Masters of Symphonic Metal
Peavy Wagner (nomen est omen) war 1996 – mit seinen damaligen Bandkumpels von Rage – mit dem „Lingua Mortis“ (LMO) Klassik-Album zusammen mit Therion’s „Theli“ der grosse Vorreiter der heute kaum mehr wegzudenkenden Bombast-Klassik-Meets-Metal-Welle. Als Metalhead liegt es ja auf der Hand, dass wir auf alles Episch-Bombastisch-Arrangierte abfahren. Guter Heavy-/Thrash-Metal ist ja auch nichts anderes als grossartige Symphonien – man nehme zum Beispiel Metallica‘s „Master Of Puppets“.
So lag es auf der Hand, dass ich als kleiner Metalhead schon früh auch auf die grossartigen Symphonien von Beethoven & Co. abfuhr und so träumte ich immer davon, eine Verschmelzung zwischen den Extremen des 19. Jahrhunderts und der heutige Zeit zu erleben. Denn auch Klassik war mal und ist immer noch progressiv, laut, heavy und schnell – insbesondere die Symphonien von damals. Und dann hatte ich plötzlich Rage’s „Lingua Mortis“ in meinen Händen. Endlich! Mein Traum wurde wahr. Kurz darauf entdeckte ich noch Therion’s „Theli“ und so war ich eigentlich ja schon mehr als zufrieden.
Bis dann Metallica ihr Symphonie-Orchester Projekt ankündigte – da wusste ich, es gibt noch eine Steigerung. Denn was passt besser mit einem klassischen Orchester verschmolzen zu werden, als die Hammersongs von Master Of Puppets, welche – wie schon erwähnt – ja bereits alles für sich Symphonien sind. Aber leider kam dann die grosse Ernüchterung. Metallica spielte ein mittelmässiges Live-Set und im Hintergrund war noch ein Orchester zu hören. Also nichts von Verschmelzung.
Dann doch lieber zurück zum Original. Rage passten ihre Songs den Gegebenheiten an und liessen es zu, dass das Orchester Teil dieser Lieder wurde und nicht nur deren Hintergrundbegleitung. Das hätte ich mir auch von Metallica gewünscht.
Nun, ein paar Jahre zogen ins Land. Metallica haben sich inzwischen wieder zu ihren Wurzeln des Thrash zurück besonnen und Rage ist mit der aktuellen Besetzung besser denn je. Mit Viktor Smolski fand Bandkopf, Bassist und die geniale Charakterstimme Peavy Wagner den genialen Gitarristen und auch Mitkomponisten, den er für seine Ideen und Arrangements braucht. Später kam dann mit dem virtuosen Power-Drummer André Hilgers noch das letzte fehlende Bindeglied dazu und so ist Rage eines der genialsten Metal-Trios überhaupt.
Es lag also auf der Hand, die Orchester-Geschichte, nach der Trilogie in den 90ern, mit den begnadeten Musikern wieder auszugraben. Es soll aber nicht mehr eine Rage macht Klassik Geschichte, sondern ein neues Projekt mit eigenem Namen – Lingua Mortis Orchestra (LMO) – sein. Und Peavy gab Viktor freie Hand, bei der Orchesterauswahl und beim Schreiben der Arrangements, während er zuständig für die Texte bzw. die Geschichte des Konzeptalbums war.
Auf der Metalcruise (70‘000 Tons Of Metal) gab es dieses Jahre ein erstes Müsterchen davon (siehe Review und Fotos). Rage bzw. LMO feat. Rage spielten zwei Hammer-Livesets – auf dem Schiff, mit einem schon ansehnlichen, jedoch aus Platzgründen etwas reduzierten, 15-Frau-Mann-Orchester. Und was wir da hörten, war schon sehr vielversprechend. Die Erwartungen wurden also schon mal gewaltig hochgeschraubt. Und die Band selber war voller Enthusiasmus aber auch Ehrfurcht vor dem, was noch kommen sollte (siehe Interview mit André auf der Cruise).
Auf Wacken dann nochmals ein Auftritt und erste neue Songs. Zu bemängeln hatte ich einzig die Auftritte der zusätzlichen Sänger/-Innen, die meine Erwartungen bei weiten nicht erfüllen konnten. Mal schauen, wie sich diese im Studio machten …
Und jetzt läuft die Scheibe bei mir schon ein paar Wochen rauf und runter. Und ich war nicht im Stande, umgehend eine Review zu schreiben. Obwohl die neuen Songs sofort reinhauen und ganz tief unter die Haut gehen, musste ich diese Ladung an genialer Musik auf allerhöchstem Niveau zuerst mal verdauen bzw. immer wieder ein Häppchen davon probieren. Und je öfter ich LMO höre, desto mehr komme ich ins Schwärmen.
