Die Schweizer Eluveitie surfen auf einer immer grösser werdenden New Wave Of Folk Metal. Nach dem sie auf der Metal Cruise – 70000 Tons Of Metal – Anfangs 2012 ziemlich abräumten, folgte gleich anschliessend an die Cruise eine Nordamerika Tour, damals noch teilweise als Support von Children Of Bodom. Während dieser Tour erschien im Februar das Hammer-Konzeptalbum über den Gallischen Krieg – «Helvetios» – und im Sommer zu ihrem 10jährigen Bandjubiläum die Neuauflage von den ersten beiden Alben «Spirit» und «Vên» als Doppel-CD (The Early Days). Seit Monaten sind die Helvetier weiter unterwegs auf ihrem Kreuzzeug für den Folk-Death-Metal. Ausverkaufte Konzerte der zweiten Nordamerika-Tour innerhalb des gleichen Kalenderjahres folgten Ende 2012. Dieses Mal jedoch als Headliner. Im neuen Jahr (2013) gibt’s auf der ewigen Helvetios World Tour noch Auftritte in Südamerika, (Ost-)Europa und Australien.
Umso schöner, dass sich Chrigel Glanzmann und seine Mitsurfer-/Innen Ende 2012 zum zweiten Mal ihrer Wurzeln besinnen und zum Jahresende zu einem Festival mit befreundeten Bands in ihrer Heimat laden. Und der Ruf wurde erhöht. Das erste «Eluveitie And Friends» Ende 2011 im Volkshaus Zürich war ausverkauft. Der Nachfrage entsprechend, musste für die Zweitausgabe eine grössere Halle her. Und was wäre nicht passender, als seine Freunde in die eigene Heimatstadt – Winterthur – einzuladen?
Und auch dieses Mal sind die Freunde der Einladung in Scharen gefolgt. Zwar nicht mehr ganz ausverkauft, dennoch eine sehr gut gefüllte Eulachhalle mit rund dreimal so viel Zuschauerkapazität gegenüber dem Volkshaus … und nicht vergessen, am Ende des Tages sprechen wir über Death-Metal und sind weit weg vom täglichen Mainstream. Oder hat jemand von euch schon mal Eluveitie am Radio gehört, geschweige irgendeine Erwähnung an den Swiss Music Awards (SMA)? Warum auch, die Schweiz hatte seit Krokus vor 30 Jahren Unmengen von Bands am Start, die international erfolgreich waren … ähm, Hüstel … mir kommt zwar grad keine in den Sinn, aber muss wohl so sein, sonst würde Elu ja mehr Beachtung in den Medien und eben beim SMA erhalten.
Anyway, ich steh jetzt hier in der Eulachhalle Winterthur und freue mich mit Freunden auf den Aufritt der Freunde von Eluveitie und Elu selbst. Wer braucht da schon die ganz grosse Masse?
Mit einer kleinen Verspätung wurden die Türen der Halle geöffnet. Immerhin war es trotz Dezember nicht kalt, ein bisschen davor zu stehen.
Nicht die kleine Verzögerung, sondern die Halle selbst ist – und das gleich vorweg – einer meiner zwei, drei kaum erwähnenswerten negativen Punkte des Festivals. Die Halle versprüht für ein Metal-Festival in etwa so viel Charme wie eine Chilbi auf dem Gemeindeparkplatz. Die Bühne ist etwas verloren in der trostlosen Halle gespickt mit fest installierten Werbebannern von Firmen, die sonst wohl so ziemlich nichts mit Metal am Hut haben (wollen). AMAG, Stadt Winterthur, UBS etc.
Aber ich denke, das ist jetzt mal Jammern auf hohem Niveau, denn Hallen mit mehr Charme in dieser Grösse dürften in der Schweiz nicht grad wie Sand am Meer zur Verfügung stellen.
69 Chambers
Frau und Herr Vetterli – 69 Chambers – haben um 15.30 Uhr die Ehre, das Festival zu eröffnen. Die Aufgabe etwas undankbar, da draussen an diesem Samstagnachmittag wie schon angedeutet frühlingshafte Temperaturen herrschen und sich der eine oder andere Metalhead zwei Mal überlegte, ob er sich schon Nachmittags um drei in die Halle begeben soll. Es sind aber doch schon einige da (grosszügig geschaut ist knapp einen Viertel der Halle besetzt), als 69 Chambers loslegen.
