Alles was man hört ist live
Während der 70’000 Tons Of Metal Kreuzfahrt 2014 konnte ich mich mit Asis Nasseri von Haggard und seiner Freundin Manu in eine Einzel-Kabine verkriechen und rund 40 Minuten plaudern. Asis war für mich schon lange einer der genialsten Musiker, Köpfe und Songschreiber im Metal. Dazu sind er und Manu auch ausgesprochen nette, herzliche und nahbare Zeitgenossen. So konnten wir über dies und das in sehr offener und lockerer Atmosphäre plaudern.
Metalinside (pam): Hallo Haggard. Willkommen auf dem Boot!
Asis: Ja, hallo auch.
MI: Seit meiner ersten 70K Metal-Cruise vor zwei Jahren warte ich auf die Ankündigung von Haggard im Line-up. Endlich, endlich wurde dieser Traum für mich wahr. Ich hatte vor zwei Jahren schon mal auf Eurer Facebook-Seite gefragt, ob ihr auf die Cruise kommt. Eure Antwort damals war – wenn ich mich richtig erinnere – das man im Gespräch ist.
Asis: Das ist richtig.
MI: Warum hat’s lang gedauert?
Asis: Ich glaub, dazu hat es gar keinen speziellen Grund, weil es viele gute Bands gibt. Wir haben den Anfang der Cruise gar nicht so mitbekommen. Das war glaub 2011, oder?
MI: Ja. Die erste Cruise 2011 hatte ich eben auch verpasst, weil ich damals noch nichts davon wusste. Aber 2012 war ich dann sofort dabei.
Asis: Ja genau. 2012 wurde es dann glaub auch noch populärer. Für 2013 hatten wir uns beworben, dass hatte leider nicht geklappt. Drum bin ich umso erfreuter, dass es dieses Jahr geklappt hat. Weil das eine Superorganisation, ein ganz eigenes Festival ist, halt auch was ganz besonderes. Vielleicht wurde am Anfang einfach ein bisschen geschaut, wie es läuft. Weil wir sind ja nicht so Mainstream mit unseren barocken und klassischen Sachen. Ich freu mich jetzt auf jeden Fall. Wir sind auch mit zwölf Musikern angetreten. Das ist halt immer ein bisschen schwierig. Wir können auch mit 20 spielen, das ist dann jedoch oft ein Kapazitätsproblem.
MI: Zwölf Musiker werden also heute auf der Bühne stehen.
Asis: Ja, das ist aber alles vertreten. Streicher, Bläser, klassischer Sänger und so weiter. Wir freuen uns jetzt sehr, in ein paar Stunden performen zu dürfen. Es gilt noch den Soundcheck gut hinzukriegen. Bei so vielen Leuten ist das immer ein bisschen schwieriger. Aber ansonsten sind hier alle sehr entspannte, nette Leute. Das ist Urlaub.
MI: Ich war letztes Jahr mit André von Rage bzw. Lingua Mortis Orchestra feat. Rage hier im gleichen Zimmer ein Interview. Sie hatten auch die gleichen Bedenken betreffend Soundcheck …
Asis: Zu wie vielt waren die?
MI: Ich bin grad nicht mehr ganz sicher. Sie hatten auch ein reduziertes Orchester dabei aber es waren glaub schon so um die 20 Musiker. Er hatte eben auch ein bisschen Respekt vor dem Soundcheck und ob da alle auf der Bühne Platz haben werden …
Asis: Genau. Grad am Pooldeck …
MI: LMO waren letztes Jahr beide Male im Theater. Ihr seid einmal auf dem Pooldeck …
Asis: Ja genau, wir sind einmal auf dem Pooldeck und morgen dann im Theater.
MI: Die Slots die ihr habt sind ja sehr gut.
Asis: Ja, die Stage-Times die wir haben sind der Wahnsinn.
MI: Normal auf Tour seid ihr jeweils mehr als zwölf Leute, oder?
