Wenn eine Konzert-Review zur grossen Hommage an die international erfolgreichste Schweizer Band wird …
Wenn Eluveitie ruft, fahren wir auch an den nördlichsten Zipfel der Schweiz. Ins Kammgarn. Kammwas? Ich erlebe in der ehemaligen Industriehalle meine Premiere und bin schlicht von Anfang an begeistert. Eine Halle – wo gleichzeitig nebenan bei Kerzenlicht diniert wird – welche einen rostigen Charme versprüht. Ideale Grösse für eine Metalband mit internationalem Renommée und inklusive einer allumfassenden Galerie. Schade nur, dass die Halle inklusive seinem schmucken Städtli rundherum aus Schweizer Sicht nicht so zentral gelegen ist. Und die meisten Bands die dort spielen, tun’s meist auch an anderen Orten in der Schweiz für wohl die meisten dann gleich um die Ecke.
So ja auch Eluveitie. Aber wenn die gleichzeitig mit den Folk-Pionieren Excelsis zusammen an einem Freitagabend auftreten und auch ein paar neue Songs spielen wollen, dann kann es ja nicht weit genug sein. Und mit dem Kammgarn habe ich ab sofort ein weiteres Argument, wieder Mal in den hohen Norden zu fahren. Nun, der eine oder andere Deutsche Leser könnte wohl geneigt sein, mal zu schauen, wo denn Schaffhausen und der Rest der Schweiz so liegt bzw. wie die Distanzen so sind. OK, ich geb es zu, ich jammere hier auf hohem Niveau und so eine Zugfahrt von Luzern nach Schaffhausen erträgt ja auch ein paar Bierchen, wovon man ja an einem Freitagabend auch nicht abgeneigt ist.
Excelsis
Excelsis, die Original Ämmitaler Drachentöter, welche seit Mitte der 90er schon Folk Metal gespielt haben, als es diese Bezeichnung gar noch nicht gab, eröffnen den Abend mit gewohnt viel Schalk in den Augen Münggus und nicht weniger Power von allen Beteiligten der fünfköpfigen Band. Kopf, Gitarrist und Sänger von Excelsis – eben Münggu – ist für mich eines der raren grossen Originale in der Schweizer Metalszene. Ich will da jetzt keinem zu Nahe treten. Jeder der in der Schweiz über mehrere Jahre seine Leidenschaft mit Metal auslebt, verdient schon mal das Prädikat Original, sonst wäre er oder sie ja eine Egli oder so. Aber bei Münggu hat man einfach das Gefühl, da steht ein ganz grosser auf der Bühne, der eigentlich gar nicht so gross sein will oder grösser werden möchte. Dazu fällt mir grad ein früheres – und natürlich immer noch gültiges – Lebensmotto ein: „Wer meint zu sein, hört auf zu werden“. Passt irgendwie grad.
Aber nicht dass Münggu einer deren ist, die über die Jahre ab und zu und irgendwann mal ein Album veröffentlichen oder sonst was bringen. Bei ihm entdeckt man laufend ein neues Projekt, seien es bombastische Filmmelodien oder auch Projekte wie Schtieregring und natürlich Excelsis. Das letzte Album „Vu Chrieger U Drache“ hat noch kaum einen Lenz erlebt, als schon die nächste Akustik-Scheibe angekündigt wird. Nun, wer jetzt als gestandener Folk-Metaller dafür nur ein müdes Lächeln übrig hat, der höre mal in „E chli angeri Lieder“ von Excelsis rein. Mit dieser Scheibe wurde ich infiziert.
Aber zurück was grad auf der Bühne abgeht. Während meine Gedanken so schweifen, ist deren Aufritt eigentlich schon fast wieder vorbei. Klar, wir freuen uns alle auf den Auftritt der momentan grössten, erfolgreichsten Schweizer Band, aber eine halbe Stunde länger mit Excelsis hätten es wohl alle ausgehalten. Da hätte in der Setlist wohl auch ein Live-Klassiker wie „Annebäbeli“ Platz gehabt.
