Therion – O Fortuna!
21.20 Uhr und Therion, die Pioniere und Götter des Genres – Symphonic-Opera-Gothic-und-was-alles-sonst-noch-Metal – legen wie gewohnt mit viel Power los. Und das gleich mit einem der – na ja halt doch sehr vielen – Hammersongs der Schweden: «O Fortuna» – dem Chormonument aus der Oper Carmina Burana.
Leider heute Abend wieder Mal ohne die wohl genialste Stimme des Metals oder zumindest die mit der grössten Varietät/Range: Snowy Shaw. Und somit mit «nur» einer männlichen Stimme – Thomas Vikström. Das ist aber auch schon das einzige eher negative für heute. Dafür die beiden Mädels mit nicht minder genialen Sopran-Stimmen – Lori Lewis und Linnéa Vikström. Letztere ist die Tochter von Thomas.
Tja, neben dem Mastermind Christofer Johnsson bleiben die vielen Line-up-Wechsel eine der Konstanten von Therion. Ich weiss selber nicht, ob ich das gut finde oder nicht. Einerseits gewähnt man sich halt auch mal an ein Line-up, andererseits war und ist jedes Therion Konzert und auch jedes neue Album immer wieder eine Überraschung. Und bisher haben mich die Schweden noch nie enttäuscht.
Die 1‘600 Leute fassende Halle ist grosszügig «gezählt» zu zwei Drittel gefühlt. Man rechne – so um die CHF 45 Eintritt und dann acht Hammermusiker auf der Bühne. Ich behaupte jetzt mal, es gibt sonst nirgends so viel musikalische Qualität für so wenig Geld. Und was die nächsten zwei Stunden folgt ist Musik von höchster Qualität, wie man es live nur ganz selten erlebt. Insbesondere bei Therion ist es immer wieder überraschend, das die Songs und deren Schönheit sowie Komplexität live sogar noch besser als auf Platte rüber kommen. Dies ist insofern überraschend, da die Aufnahmen teilweise mit ganzen Orchestern gemacht werden.
Christofer ist nicht nur Pionier und DER Begründer der ganzen Symphonic-Metal-Welle, sondern auch ein fleissiger Schaffer und dazu kein Rockstar, den man auf der Strasse einfach so erkennt … Er stand heute Abend bei den Vorbands hinter dem Merchandise-Stand und keiner hat’s gemerkt. Schon krass, da fahren ein paar hundert Leute quer durch die Schweiz, um ihn, Therion, zu sehen, aber keiner erkennt ihn. Das nächste Mal müsste man ihm ein Schildchen um den Hals hängen.
Nach den ersten drei Songs (siehe Setlist), wo Lori den Lead hatte, spricht dieselbe die ersten Worte zum eher reiferen Publikum. Einmal mehr wird zuerst das z7 gelobt – und ja, wie immer vor allem auch das Hammer-Essen. Hm, wenn das z7 seine Geschäftstätigkeit ausbauen will, sollte es Catering in Betracht ziehen. Bis jetzt hat glaub jede Band schon mindestens einmal eben dieses Essen im z7 gelobt.
Lori erzählt uns auch von einem neuen Album, welches komplett auf Französisch eingesungen wurde. Mehr dazu später.
Weiter geht’s mit «Via Nocturna» und dem Instrumental-Stück «The Flight Of The Lord Of Flies» – beides Hammersongs vom Album «Deggial».
Schlicht genial ist das Zusammenspiel der Seitenhexer – vor allem der Argentinier Christian Vidal ist einer der besten Gitarristen, welche ich bisher live gesehen habe. Wenn dann Christofer und er zweistimmige Solos spielen, bleiben einem die Worte weg. Besser geht’s nicht. Basser Nalle Pahlsson steht den beiden in nichts nach und seine Bassläufe im Stile eines Cliff Burton sind auch nicht ohne.
Christofer wirkt jedoch vor allem Anfangs ein bisschen Müde. Als er dann die Menge begrüsst, erklärt sich dies insofern, dass er Mühe hat zu sprechen – scheint leicht erkältet zu sein – er blüht jedoch mit der Länge des Konzerts und vor allem bei den härteren Songs immer mehr auf. Vielleicht war er am Anfang noch ein bisschen eingeschnappt, dass ihn am Merch-Stand keiner erkannte … was ich irgendwie verstehen würde.