Asis: Ja, auf regulärer Tour sind wir normalerweise so 14, manchmal 15 Musiker. Es kommt auch immer grad drauf an, welche Scheibe bei der Tour promotet wurde. Wobei die Streicher verstärkt und noch ein Horn dazu kommt. Dies ist jedoch für die Charakteristik des Haggards-Sounds nicht so ausschlaggebend. Was die Trademark von Haggard ausmacht sind Cello, Violine, Viola und so weiter.
MI: Gibst dann trotzdem noch Samples oder ist alles was man hört live?
Asis: Nein, alles was man hört ist live. Das ist auch das Gute bei uns. Viele Bands machen das mit Samples. Das ist auch OK. Die Frage ist jedoch wie stark reizt du das aus. Da werden Stimmen gedoppelt, da werden Chöre eingespielt und da denkt man, wenn man jetzt die Geiger auch noch vom Band spielt, dann sparen wir noch Platz im Flugzeug oder so. Ne, Haggard ist schon … echt.
MI: Ich hatte jetzt schon zwei Bands auf dieser Cruise erlebt, wo kein Bassist da war (Atrocity und Leaves‘ Eyes – sowie später noch Dark Tranquillity – siehe Cruise-Tagebuch). Wenn die Bassläufe vom Band kommen, finde ich es schon ein bisschen krass. Wir reden ja bei Haggard über grössere Geschichten, aber der Bass …
Asis: Echt? Krass! Die Rocksection sollte schon komplett sein.
MI: Lass uns ein bisschen über die Anfänge von Haggard reden. Lingua Mortis von Rage sowie Therion waren ja allgemein in diesem Genre die Pioniere. Wer hat dich inspiriert?
Asis: Hm, also im Prinzip … eher durch die klassische Musik. So Ende der 90er Jahre, 1989 habe ich Haggard gegründet, 1992 haben wir das erste Demo-Tape aufgenommen. 1993 eine Mini und 1997 dann das erste Album. Da gab es damals auch noch kein Internet oder sowas. Du hattest halt damals die Gazetten gelesen. Es gibt ne Band die heisst Believer. Eine Thrash-Band aus den 80er Jahren. Die haben schon mit Klassik experimentiert. So richtig neu waren die anderen (Lingua Mortis und Therion) auch nicht. Es gibt immer irgendjemanden schon vor dir, der was in der Art gemacht hat. Therion natürlich, die haben auch früh angefangen. Lingua Mortis auch. Ich glaub auf der Tour 1998 haben wir Lingua Mortis das erste Mal gehört. Also das war wirklich relativ eigenständig.
Die „Peer-Gynt-Suiten“ von Edvard Grieg waren irgendwie bei mir die Initialzündung. Dann gings halt los mit Klassik-Sucht und allen möglichen Komponisten, wobei bei uns ja der mittelalterliche Anteil relativ gross ist.
MI: Bist du schon als Kind mit Klassik aufgewachsen oder kam das alles erst später?
Asis: Gar nicht, gar nicht. Meine Eltern hatten mit Klassik gar nichts am Hut. Mit 14 hat es (bei mir) angefangen mit Death und anderen guten, harten Bands. Das war einfach wie ein Selbstläufer. Ich habe mir das damals gar nicht überlegt und wahrscheinlich mit 18 Haggard dann gegründet. ’95 hatten wir dann auch so ein Tape draussen. Da war das Ganze aber nicht ziemlich freakelig und progressiv, experimentell. Danach hat sich der Stil dann gefestigt. Es ging in die Richtung Renaissance, Klassik, Barock.
MI: Ich habe ja immer auf genau diesen Sound gewartet. Ich bin zwar auch mit klassischem (Thrash) Metal aufgewachsen, aber mir gefiel klassische Musik eben auch immer gut.
Asis: Das (Metal und Klassik) hat auch Parallelen.
MI: Genau, das sag ich auch immer. Die Power, der Bombast, die Symphonien all das gehört zusammen.
Asis: Unabdingbar.
MI: Ich hatte immer auf eine solche Band gewartet, die genau das bringt.