Der Kopf der Band – Nina Vetterli-Treml – hat sich verdiente und geniale Musiker um sich geschart. Mit Tommy Vetterli eine Schweizer Ikone im technischen hochstehenden Thrash-Metal (Coroner) und mit Drummer Diego Rapacchietti ein ebenso versierter Mann seines Fachs. Er darf später in diesem kurzen Set sogar ein Solo zum Besten geben. Aber auch Nina beweist, dass sie nicht nur optisches Aushängeschild der Band ist, sondern musikalisch am Bass absolut auf der Höhe und ganz klar die Chefin auf der Bühne ist.
Soundmässig fand ich 69 Chambers schon immer gut, ich habe jedoch etwas Mühe mit dem schleppenden, poppigen Gesang von Nina. Umso mehr bin ich positiv überrascht, dass sie während den neueren Songs den einen oder anderen eindrücklichen Growl einbaut. Von mir aus könnte sie voll auf diesem Gesangstil setzen, was auch sehr gut zu den thrashigen Riffs passen würde.
Für das letzte Lied hat uns Nina eine kleine Überraschung angekündigt. Wer 69 Chambers und ihr jüngstes Album und den Song «Cause And Effect» ein bisschen kennt, erwartet Chrigel auf der Bühne, der in diesem Lied die den männlichen Gesangspart mit seinen Grunts übernommen hat. Und so ist es dann auch. Chrigel kommt mit Sonnenbrille getarnt auf die Bühne und sorgt mit seinem posigen Auftritt für einen ersten stimmungsmässigen Höhepunkt.
Red Shamrock
69 Chambers haben mit ihrem gefälligen Auftritt allen klar gemacht, dass dies heute nicht ein reines Folk-Festival ist. Die zweite Band heute Abend – Red Shamrock – machen als nächstes auch grad klar, dass es aber auch kein reines Metal-Festival ist.
Die fünfköpfige irish-keltische Truppe aus der Schweiz mit zwei ex-Eluveitieren – die beiden charismatischen Zwillinge Sevan und Rafi Kirder – bilden mit ihrem mehr oder wenigen akustischen Sound einen starken Kontrast zu den anderen «Freunden». Das heutige Publikum ist jedoch offen für die verschiedenen Stilrichtungen – im Sinne von die Freunde von Elu sind unsere Freunde.
Und so lassen sich einige vom ausgelassenen Sound und vor allem der Performance der beiden Zwillinge anstecken und tanzen zum Sound, der perfekt an jede Irish-Party passen würde, ausgelassen mit. Die Halle ist inzwischen auch schon gut zur Hälfte gefüllt. Die Elu-Fans vollkommen auf ihrer Seiten haben Red Shamrock, als sie «Inis Mona» anstimmen. Auch Chrigel – der den Auftritt neben der Bühne aufmerksam mitverfolgt – konnte sich hier ein Lächeln nicht verkneifen.
Arkona
Und so ist das Volk heiss auf mehr Folk, aber hat noch Reserven für mehr Metal. Und den sollen sie haben. Mit russischem Polka-Folk-Death-Metal. Arkona legen gleich los, als hätte jemand im Zoo vergessen, die Türen der ganz wilden Tier abzuschliessen. Angeführt wird das Rudel von Sängerin Maria Archipowa die eingepackt in einem Fuchsfell und mit Hand-Trommel auch von einem indigenen sibirischen Volke stammen könnte oder direkt aus einem Luke Gasser Film.