Die Stimmung ist gut aber nicht übereuphorisch, eher ein bisschen andächtig. Es macht halt in erster Linie einfach Spass, den genialen Musikern und Sängern zu zuhören, aber auch ihrem theatralischen Auftritt zu folgen. Wenn ich das so erlebe, beschliesse ich für mich, meinen Traum Therion in den grossen Konzertsaal des Kultur- und Kongresszentrums von Luzern (KKL), begleitet mit einem 100 köpfigen Orchester, zu bringen, doch noch eines Tages zu verwirklichen. Mehr dazu später.
Immer und immer wieder verblüffen uns die beiden Gitarristen mit ihren zweistimmigen Solis und die Sänger mit Stimmen wie man sie ausserhalb von Opernhäusern nicht oft hört. Entschuldigt, aber auch zwei Wochen nach dem Konzert komme ich aus dem Schwärmen nicht mehr raus. Und dabei habe ich Therion schon x-Mal live erlebt. Sie bleiben für mich das Non-Plus-Ultra im Symphonic-Gothic-Metal.
Mit «Une Fleur Dans Le Coeur» singt Lori heute Abend den dritten Song des neuen Albums. Die Review zu «Les Fleurs Du Mal» folgt bald – aber eines schon vorweg, dieses Lied haute mich um. Hühnerhaut ist kaum zu vermeiden. Opera im z7!
Die Band verlässt danach zum ersten Mal die Bühne. Und so können wir diesen neuen Song auch mal so richtig verdauen und nachwirken lassen. Dass es heute auch viele ältere Metalheads ins z7 geschafft haben, beweist, dass ich endlich wieder mal ein schönes «ohohohohohohoho …» als Aufforderung an die Band, wieder zurück auf die Bühne zu kommen, höre. Schade, ist diese typische Art von Schweizer Metalheads «Zugabe» zu rufen bzw. zu singen, heutzutage nicht mehr so oft zu hören.
Christofer kommt zurück auf die Bühne und erzählt uns, dass die «Flowers Of Evil»-Tour gleichzeitig die 25 Jahre-Jubiläums-Tour von Therion ist. «I’m looking forward to another 25 years … I’ll be 65 then and that’s a good age to retire. I started with Therion when I was 15 years old.» Das ist doch schon mal eine tolle Ansage vom Mastermind.
Christofer spricht über das neue Album: «The record company didn’t want to release the new album. So I borrowed 25‘000 Euros from the bank paid everything by myself. Who do you think should decide what kind of music shall be released? The bands or the record labels based on their trends? (With Les Fleurs Du Mal) You don’t just buy a CD, you buy free artists thinking. Music developed because of the bands and not the record labels.» Wenn einer das sagen darf, dann sicher Christofer als grosser Pionier, der sich immer wieder neu erfindet.
Weiter erzählt er uns, was wir bereits auf der Homepage von Therion lesen konnten. Christofer schreibt an einer Rock Opera und somit wird in den nächsten Jahren auch kein neues Album erscheinen. Hm, wie wär’s mit einer Premiere der Rock Opera im KKL? Was hält ihr davon?
Während ich davon träume, fährt Christofer fort: «Therefore, we won’t see us for a while. So what do you think should be the last song?» Die Antwort kennen wir natürlich alle bereits selber: «To Mega Therion» – der Klassiker schlechthin aus dem Durchbruch Album «Theli». Und wieder wird mir nochmals bewusst, ich habe heute einmal mehr eine der genialsten und besten (Live-) Bands – nicht nur im Metal – erlebt. Einmal mehr hat sich die Fahrt nach Pratteln gelohnt.
Setliste Therion
- O Fortuna
- Dis-Moi Poupée
- Son Of The Sun
- Via Nocturna
- The Flight Of The Lord Of Flies
- J’ai Le Mal De Toi
- Abraxas
- Vanaheim
- Lemuria
- Gothic Kabbalah
- The Siren Of The Woods
- Ginnungagap
- Land Of Canaan
- Wine Of Aluqah
- The Rise Of Sodom
- Khylsti Evangelist
- Une Fleur Dans Le Coeur
- Son Of The Staves Of Time
- Wonderous World Of Punt
- Blood Of Kingu
- To Mega Therion