LMO ist für mich klar der bisherige Höhepunkt der Lingua Mortis Geschichte von Rage. Victor Smolski – der übrigens der Sohn eines weissrussischen Komponisten ist (Dmitri Smolski) – hat in der Tat aus dem Vollen geschöpft und schon fast überirdische Songs geschrieben. Symphonien die den grossen Klassik-Meistern schon fast in nichts mehr nachstehen. Das komponieren hat man ihm also schon in die Wiege gelegt.
In den Worten von Victor Smolski hört sich das so an: „Die neuen LINGUA-MORTIS-ORCHESTRA-Songs faszinieren aufgrund ihres Abwechslungsreichtums. Knüppelharte Stücke stehen im Kontrast mit wunderschönen balladesken Melodien. Das erste offizielle LINGUA-MORTIS-ORCHESTRA-Album wird für uns etwas ganz Besonderes, da wir noch nie zuvor etwas Derartiges geschaffen haben. Ihr könnt euch auf ein Konzeptalbum mit langen Nummern freuen, in deren Rahmen, neben Peavy’s Leadgesang, auch weibliche Vocals und exotische Orchester-Instrumente zu hören sind. Wir haben gleich mit zwei Orchestern gearbeitet, in Barcelona und Weissrussland, was die Gesamtzahl der an diesem Mammutprojekt beteiligten Musiker auf über 100 Personen schraubt.“
Da gibt es kaum mehr was zu hinzuzufügen.
Das Konzeptalbum handelt über die Hexenverbrennungen anno 1599 von Gelnhausen. Man fühlt sich mit LMO in die damalige Zeit zurückversetzt und hat das Gefühl die unrühmliche Geschichte 1:1 mitzuerleben und fiebert mit dem Schicksal der zu Hexen Verurteilten ab. LMO hört sich auch wie ein rasanter Soundtrack, dieser Zeit an.
Angefangen beim über 10münitigen Opener „Cleansed By Fire“. Eigentlich lohnt sich der Kauf schon bei diesem unglaublich epischen Symphonie-Opener. Er ist in sich eigentlich schon, was die ganze Scheibe bietet. Powermetalgranaten wechseln sich mit romantischen, emotionalen langsameren Passagen ab. Und immer wieder wird Peavy von der Sängerin Jeannette Marchewka und der Sopranistin Dana Harnge unterstützt. Und was ich live sowohl auf der Cruise als auch in Wacken bemängelte – die beiden Damen brauchts nicht bzw. stimmlich eher schwach – sind auf der Scheibe ein wirkliche Bereicherung und auch eine wirkliche Ergänzung zu Peavy’s Hammerstimme.
So richtig Tempo gibt’s dann bei „Scapegoat“ bis es dann zum emotionalen Höhepunkt bei der Ballade „Lament“ kommt. U.a. bei Lament griff Victor auch zum Cello – was er uns in Wacken live demonstrierte.
Und so geht es weiter bis der Vorhang fällt. Drum höre ich jetzt auf mit weiteren Songs aufzuzählen, weil ich mich immer wiederholen würde.
Das Fanzit
Kaufen! Lingua Mortis Orchestra ist nicht nur von Rage das bisher Genialste, sondern auch bei meinen all time Favorites ganz, ganz weit oben. Jedem dem Metal gefällt, der grossartige Arrangements und eine spannende Geschichte verpackt in alle dem liebt, sollte sich LMO nicht entgehen lassen! Ich wette, dass keiner enttäuscht sein wird, was hier zu hören bekommt.
PS: Am 12. September spielen LMO im Z7!
Anspieltipps: Alle! Insbesondere Cleansed By Fire, Scapegoat, Lament
Reinhören und limited Edition mit DVD (inklusive Cruise-Konzerte) bestellen
Trackliste LINGUA MORTIS ORCHESTRA feat. RAGE – LMO
- Cleansed By Fire
a) Convert The Pagans PT. 1
b) The Inquisition (Instrumental)
c) Convert The Pagans PT. 2 - Scapegoat
- The Devil´s Bride
- Lament
- Oremus (Instrumental)
- Witches‘ Judge
- Eye For An Eye
- Afterglow
- Straight To Hell (Orchestra version – Bonustrack)
- One More Time (Orchestra version – Bonustrack)