Asis: Es ist so. Aber am Anfang hatten wir ziemlich viele Hürden drin. Konzertveranstalter die gesagt haben, ne sowas will ich nicht. Wir hatten auch einen Deal mit einer Plattenfirma bekommen, die dann aber im Nachhinein sagten, was ihr seid jetzt 16 (Leute)?!? Damit wollen wir nichts zu tun haben. Aber nichtsdestotrotz sind wir dann bei Last Episode gelandet und dann bei Drakkar. Ich find, dass es noch im Möglichen ist. Mit mehreren Leuten ist es halt immer ein Problem. Bei Haggard ist es ja auch ein konstantes Ensemble. Es ist auch … ähm, Band ist ein schwieriger Name, weil die Leute hat schon auch wechseln, aber halt nicht so, dass jedes Mal jemand Neues kommt. Es gibt verschiedene Besetzungen pro Instrument und je nach Zeit – es sind zum Teil auch Orchester- und Berufsmusiker und die müssen schauen, wann sie spielen können – … es hat schon so was wie ein Orchesterflair. Es ist also schon so, dass es ein eigenständiges Ensemble ist.
MI: Die auch davon leben können? Oder zumindest ein Teil davon?
Asis: Das ist halt leider bei so vielen Leuten … sag ich mal … ähm … (sucht nach einem passend Wort)
MI: Schwierig?
Asis: Schwierig trifft’s ziemlich gut. Ja klar, Logo bei einer vierköpfigen Band ist es einfach. Bei 16 Leuten ist das nicht ganz so einfach. Wenn du mal irgendwo hinfliegst, wenn was ist, dann sind wir im Tourtross eigentlich im Minimum 15 Leute. Und so ist es schwierig. Wenn alle davon leben wollen, musst du halt einen Sampler aufstellen. Also Sequenzes ab Band und das kommt für mich aber nicht in Frage. Ich würde nie zum einen Platz zu sparen irgendwas durch ein Band ersetzen. Haggard lebt halt von diesem Live-Feeling. Das ist auch genau richtig so wie es ist. Es haben also eigentlich alle noch andere Berufe. Das geht nicht anders.
MI: Du auch?
Asis: Ich bin Programmierer.
MI: Gerne noch ein paar Fragen zur Cruise. Was erwartest du von euren Auftritten? Es hat sicher viele Deutsche da, auch Schweizer und Südamerikaner (Anm. d. R. Haggard ist nebst den deutschsprachigen Ländern vor allem auch sehr populär in Mexico und anderen südamerikanischen Ländern).
Asis: Ich weiss es ehrlich gesagt nicht richtig.
MI: Spricht man dich an (auf der Cruise)? Kenn man dich?
Asis: Ja, schon. Natürlich nicht alle. Die die eher auf harten Metal stehen und weniger auf Bands wie Haggard oder Symphonic Metal Bands eher weniger … nicht das jetzt Haggard eine Symphonic Metal Band ist, aber ist halt der Oberbegriff der unserem Stil am nächsten kommt. Es kommt ganz drauf an, 12 Uhr nachts (wenn Haggard auftreten) ist die Stimmung wohl schon ziemlich heiter. Wir versuchen natürlich alles um gute Stimmung zu machen, aber ich glaub, dass man dies hier nicht so vorbestimmen kann. Aber das wir überhaupt hier spielen und unseren Sound präsentieren dürfen, ist eigentlich schon dass Tollste an der Geschichte. Also wenn eine Band hier ankommt und gleich erwartet, dass sie Hammerresonanzen haben wird, ist dies meiner Meinung nach etwas falsch. Wobei wir auch viele Fans aus den USA haben. Da läuft’s auch gut. Ich hoff also, dass ordentlich was los ist, aber man kann es nicht immer voraus sagen. Bescheidenheit, Bescheidenheit ist … äh, find ich gut.
MI: … eine gute Tugend. Wir lassen uns gerne überraschen (seine Freundin und inzwischen Verlobte Manu fügt an):
Manu: Kennst du das? „Bescheidenheit ist eine Zier, weiter kommt man ohne ihr“.
