1997) für die Drums zuständig. Doch dieses Mal gefielen ihm die neuen Songs so gut, dass er bis auf weiteres mit Testament auch auf Tour ist. Schon beim ersten Song und spätestens bei Native Blood ist klar, wie stark Gene den Sound mit seinen Double-Bass-Attacken begleitet von Blastbeats und variantenreichem Spiel bereichert.
Trotz vielem Old Skull Thrash Metal ist die Platte auch sehr abwechslungsreich – u.a. wie schon erwähnt auch durch die Varietät von Chuck’s Stimme – und den schnelleren, klassischen Speed-Thrash-Metal Granaten wie «American Hate», den Heavy-Nummern wie dem Titelstück oder dann auch mit «Cold Embrace», die erste neue Ballade seit 12 Jahren.
Die Scheibe schafft, was wenige schaffen: Sie hört sich bereits beim ersten anhören genial an und dennoch entdeckt man beim x-ten Mal reinhören immer wieder Neues, was dann hängenbleibt. Es ist, als ob sich die Songs und wundersame Art und Weise laufend weiterentwickeln.
Definitiv hängenbleibt bereits beim ersten reinhören «Native Blood». Der epische Song aus Sicht eines Native American (Indianer) gleicht einer klassischen Symphonie wie man es eben fast nur beim Thrash-Metal kennt. Und mit dem Refrain als Kampfansage (I’m running this world, Just stay out of my way, My voice ain’t hurt, soul strong, Oh I won’t be afraid, I got something to say, My voice ain’t hurt, So long, native blood) ist es auch der Ohrenwurm, der einen nicht mehr loslässt. Dass dieser Live zum Klassiker avanciert, hat das Konzert vom 3. August in der Schüür (Luzern) bereits bewiesen.
Das Anfangs langsamere Titelstück, welches nach der Hälfte mit einem ewig langen Solo kurz beschleunigt und einem für Chuck-Verhältnisse ziemlichen Softgesang, sowie weitere Songs auf der neuen Scheibe beziehen sich auf das Ende der Welt (Maya Kalender lässt grüssen) und wie die Natur früher oder später den Planeten wieder übernehmen wird. Mit dem Waldgott auf dem Cover, wo die Menschen diesem um Vergebung für die Zerstörung des Planeten bitten, wurde dieses auch schön visualisiert.
Auf der Deluxe CD sind noch drei Coverversion von Queen («Dragon Attack»), Iron Maiden («Powerslave» – kaum wieder zu erkennen) und Scorpions («Animal Magnetism» – ziemlich düster) enthalten. Gemäss Eric wollte man bewusst nicht einfach auf Karaoke machen, sondern diese in der Art und Weise von Testament spielen. So dass man bei diesen Songs in erster Linie an Testament denkt und nicht an die Original-Band.
Im Weiteren ist bei der Deluxe-Version noch eine leicht längere Version von «Throne Of Thorns» sowie eine DVD enthalten. Auf der DVD gibt’s ein Making-of zum neuen Album, mit vielen weiteren spannenden Informationen zu diesem, 4 Live-Aufnahmen und Eric sowie Alex zeigen uns Ihr Tour-Equipment. Die Aufnahmen sind nicht in sehr guter Qualität, was den Doku-Charakter wohl unterstreichen soll. Na ja, ein bisschen weniger Bildrauschen hätte es nicht weniger interessant gemacht. Da die Deluxe-Version kaum teurer als die Standard Version ist, lohnt sich aber deren Kauf auf jeden Fall.
Fanzit: Thrash-Metaller kommen nicht drum herum die Scheibe zu kaufen. Diese gehört definitiv in jede vernünftige Plattensammlung. Wer mal reinhören will, sollte unbedingt Rise-up, Native Blood, True American Hate und Last Stand For Independence anwählen.
›› Dark Roots Of Earth – reinhören und bestelle
TRACKLIST (Standard, Deluxe CD/DVD, 2LP):
01. Rise Up
02. Native Blood
03. Dark Roots Of Earth
04. True American Hate
05. A Day In The Death
06. Cold Embrace
07. Man Kills Mankind
08. Throne Of Thorns
09. Last Stand For Independence
Additional Bonus Tracks (Deluxe CD/DVD, 2LP):
10. Dragon Attack (QUEEN Cover)
11. Animal Magnetism (SCORPIONS Cover)
12. Powerslave (IRON MAIDEN Cover)
13. Throne Of Thorns (Extended Cut)*not on 2LP
Bonus DVD:
Making Of // Breakdown of writing style and process, working with Gene Hoglan again, being together for over 25 years // Live footage of classic tracks