School’s out
Was passiert, wenn man Hardrock aus den 70er Jahren, Pop aus den 80er Jahren und aktuellen Metal mit einem grossen Symphonie Orchester kreuzt? Die fünfte Auflage von Rock meets Classic lieferte die Antwort im Hallenstadion Zürich: ein Spektakel, welches seinesgleichen sucht!
Die Affiche liess dem Rockfan schon das Wasser im Munde zusammenlaufen. Neben den 80er Pop-Ikonen Midge Ure (Ultravox) und Kim Wilde, wurden Joe Lynn Turner (ex Rainbow, ex Deep Purple), Mick Box und Bernie Shaw von Uriah Heep und Altmeister Alice Cooper angekündigt. Für Alice war es in seiner langen Karriere übrigens das erste Mal, dass er mit Orchester gearbeitet hat. Als Special Guest hatte dann auch noch Marc Storace von der Schweizer Hardrock Legende Krokus einen Auftritt. Den klassischen Rahmen bildete das Bohemian Symphony Orchestra aus Prag, für die rockigen Klänge war Mat Sinner mit seiner Band zuständig.
Die erste kleine Enttäuschung gab es beim Betreten der Halle. Die Bühne stand nicht mal in der Mitte. Man merkte sofort, dass es eine Show im eher kleinen Rahmen geben wird. Ich schätze mal, dass es allerhöchstens 3‘000 Zuschauer waren, die den Weg nach Zürich auf sich genommen hatten. Dass es nur Sitzplätze gab, war jedoch im Vorfeld längst bekannt. Die Bühne selbst war riesig – Kunststück, wenn man die Anzahl der Protagonisten anschaut. Und so war man trotz des Mini Hallenstadion sehr gespannt, was da auf einem zukommen würde!
Dem Namen Ehre erweisend eröffnete das tschechische Orchester die Show mit dem fantastischen Queen Song „The Show must go on“. Die Mat Sinner Band (bei der unter anderem ein gewisser Oli Hartmann dabei war, dazu später mehr..) mitsamt den diversen Sängerinnen und Sängern (bei denen Amanda Sommerville und Sascha Krebs die auffälligsten Figuren waren), lieferte hier bereits tatkräftige Unterstützung.
Als erster Einzelkünstler war Midge Ure auserkoren. Der Schotte sang zu orchestraler Begleitung seine grössten Hits wie „Hymn“ oder „Vienna“. Auffallend jedoch bereits da, dass das Orchester nicht so dominant war, wie man sich das bei solchen Songs gewünscht hätte. Aber herrlich anzuhören war es trotzdem und so wurde der Ultravox Sänger auch mit grossem Applaus verabschiedet.
Ein ganz anderes Kaliber war als nächstes an der Reihe: der grossartige Joe Lynn Turner! Der ehemalige Sänger von Rainbow und Deep Purple besitzt auch heute noch eine der geilsten Röhren und stellte dies eindrucksvoll unter Beweis. Erstaunlich war, dass Turner bei seiner Songauswahl auch „Love Conquers all“ aus seiner Zeit bei Deep Purple berücksichtigte. Das unumstrittene Highlight war aber selbstredend die Rainbow Hymne „Since you’ve been gone“. Dank dem Orchester erhielt das Teil einen grossen Schub Bombast, die Leute wurden hier wortwörtlich von den Sitzen gerissen! Und so wurde Joe Lynn Turner verdientermassen mit einer Standing Ovation verabschiedet.
Nachdem das Orchester ein Beethoven-Intermezzo gespielt hatte, war es Zeit für mein persönliches Highlight: Kim Wilde! Der Schwarm meiner frühen Teenager-Zeit (es gab mal eine Zeit vor dem Metal…), den ich leider nie live erleben durfte. Endlich war es soweit – und die Dame enttäuschte mich zu keiner Sekunde! Und dass sie meinen ultimativen Lieblingssong „Cambodia“ spielte, machte den Auftritt noch besser… Für die Allgemeinheit war aber dann wohl doch der Megahit „Kids in America“ das Nonplusultra. Auffallend jedoch auch hier, dass das Orchester eher dezent zur Geltung kam. Dennoch ein herrliches Erlebnis vor der Pause.
Teil zwei begann imposant: Oliver Hartmann durfte sein Können als Sänger und Leadgitarrist unter Beweis stellen, als er mit orchestraler Begleitung Pink Floyd’s „Another Brick in the Wall Pt.2“ zum Besten gab. Der grössere Teil des Publikums kannte Oli vorher kaum, aber seine Performance begeisterte wohl jedermann!
Und jetzt begann die Halle zu kochen. Zu den Klängen von „Screaming in the Night“ kam Krokus Frontröhre Marc Storace auf die Bühne – und das Publikum stand Kopf! Die Schleichwerbung für das neue Krokus Live Album wäre zwar nicht nötig gewesen, aber sein Auftritt war ansonsten absolut erstklassig und bis zu dem Zeitpunkt schlicht unerreicht. Bei „Bedside Radio“ kam das Orchester so gut zur Geltung wie kaum je zuvor und spätestens jetzt war der Hinterste und Letzte auch auf den Beinen. Mit einem heftigen „Long Stick goes boom“ verabschiedete sich Storace zu einer weiteren Standing Ovation. Heimspiel deutlich gewonnen!
Als letztes Zwischenspiel gab’s etwas Filmmusik: „Pirates of the Carribean“. Und direkt im Anschluss kamen die Nostalgiker im Publikum endgültig auf ihre Kosten: Mick Box und Bernie Shaw von Uriah Heep enterten mit „Easy Livin‘“ die Bühne und räumten von Beginn weg so richtig ab. Für „Free me“ bat Mick um gesangliche Unterstützung des Publikums – ich war wohl nicht der einzige, der am nächsten Tag auch deswegen eine etwas kratzige Stimme hatte… Dass „Lady in Black“ als Abschluss ebenfalls von jedem lauthals mitgesungen wurde, erklärt sich von selbst. Besser geht’s wohl kaum noch, oder…?
Wer das jetzt glaubt, hat die Rechnung selbstverständlich ohne den Altmeister Alice Cooper gemacht! Begleitet von der Gitarristin Orianthi (ja, ich geb’s zu – ich hab den Namen hier das erste mal gehört…) startete der wahre Headliner mit „Hello, Hooray“ seinen Part. Funkenregen und Feuersäulen begleiteten „House of Fire“, danach war Schluss mit lustig: „No more Mr. Nice Guy“!
Natürlich fehlten viele Gimmicks, die man eigentlich bei einer Alice Cooper Horror Show erwarten würde. Ausser einem kräftigen Biss in den Arm bei „Only Women bleed“, war das alles recht familienfreundlich. Nun ja – es war ja aber auch keine gewöhnliche Show… „Welcome to my Nightmare“ war mit Orchester herrlich anzuhören, bei „Poison“ hingegen war wieder das alt bekannte Problem, dass die Rockmusik alles andere einfach übertönte. Zum absoluten Überhit „School’s out“ kamen alle beteiligten Gäste nochmals auf die Bühne und rockten alles in Grund und Boden. Ein fantastisches Finale, welches einen äusserst aussergewöhnlichen Konzertabend beendete!