Asis: Weiter kommt man mit Qualität würde ich sagen.
MI: Ich wollte auch anfügen, jemand der mit 12 Leuten auf die Cruise kommt ist ja auch nicht grad bescheiden (alle Lachen). Aber du hast es grad nachgeliefert – mit Qualität.
Asis: Ja gut OK, jeder glaub ich, findet seine Musik toll, sonst würde man es nicht machen. Letztendlich wird es gute Stimmung geben auf der Bühne und wir werden rocken was Haggard hergibt.
MI: Das ist noch spannend. Ich war grad letzten Dezember am Therion Konzert und Christopher sagte damals – er ist ja an einer Rock-Oper dran und sie hatten die ganze Vovin Scheibe durchgespielt – dass er damals bei dieser Platte endlich all seine Ideen umsetzen konnte, wie er es gerne wollte. Er hatte endlich die finanziellen Möglichkeiten auch mit Orchester aufzunehmen. Gibt es bei dir auch noch Limiten, wo du sagst, das ist in meinen Kopf, Herzen drin, aber das ist jetzt halt einfach finanziell nicht machbar? Oder konntest du bisher immer das umsetzen, was du gerne wolltest?
Asis: Ein Orchester ist jetzt nicht unbedingt das, was mich reizen würde. Ich bin ein grosser Fan von Kammermusik und finde, dass man auch mit verhältnismässig wenigen Instrumenten eine fantastische Stimmung schaffen kann. Es ist halt immer die Frage, wie es man dann live umsetzt. Wenn du mit einem 120-Mann-Orchester – ich sag jetzt einfach was – oder gehen wir jetzt mal von reellen Zahlen aus, ein 40 Leute Orchester, dann habe ich dies wahrscheinlich bei der Premiere mit dabei und dann spiele ich halt weiter mit 16 Leuten. Da stellt sich für mich die Frage, kann ich das Gefühl von diesem Orchester oder die entsprechende Komposition für dieses Orchester nicht auch mit weniger Leuten ausdrücken. Es gibt eigentlich immer einen Weg. Grad mit Streichern kannst du von der Tonabnahme bis zu den Arrangements unheimlich viel machen. Also bei unserem Aufnahmen sind auch nicht viel mehr Leute drauf. Man hat mal was gedoppelt, OK, bei einem Intro war mal was mit einem Orchester. Aber jeder hat auch andere Träume. Es gibt Leute die sagen, boah, Wahnsinn, so was arrangieren. Ich glaub, dass die Zukunft von Haggard in der Formation bleibt wie sie ist. Natürlich würde ich auch, wenn wir die finanziellen Mittel dazu hätten, aufstocken auf 18 oder vielleicht sogar 20 konstanten Musikern.
MI: Für die Live-Formation?
Asis: Natürlich, ja. Finde ich auch eine gute Sache, solche Ziele zu haben. Die Ziele die ich hab, sind immer mehr kompositorischer Hinsicht. Man will es immer besser, immer toller machen. Man will immer neue Sachen bringen. Drum werkle ich auch schon eine ganze Zeit am neuen Zeug. Das ist so mein gestecktes Ziel. Einfach die alten oder allgemein Haggard Fans zu überraschen. Also positiv zu überraschen und nicht „wir machen jetzt kein Death-Metal“ oder so. Sowas wird’s bei uns nicht geben. Die Trademarks von Haggard werden natürlich beibehalten.
MI: Also, ich hab so einen Traum, den ich seit Jahren mit mir rumschleppe. Und zwar jetzt wo es die Bands endlich gibt, die ich mir immer gewünscht habe, wäre es cool, in Luzern … ich weiss nicht, kennt ihr Luzern in der Schweiz?
Asis: Ja klar.
MI: …. im dortigen Kultur- und Kongresszentrum mit einer scheinbar akustisch besten Konzerthallen weltweit …
Asis: (aufgeregt auf das was jetzt kommt) OK.
