1001 eine Nacht mit der frohen Botschaft in der Gallery
Ganz klar, warum ich heute für einmal in die Gallery anstatt ins Mutterhaus Z7 pilgern: Orphaned Land geben sich die Ehre.
Drei Vorbands sind angekündigt. Während ich die erste verpasse, erlebe ich die zweite Matricide und dritte Klone live. Wie der Headliner des heutigen Abends, kommen Matricide ebenfalls aus Israel. Sie befinden sich auf ihrer ersten Europa-Tour und setzen starke Akzente, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Die Bühnenpräsenz ist beachtlich. Es wird fleissig gebangt und gemoshed, wie es bei jungen Bands eben noch sein muss und soll. Soundmässig auch ganz OK, nur der Schrei-Gesang ist halt nicht so mein Ding.
Praktisch das gleiche – Bühnenpräsenz, Sound und Gesang – gilt für Klone aus Frankreich. Die starken Breaks und Doom-Elemente sind prädestiniert für synchrones Slomo-Headbanging aller Bandmitglieder.
Das Publikum lässt sich teilweise mitreissen, auch wenn es wohl fast allen wie mir geht und dem Auftritt von Orphaned Land entgegenfiebern.
Ich habe die Israeli 2012 auf der Metal-Cruise (70’000 Tons Of Metal – siehe Review) für mich entdeckt. Der damals für mich neue Oriental Metal zog mich sofort in den Bann. Noch mehr tat es die unglaublich positive Ausstrahlung der ganzen Band – und mittendrin stand Jesus (Sänger Kobi Farhi). Nicht unerwartet sagte dieser auf die Cruise die weisen Worte, welches das friedliche auf dem Schiff mit Metalheads aus über 50 Ländern, nicht besser hätte beschreiben können: „The only religion which is global is Heavy Metal!“
Und genau das ist die Botschaft von Orphaned Land. Obwohl Juden repräsentieren Sie nicht eine Religion, sondern alle drei Weltreligionen. „Wir sind alle Söhne Abrahams. Warum sollten wir uns also gegenseitig hassen und bekämpfen?“.
Diese Botschaft verkörpert die im Sommer veröffentlichte Scheibe „All Is One“ mit nicht nur einem optischen schönen, sondern wohl auch einem der ausdruckstärksten Plattencovers ever.
Es ist ja bei den Fans bekannt, dass Orphaned Land auch viele Moslem-Fans haben. Das einzige muslimische Land wo sie auftreten dürfen, ist die Türkei und dorthin kommen dann Fans aus dem n arabischen Raum inklusive Palästina und dem Iran. Und auch heute ist das Publikum stark durchmischt und repräsentiert die halbe Welt, wie eine kleine Live-Umfrage Kobi’s beim Publikum bestätigt. Speziell betont er, dass in der vordersten Reihe zwei Israelis mit Flagge und daneben eine Syrierin stehen. Und nebst Schweizern hat es noch Türken, Franzosen, Dänen und sogar einen Mexikaner im Publikum.
Kobi kommentiert seine Umfrage mit „Musik ist die grösste Kirche der Welt.“ Recht hat er und in solchen Momenten bin ich stolz, Teil dieser Kirche – ein Metalhead – zu sein. Egal woher du kommst, was du trägst und tust, was uns verbindet, ist die Musik, der Heavy Metal.
Wenn nicht Orphaned Land – letztes Jahr wurden Unterschriften für eine Petition gesammelt – den Friedensnobelpreis kriegen, dann zumindest die Heavy Metal Community! Anstelle des Geschwafels der Politiker würden schlauer Bands wie Orphaned Land das Zepter übernommen. Zumindest unter den Metalheads wäre der Frieden schnell besiegelt.
Aber wir sind hier ja nicht an einem politischen Anlass, sondern in erster Linie wegen dem einzigartigen Oriental-(Death-)Metal von Orphaned Land. Und auch wenn das jetzt so rüberkommt, es werden nicht der ganze Abend politische Botschaften verkündet, sondern in erster Linie Hammersound mit einer unglaublich positiven Ausstrahlung aller Bandmitglieder geboten. Eine frohe Botschaft oft auch ohne grosse Worte verkündet.
Wie schon auf der Cruise haben alle Bandmitglieder ein Dauersmile drauf. Entweder nehmen die ziemlich fröhliche Drogen oder die sind einfach glücklich, mit dem was sie machen. Oder sie sind einfach nur ein Spiegel unserer selbst. Denn auch ich und wohl alle anderen auch, können einfach nicht anders, als mit einem Big Smile das Gebotene erwidern.
