Ist dir die ganze Weihnachtszeit zu besinnlich, zu freundlich, zu positiv? Du willst lieber schwarze Tage und Nächte, tiefe und bedächtige Sounds mit tödlichem Grundtenor?
Dann bist du bei AVATARIUM und ihrem gleichnamigen Debut absolut richtig.
Nachdem die Band um Sängerin Jennie-Ann Smith bereits im September diesen Jahres eine 12“ Maxi mit drei Titeln herausgebracht hatte, schiebt sie jetzt den Vollänger nach. „Moonhorse“ und „Boneflower“ sind auf dem Album drauf, das SABBATH-Cover „War Pigs“ kommt hier nicht zum Zug.
Das Album fasziniert durch seine Vielfalt. Balladen wechseln mit Metal- oder Doomnummern, mal schnell, mal langsam. Neben fetten Riffs finden sich sanfte Pickings, das Schlagzeug braust einmal metallen auf, um sich im nächsten Stück jazzig-sanft streicheln zu lassen.
Mein Favorit auf dem Album ist ganz klar die Ballade „Lady Of The Lamp“. Jennie-Ann Smith verfügt über eine absolut faszinierende, klare Stimme, beherrscht die leisen Töne ebenso wie die Powerpassagen. Das Beste am Track ist allerdings die Gitarre. Wieder einmal ein Gitarrist, der zeigt, dass gute Soli weiss Gott nicht schnell sein müssen. Ton für Ton passend gesetzt, anstelle von Stakkato-Masturbation. Genial.
Positiv fällt mir auch auf, dass die Band einen Sound liefert, der sowohl vierzig als auch zwei Jahre alt sein könnte. Da sind die Vorbilder aus den Achtzigern zu hören, diese werden nicht unter den Teppich gekehrt. BLACK SABBATH, RAINBOW oder BLUE ÖYSTER CULT scheinen immer wieder auf und werden durch moderne Elemente ergänzt.
Erstaunt bin ich darüber, dass dieses mir eher unangenehme Attribut „Doom“ in diesem Fall nicht ins Gewicht fällt. Da ist definitiv viel von diesem schleppenden Breakdown-Sound vorhanden. Der ist allerdings so gekonnt gemacht und mit Stilelementen kombiniert, dass er absolut passt. Bei „Tides Of Telepathy“ zum Beispiel wird er mit einen klaren Frauenstimme anstelle des üblichen Über-Growl und einer psychodelischen Gitarre kombiniert – grossartig!
„Moonhorse“ zeichnet die Tagträume eines Jungen nach und ruft in mir Erinnerungen an PINK FLOYDs „The Wall“ hervor, einerseits durch die schweren Instrumentalpassagen, andererseits die Gesangspart in ihrer Varietät. Und ja, die beinahe zehn Minuten Spieldauer tragen das ihre zu diesem Bezug bei. Das können heute nicht mehr so viele Bands.
Ein Hammertrack ist auch „Boneflower“. Die morbide Geschichte vom Wald, in dem Liebende sich das Leben nehmen, erscheint wie ein auf fünfeinhalb Minuten komprimiertes Rock-Musical. Herrlich!
Was soll man da noch sagen? AVATARIUM treten an mit einem Album, einem ganzen Musikstil, der schlicht genial ist, Altes mit Neuem vermischt, einen weiten Bogen über die Rockgeschichte der letzten vierzig Jahre spannt.
Wer das Album noch nicht hat – unbedingt kaufen!
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Trackliste
- Moonhorse
- Pandoras Egg
- Avatarium
- Boneflower
- Bird Of Prey
- Tides Of Telepathy
- Lady In The Lamp