MI: … und es ist auch ein architektonisch spezielles Gebäude von Jean Nouvel. Und da wäre es eben ein Traum für mich, dort einen speziellen Abend mit Orchester und Therion, Tarja und eben euch zu erleben. Aber ist das jetzt etwas was dich gar nicht anspricht, so eine einmalige Geschichte?
Asis: Ne, ne. Eine solche einmalige Geschichte natürlich schon. Wir haben das auch schon mal gemacht in Bulgarien.
MI: Dann wärt ihr also dabei?
Asis: Da wären wir jederzeit dabei. Wir spielen jetzt das nächste Mal in Lateinamerika und in Bogota, Kolumbien, auch mit einem Orchester. Das was ich meinte, ist das mit einem Orchester zu spielen, für mich nicht so der ultimative Traum ist. Ich denke was aber mal toll wäre, mit jemanden was aus der klassischen Szene zu machen, um einfach mal zu sehen, ob aus dieser E-Musik – wir sind ja immer noch U-Musik und Klassik ist ja E-Musik – da einen Star rauszupicken. Aber auch das ist jetzt für mich nicht so der ultimative Traum. Der ultimative Traum ist für mich, mit Haggard ein schönes neues Album hinzulegen und dann gute Shows zu spielen und in Länden aufzutreten, wo wir bisher noch keine Chance hatten. Wir haben bisher in 32 Ländern gespielt, aber es gibt natürlich noch Skandinavien, Asien, USA und Kanada zum Beispiel. Das sind eher Sachen, wo ich sage „OK, das wäre doch mal toll“. Genauso wie die 70’000 Tonnen einen Traum waren. Andy Piller – der Macher von dem Ganzen – hat dann irgendwann mal … wann war das (fragend an Manu), Ende Dezember, ne (was sie nickend bejaht) … so ne Mail geschickt, wo dann drin stand ob wir uns das vorstellen könnten. Das war zum Beispiel eine solche Situation wo man nicht lange überlegt.
MI: Dann kriegt man so kurzfristig die 12 Leute zusammen? Die müssen ja auch alle noch Ferien kriegen etc. Das war ja dann schon sehr spontan.
Asis: Ja, aber das ist jetzt generell nicht so ein Ding.
Manu: Ja, ich glaube auch, dass die zum grossen Teil aus Leidenschaft bei Haggard spielen, die dann die Möglichkeit schon finden. Immer.
MI: War grad witzig, als du vorher Kanada erwähnt hast. Es war heute Morgen, wo wir beim Frühstück mit jemanden über Haggard gesprochen haben. Sie war von Kanada und kannte euch schon lange, hatte aber euch noch nie live gesehen.
Asis: Ja, das ist eben so. Wenn die neue Scheibe ein Feuer zündet, wird es eventuell auch möglich in solchen Ländern wo es bisher potentiell noch nicht klappte.
MI: Wann kommt dann das neue Album raus? Die letzte ist ja glaub schon fast sechs Jahre alt.
Asis: Die ist Ende 2008 rausgekommen. Wir schedeln (planen) diese für den Herbst. Das ist halt immer sehr … Da musst du halt mit deinem Ego kämpfen, mal was durchzulassen. Und … ich will eigentlich gar noch nicht mehr verraten.
MI: Dann bist du also auch sehr kritisch mit dir selbst und Haggard?
Asis: Muss man sein.
MI: Dazu was lustiges. Jedes Mal wenn ich dich live erlebe, sag ich immer wieder das gleiche zu meiner Frau. Ich hab das Gefühl bei zwei Typen. Der andere ist Johan Hegg von Amon Amarth.
Asis: Der Sänger, oder?
MI: Genau. Und wenn ihr beide unabhängig voneinander auf der Bühne steht, denke ich immer wieder das Gleiche. Wenn jemand nur eure Musik, die Growls hört, dann möchten wohl die meisten euch zweien nicht im Dunklen begegnen und schliessen bei dieser Teufelsmusik ihre Töchter ein. Doch wenn du und auch Johann mit eurer immensen Ausstrahlung von der Bühne zum Publikum sprecht, dann ist das alles wie weggeblasen. Dass ist dann der Moment, wo ich sage, wenn ich jetzt ein Kind hätte und schnell weg müsste, ich würde es dir in die Arme legen und sagen, dass ich in einer halben Stunde wieder zurück komme. Du bist halt einfach einer, dem man sofort vertraut.