Die Dame ist der Schreck aller Fotografen – die Momente wo sie für ein paar Sekunden still steht können an einer Hand abgezählt werden – jedoch der Liebling aller Mosher und Metalheads. Ein Typ wie Campino oder Angus wirkt neben der wie ein lahmer Hund. Ein Mitfotograf – Sacha Saxer – fragt mich dementsprechend im Fotopit, was man der wohl ins Essen getan habe. Was auch immer es war, gebt der vor jedem Konzert davon und die Mitmusiker haben auch was abgekriegt. Arkona geht ab, als hätten sie heute die Chance ihres Lebens, ein begeisterungsfähiges Publikum zu überzeugen. Bei mir hat es funktioniert und ich kaufe gleich nach deren Auftritt ein Arkona-Shirt. Und ich freue mich jetzt schon auf deren Auftritte auf der Metal-Cruise 2013 in einem Monat. Und ich mache mir auch gleich noch eine Notiz: «Arkona CD kaufen.» (siehe Link zum Reinhören und Bestellen weiter unten).
Mami und Papi von der auf den ersten Blick zierlichen Russin, werden sich wohl fragen, was sie bei der (musikalischen) Erziehung falsch gemacht haben. Ich finde: Nichts! Arkona macht einfach Freude. Extrem erfrischend nicht nur deren Auftritt, sondern vor allem auch der geile Sound. Das für unsere Ohren oft sich aggressiv anhörende Russisch passt perfekt zum archaischen Auftritt und hammermässigen Russen-Polka-Death-Metal. Nebst den Headlinern für mich das Highlight dieses Festivals. Und nichts, aber wirklich nichts toppt ein «Thank you» mit tiefer Frauenstimme und russischem Akzent und eine Wall of Death zu High-Speed-Polka.
Die Meute ist jetzt aber wirklich richtig heiss und Eluveitie And Friends II geht gewaltig ab. Wer da kein Lächeln auf dem Gesicht hat und sich mitreissen lässt, sollte sich ernsthaft fragen, was er den zum absoluten Glück noch mehr braucht. Ein bisschen mehr Arkona würde dieser Welt auf jeden Fall gut tun.
Finntroll
Finntroll liefern anschliessend ebenfalls mit charismatischem Sänger und geilem Sound auch einen schweistreibenden Auftritt ab, aber nicht ganz so erfrischend und dynamisch wie Arkona vorher. Die Finnen tragen aber auf jeden Fall dazu bei, dass dieses Festival wohl bei den meisten Besuchern lange und positiv in Erinnerung bleiben wird. Und das wir jetzt alle so richtig für den absoluten Höhepunkt bereit sind.
Eluveitie
So um zwanzig nach Acht geht’s endlich los mit den Namens- und Gastgebern des Festivals: Eluveitie. Vom ersten Ton an, vom Erscheinen der acht Helvetier ist klar, sie spielen heute in einer anderen Liga. Wir werden in noch höhere Sphären katapultiert.
«Helvetios» eröffnet das Set. Dieser Song – siehe auch meine Review zum gleichnamigen Album – repräsentiert das Schaffen von Eluveitie perfekt. In diesem vier Minuten ist alles drin verpackt, was deren Sound ausmacht. Und so wiederhole ich mich im Fotograben immer wieder mit «einfach nur geil». Elu beweisen auf eindrückliche Art und Weise, dass sie die absolute Speerspitze des New Wave Of Folk Metal sind. Ich glaub, da widerspricht mir heute Abend keiner.
Chrigel ist mit seiner charismatischen Art der Häuptling, der Kopf der Band. Und wie schon bei anderen Reviews zu Eluveitie gewünscht, verzichtet er heute auf jegliches grossspuriges (Rockstar-) Gehabe und auf jegliche Kraftausdrücke wie «Fuck You Motherfuckers». Warum auch, wir sind ja seine Freunde und keine Motherfuckers. Es bestätigt uns, er hat dies überhaupt nicht nötig, wir liegen ihm ja eh schon alle zu Füssen und sind bereit mit ihm in den Gallischen Krieg zu ziehen.
Aber Eluveitie ist nicht nur Chrigel, sondern vor allem auch eine Band mit Hammermusikern. Die beiden Mädels (Meri Tadic und Anna Murphy) sorgen nicht nur für optische Abwechslung, sondern zusammen mit Flötler Päde Kistler und teilweise auch Chrigel für die Folk-Melodien. Anna‘s Auftritt und vor allem Gesang wird immer souveräner. Nebst «A Rose For Epona» und «Inis Mona» bleibt vor allem ihr Solo-Gesangs Auftritt bei «Scorched Earth» in Erinnerung. Und zu meiner Überraschung heute nicht nur mit cleanem Gesang, sondern auch mit dem einen oder anderen Growl.