Mittendrin der Jünger steht Jesus Kobi. Wie es sich gehört Barfuss und mit einer Kutte bekleidet. OK, damit es nicht zu fest nach Hari-Krishna abdriftet, ist diese zumindest schwarz und zollt somit seinen Respekt dem Metal – aber wir hätten natürlich auch eine weisse Kutte akzeptiert … will ja meinen Worten weiter oben nicht gleich wiedersprechen.
Hammer die Kombination von hartem (Death-)Metal mit den orientalischen Klängen. Gitarrist Yossi hat sich dem Umstand dieser Musik dienend eine Doppelgitarre mit einer griechischen Bouzouki kombiniert mit einer klassischen E-Gitarre umgehängt. Er nennt diese Selbstentwicklung „Bouzoukitara“. Wir können übrigens uns glücklich schätzen, dass er heute dabei ist. Er ist erst heute zur bereits laufenden Tournee dazu gestossen, da er vor wenigen Tagen Vater geworden ist.
Persönlicher erster Highlight ist für mich der zweite Song heute Abend („All Is One“) – der Übersong von gleichnamigen neuen Album. Etwas später dann der von vielen sehnlichst erwartete Ohrenwurm „Sapari“. Nicht überraschend der stimmungsmässige Höhepunkt von heute Abend.
Die Gallery ist gut gefüllt, wenn auch nicht sehr gross. Kobi trifft den Nagel auf den Kopf, als er sagt: „Es ist nicht wichtig, wie viele heute da sind, sondern dass diese mit uns sind.“ Bei Sapari waren es definitiv alle!
Bei Orphaned Land wechseln sich die Momente zwischen Headbanging und Bauchtanz laufend ab. „Ocean Land“ ist der Moment, wo sich eine temperamentvolle Syrierin nicht mehr zurückhalten kann und so zeigt sich ihr wohl angeborenes, in den Genen steckendes Bauchtanztalent auf der Bühne und lässt ihre Haare und Hüften kreisen.
Während sich die Saitenzauberer und Stimmakrobaten eine Pause gönnen, darf Matan Shmuely sein Können auf den Trommeln präsentieren. Das war ganz OK und nicht ganz die 08:15-Geschichte, wenn man jedoch ein paar Tage vorher das Drumsolo von Mike Harshaw (Annihilator – siehe Review) erlebt hat, haut es einen nicht aus den Socken.
Nach dem fröhlichen Bauchgetanze und Getrommle wird es dann mit der Ansage von „Children“ für einen Moment wieder ernster. Sänger Kobi sagt: „Neben Party muss auch dafür Platz sein.“ Children ist ein Song über die tragische Art und Weise Kinder aktuell in Syrien mitten im Bürgerkrieg aufwachsen müssen.
Und trotz aller Ernsthaftigkeit bleibt auch genügend Platz für eine gesunde Portion Selbstironie. Die letzten Songs kündet er mit „I’m Jewish. Let’s make a deal.“ an. Der Deal besteht mehr oder weniger daraus, dass sie noch zwei Lieder spielen. Und später kommt hinzu, dass es bei „Norra El Norra (Entering The Ark)“ auf der ganzen Welt jeweils Tradition sei, dass alle dazu hüpfen. Er bittet uns, diese Tradition nicht zu brechen. Dem Wunsch sei Befehl und es wird gehüpft, als hätten wir alle eine Ladung Sackläuse abgekriegt.
Fanzit: Orphaned Land schaffen den Spagat gleich mehrmals. Angefangen beim Mix von Metal und orientalischer Musik. Dann ernste Themen wie die ganze Situation im Nahen Osten mit sowohl positiver Energie rüberzubringen, als stehe der Frieden vor der Tür und dazu zu Hüpfen als wären es reine Partysongs. Und meisten schaffen sie es wie keine andere Band und schon gar keine Politiker und Religionsoberhäupter die verschiedenen monotheistischen Religonen zu vereinen. All Is One ist nicht nur ein Albumtitel mit einem schönen Cover, sondern be Orphaned Land Programm. Und das verpackt in genialer Musik. Friedensnobelpreis für Orphaned Land. Und dazu gleich noch einen Gramm für den Hammersound.
Setliste:
- Through Fire And Water
- All Is One
- Barakah
- The Kiss Of Babylon (The Sins)
- The Simple Man
- Brother
- Birth Of The Three (The Unification)
- Olat Ha’tamid
- Let The Truce Be Known
- Sapari
- Children
- Ocean Land (The Revelation)
- „Drum Solo“
- El Meod Na’ala
- In Thy Never Ending Way
- Norra El Norra (Entering The Ark)
- Ornaments Of Gold