Asis: (lacht etwas verlegen). Das ist schön, dass du das sagst.
MI: Siehst das als Kompliment oder ist damit dein Image gefährdet?
Asis: Ganz klar ein Kompliment. Bei Haggard gibt’s kein Image.
MI: Was bringt dich dann auch mal auf die Palme? Wahrscheinlich wenn’s um die Musik selbst geht, da gibt’s wohl keine Kompromisse?
Asis: Du meinst jetzt privat?
MI: Nein, so ganz im Allgemeinen auch als Musiker. Weil man dich eben immer so gemütlich und freundlich erlebt. Es gab einmal ein Konzert von euch im Z7, wo so ein mühsamer Typ die ganze Zeit euren damaligen Kontrabassisten mit nervenden Sprüchen angemacht hat. Das war vor vielen Jahren. Du kannst dich wohl nicht mehr erinnern. Du warst damals jedoch ziemlich ruhig geblieben und obwohl er mit seinen Zwischenrufen alle genervt und gestört hast, hast du versucht mit anständigen Worten ihn zur Vernunft zu bringen. Du hattest einen guten Mix zwischen bestimmter Ansage und aber auch ihn ernst zu nehmen, da er ja schliesslich auch ein Fan von euch ist.
Asis: Richtig. Das ist aber gar nicht Mal die alleroberste Priorität, weil darüber nicht nachdenken muss. Es gibt aber viele Bands, die mit ihren Fans machen, was sie lustig finden. Wir haben diverse Bands an Festivals gesehen, die ihre Fans zum Teil auch beschimpfen und so. Das kommt halt irgendwie immer ein bisschen drauf an. Wir hatten im Z7 auch mal jemanden, der den Gruss abgegeben hat – hier den da (zeigt den Hitler-Gruss). Wo unser Cellist auch gesagt hat, sag jetzt was. Da muss man dann einfach ein klares Statement abgeben. Wenn einer irgendwelche Parolen ruft, kann man das nicht ungehört lassen. Weil es eventuell auch Leute im Publikum gibt, denen das gewaltig gegen den Strich geht. Wenn du dir auch Haggard anschaust: Claudio aus Italien, Maurizio aus Italien und der kommt daher und die daher … wir haben auch zwei rumänische Mitmusikerinnen. Da gibt’s dann zero tolerance bei sowas.
MI: Ja gut, da fragt man sich dann wieso solche Leute an ein solches Konzert kommen. Das passt ja dann gar nicht.
Asis: Du, wie auch immer. Vielleicht wollte er auch nur provozieren. Du weisst nie, was dahinter steckt. Das war dann sehr ärgerlich. Aber generell lass ich mich sonst auf der Bühne nicht wirklich durcheinander bringen. Was mich auf die Palme bringt , ist wenn technisch was im Argen liegt. Weil ich hab so eine Art Dirigenten-Funktion und ich muss halt einfach die anderen Sachen halbwegs hören können. Wenn du dann jemanden hast, der vom Lokal unmotiviert an die Sache geht – ist alles schon passiert – und man redet mit denen nach dem Soundcheck und sich dann während der Show nichts ändert, dann ist das schon nicht so toll. Aber sonst passiert eigentlich schon nicht so viel.
MI: Ich hätte noch einiges an Fragen, aber ich glaub wir müssen langsam zu einem Ende kommen (der nächste Interviewer wurde bereits vor dem Interview angekündigt).
Asis: Hat er nicht gesagt, dass er klopft?
MI: Sollen wir einfach so lange machen bis er klopft? (alle Lachen). Von mir aus können wir gerne noch ein bisschen Plaudern.
Asis: Was hast du denn noch für Fragen? Vielleicht können wir schnell machen.
MI: Ich habe noch ein paar Entweder-Oder-Kurzfragen.