Für den unermüdlichen treibenden Death-Metal-Beat sorgt Zauberzwerg Merlin und entsprechende Riff-Granaten liefern die beiden Gitarristen Ivo Henzi und Neuling Rafael Salzmann, der 2012 Simé Koch ersetzte. Es ist verdammt geil, was Eluveitie heute Abend zeigen und spielen. Helvetier seid stolz auf unser «Armeespiel». Wenn unsere Armee noch nicht die beste der Welt ist, so sind Eluveitie nebst Uhren, Käse und Schoggi etwas vom Besten, was wir aktuell der Welt zu bieten haben.
Die Halle ist praktisch voll und ich bin überzeugt, heute kommen alle, aber wirklich alle auf ihre Kosten. Und das es heute kein Kindergeburtstag ist, kündigt Chrigel mit der dritten Wall of Death des heutigen Abends an: «Mier sind alli erscht i de Ufwärmphase. Mier bruched ez e richtig fetti Wall of Death.» Gesagt, getan. Für grössere Circle Pits fehlt jedoch der Platz bzw. ist die Halle vorne bei der Bühne zu voll.
Chrigel hat es am Anfang angekündigt, dass heute das ganze Album Helvetios in der chronologischen Reihenfolge wie auf dem Konzeptalbum gespielt wird. Coole Sache, doch leider fehlen dafür ein paar ältere Klassiker in der heutigen Setlist. Und die zu kurze Setlist bzw. mit 1 1/2 Stunden der zu kurze Auftritt von Elu ist wirklich der einzige negative Punkt der Headliner. Nach einer Zugabe ist vor 22.00 Uhr bereits Schluss. Schade, da hätte man spontan noch den einen oder anderen Klassiker bringen können. Das Ende kam zu abrupt.
Klarer Höhepunkt war dann einer der wenigen am Ende gespielten Klassiker mit «Inis Mona», wo auch die ehemaligen Mitglieder Simé Koch und meine beiden Lieblingszwillinge von Red Shamrock auf der Bühne mittun dürfen. Da fragt man sich schon ein bisschen, warum man eine Band auf deren Steigflug an die internationale Spitze des Metals verlässt. Krach kann es ja nicht gewesen sein, sonst wären die wohl heute nicht als Freunde mit dabei.
Das Schlusswort überlasse ich Chrigel, der glaub für uns alle die die richtige Worte findet: «Ier hend hüt alli dafür gsorgt, dass miär das Konzärt hüt abig nu lang wärdüd in üsere Erinnerig und Härze träge.» So wahr. Umso mehr hätten wir eine oder zwei Zugaben geschätzt.
Fanzit
Kein reines Metal- und kein reines Folk-Festival. Es war Eluveitie und deren genialen Freunde, die uns heute einiges boten und in den Worten von Chrigel noch lange in Erinnerung bleiben werden. Es war verdammt geil mit einem glasklaren Höhepunkt: Eluveitie. Und eine hammerstarke Überraschung: Arkona. Dass es ein paar mehr Foodstände und ein bisschen mehr Pinkel-Kapazität für die Mädels hätte haben sollen, erwähne ich jetzt mal nur am Ende mit einem Satz. Denn was bleibt, ist die Musik und die Performance der Freunde von Eluveitie und von denen selbst.
Setliste Red Shamrock
- Mamma Morgana
- The Sailor
- Way Of The Sun
- Five Ways To Leave
- Bluebeard’s Tale
- Pulpo Y Raxo
- The Young King
- Hellish Cargo
- Beggermaid
- Pog Mo Thoin
Setlist Eluveitie
- Helvetios
- Luxtos
- Home
- Santonian ShoresScorched Earth (Anna Murphy Solo-Gesang)
- Meet The Enemy
- Neverland
- A Rose For Epona
- Havoc
- The Uprising
- Hope
- The Siege
- Alesia
- Uxelludunon
- Everything Remains
- Divico
- Inis Mona
- Tegernako