Asis: (ganz gespannt bzw. gwundrig) Ja, mach mal.
MI: OK, du musst dich jeweils für eine Antwort entscheiden, darfst aber auch mal einen Joker setzen. Wir haben jetzt schon ein bisschen drüber gesprochen, aber dennoch: Therion oder Lingua Mortis?
Asis: Wird das veröffentlicht (Manu lacht)?
MI: Du kannst hier auch den Joker setzen …
Asis: Joker.
MI: War Tarja nach ihrem Rausschmiss bei Nightwish jemals ein Thema für Haggard oder allgemein wär es jemand, mit der du gerne mal auf die Bühne gehen würdest?
Asis: Also auf die Bühne würde ich auf alle Fälle mit ihr gehen. Aber nicht als Teil von Haggard. Tarja ist rein physisch gesehen ein Nightwish-Produkt. Und es würde auch nicht heissen Haggard & Tarja, sondern Tarja & Haggard. Ich muss auch sagen, dass ich in Haggard exzellente Musiker habe. Sie ist auch eine exzellente Sängerin, hat ein ganz tolle Stimme, Timbre. Aber ich sag mal (überlegt) … ich habe irgend mal mit dem Plattenchef von Drakkar gesprochen (A.d.R.: Das erste Label von Nightwish), der sie sehr gut kennt, für so eine Art Projekt für die „Tales Of Itharia“ Scheibe. Es wäre so ein Intro gewesen, aber halt auch etwas, dass man nicht einfach so schnell macht.
MI: Tarja war damals Thema für ein Intro?
Asis: Ich habe nur Mal … das brauchst du jedoch nicht zu veröffentlichen. Das erzähl ich dir jetzt nur, weil du mir sympathisch bist. (A.d.R.: Das wollen wir entsprechend respektieren und somit lassen wir hier ein paar Passagen vom Interview aus – danke für Verständnis).
MI: Es gibt die Big4 des Thrash Metals. Welches sind für dich die Big4 des Symphonic/Opera/Klassik-Metals?
(Es klopft an die Tür).
Asis: (ruft) Noch zwei Minuten, wir sind gleich soweit. Die Big4 existieren eigentlich gar nicht. Natürlich, du kannst jetzt sagen Nightwish, Within Temptation … die die halt am meisten verticken. Aber ganz ehrlich, das ist mir sowas von Wurscht. Ich würd sagen Mendelssohn, Mozart, Bach und Mussorgski wären meine Big4 (Manu schmunzelt).
MI: Coole Sachen. Wacken oder 70’000 Tons Of Metal?
Asis: (Überlegt) Beides. Wacken hat halt ein Superflair. Es ist super gelaufen (Haggard war im 2013 auf Wacken) und professionell ohne Ende. Ein bisschen schwer zu finden war der Artisten-Eingang…
Manu: Oh ja.
Asis: Aber das bringt ein solches Festival mit sich. Beides. Es hat beides ein ganz spezielles Flair. Ich würde auf beiden spielen wollen.
MI: Wenn Haggard ein Filmtitel wäre, was für ein Film (Genre) wäre es?
Asis: Der Film wäre intelligent gemacht, hätte verschiedene parallele Handlungen. Es wäre keine stumpfe Handlung, sondern verschiedene Handlungsstränge die immer weiter ineinander zusammenlaufen. Schauspielertechnisch wären es kantige Charaktere – schon auch bekannte Schauspieler – aber fände so ein Gene Hackman hat mehr Ausstrahlung als wie so ein, na gut jetzt auch nicht mehr, aber als so ein Brad Pitt als er damals so ein Hübschie war. Wobei er in „Twelve Monkeys“ richtig geil spielte. Der hat schon drauf, auf alle Fälle. Der Film wäre ausgestattet mit einer Menge Blut. Aber so dargestellt, dass es sich noch im ästhetischen Rahmen bewegen würde. So zum Beispiel wie „Sin City“. Da gibts auch eine Menge Keilerei, aber auf eine Art gemacht, die schon sehr interessant ist. Also der ganze Film generell.
MI: Die coolste Headline du je von Haggard gelesen hast.
Asis: Das war so eine Headline wo Haggard mit „ä“ geschrieben wurde. So wie Hägar. Irgendwas wie „Sie fürchten weder Tod noch Teufel“.
MI: … mit Tom Cruise.
Asis: In irgendeiner Zeitschrift. Ja, der hatte voll die Panne der Artikel.
MI: Was wäre dann die coolste Headline, die du von Haggard lesen möchtest?
Asis: (Überlegt ein bisschen) Haggard heute Nacht bei Carmen Nebel (lacht). Äh, ich weiss nicht, vielleicht „Haggard tonight at Olympiastadion“. Ach, ich kann’s ehrlich gar nicht sagen.
MI: Dann jetzt also definitiv zur letzten Frage. Wen hast du imitiert als du als Kind/Teenager mit Haarbürste als Mikro und/oder Air-Gitarre spielend vor dem Spiel standst?
Asis: Das gab’s bei mir nie.
MI: Nie?
Asis: Nie. Ich hab als Kind mal auf Töpfen rumgetrommelt.
MI: Und hast du dabei jemanden nachgeahmt?
Asis: Nö. Als Kind hat mich Mucke zwar immer interessiert aber irgendwann fing ich selber an Gitarre zu spielen und fing dann auch an eigene Platten zu kaufen. Death war eigentlich immer meine Lieblingsband. Chuck Schuldiner war natürlich ein genialer Komponist und Musiker auch und er hat mich im Metalbereich immer angesprochen. Aber das so richtig mit Haarbürste oder so hatte ich nie. Also jetzt manchmal, wenn ich mit den Mädels (Manu kichert) bei uns im Bad bin und es läuft ein Song, dann kann es schon mal passieren …
MI: Bei welchen Songs?
Asis: (Überlegt)
Manu: Wenn du Kinder hast, musst du alles hören. Und alles toll finden (lacht).
Asis: Richtig. Man will sie ja auch nicht formen. Es gibt ja da so Nulpen die sagen: „Ja ich höre Metal (und meine Kinder auch).“ Aber es ist schon guter Sound. Also nicht was wie Rap. Das wäre dann schon etwas too much. Ansonsten gibt’s gute Rocksounds, gute Popsongs. Die heutigen Kids sind mit Internet halt auch auf allen Wegen unterwegs. Da kannst du auch nicht mehr sagen, ich höre jetzt nur des und des. Es geht mir ja selber auch so. Es gibt coole Lieder von dem Komponisten – ich sag jetzt mal Johnny Cash, geil. Ich höre gerne Johnny Cash. Weils ein geiler Charakter ist und gute Songs geschrieben hat.
MI: Hast du zum Schluss noch ein paar Worte für unsere Leser (ich reiche ihm eine Metalinside-Karte um was drauf zu schreiben)?
Asis: (Schreibt …).
MI: Dankeschön (bezogen auf die Worte).
Asis: Es ist wirklich so. Die Schweiz ist ein tolles Land. Ne Menge Tradition. Bestimmt auch nicht immer leicht, oder?
MI: Ich halts gut aus. Ich denke wir sind uns im Denken mit den Bayern auch ziemlich nah.
Asis: Das stimmt.
MI: Kommt ihr den bald wieder Mal in die Schweiz?
Asis: Ja, Z7 steht an.
MI: Ich hab gar noch nichts gelesen …
Asis: Spätestens mit der neuen Scheibe ist das Z7 fest gebucht.
(Ein bisschen eitel ist Asis auch. Als ich zum Abschluss ein Foto mache, möchte er es sehen und anschliessend noch ein Foto im Stehen machen – mit der Begründung, dass er heute zu viel gegessen habe. Das gefällt ihm dann wunderbar.)
MI: Also, ich bedanke mich nochmals herzlich und freue mich auf die Show von Euch heute Nacht.
Asis und Manu: Danke dir auch. Wir sehen uns auf dem Schiff.