Excelsis ist natürlich nicht nur Münggu alleine. Die Band harmoniert extrem routiniert und so spielt man die halbe Stunde mit viel Power runter, auch wenn am gleichen Tag ein guter Freund von Münggu mit dem Töff tödlich verunfallt ist. Was andere Vorbands in der doppelten Zeit nicht schaffen: Excelsis hat das mit 650 Nasen praktisch ausverkaufte Kammgarn schon zum Kochen gebracht bevor der Headliner auf der Bühen steht. Jetzt liegt es an Eluveitie, den Kochtopf zum explodieren zu bringen.
Eluveitie
Beim meiner letzten Eluveitie Konzert-Review – keine zwei, drei Monate alt – habe ich schon in den höchsten Tönen von Eluveitie geschwärmt (wie eigentlich immer), trotz aller nach über 250 Konzerten in der ganzen Welt merkbaren Routine der Winterthurer, ist er immer noch da, der Magic Moment, der das Konzert ausmacht. Und was damals in Cham fast schon unerreichbar ist, war die Hammersoundqualität.
Heute kommen Eluveitie mehr oder weniger direkt vom Studio und eine gewisse Müdigkeit ist sicher da – vor allem bei Chrigel nicht ganz unübersehbar. Aber Eluveitie haben nicht nur wegen der Nähe zur Heimbasis heute ein Heimspiel. Das haben sie inzwischen in der ganzen Schweiz und weit über die Grenzen hinaus. Eluveitie gehören schon lange nicht mehr nur uns Helvetiern. Sie sind unsere erfolgreichen Söldner, die im Metal die Botschafter für die Schweiz sind, wie es Roger Federer für den Sport ist. So stolz wir auch sind, wir teilen gerne mit der Welt. Aber heute sind sie nicht in China, nicht in den USA, nicht in Skandinavien – gut für einen Innerschweizer schon ziemlich hoch im Norden – aber auch nicht Australien. Sie sind in Schaffhausen im Kammgarn und vom ersten Ton an, werden wir alle so richtig durchgestrählt.
Und wenn man denkt, man hätte wohl schon das beste Elu-Konzert erlebt, legen sie wieder einen drauf. Und es zeigt sich mehr und mehr, dass Nicole eine grosse Bereicherung für die Band ist. In einem kurzen Solo zeigt sie ihr Talent und Können auf der Geige – und dies gegenüber meiner letzten leisen Kritik bei ihrem ersten Konzert mit Elu mit deutlicher reduzierten Hüftwaklern. Mit dem Headbanging ist ihr Meri noch voraus, aber das kommt sicher auch noch.
Allgemein habe ich das Gefühl, dass in den neuen Songs mehr Solis drin sind – auch Gitarrist Ivo Henzi kann mehr zeigen, was er als Solist drauf hat. Andererseits hat’s gefühlsmässig auch mehr Samples die ab Band laufen als auch schon. Aber das mit dem Gefühl und einen paar Bierchen als Gefühlsbeschleuniger ist so eine Sache.
Was jedoch der Eindruck der ersten halben Stunde ist – Gefühl hin oder her – die Folk Deather werden immer besser und im Gleichschritt die Stimmung im Publikum. Von dem ersten Takt an wird gehüpft, gepogt und vor allem auch mitgesungen. So zum Beispiel bei einem meiner Favorites seit längerem „Thousandfold“ oder auch bei dem ersten Elu-Lied überhaupt: „Uis Elveiti“,
Wie so oft ist jedoch der stimmungsmässige Höhepunkt bei „Inis Mona“ auszumachen. Da erstaunt es nicht, dass dieser bekannteste Elu-Song auf Youtube schon rund 16 Millionen (!) mal angeklickt wurde. Kennt jemand einen anderen Schweizer Song der überhaupt eine Million schaffte? Nicht nur Live spielen Eluveitie in einer eigenen Liga.
Nach diesem Übersong folgt ein Neuer Namens Sucellos. Dieser ist zwar wieder um einiges härter, aber auch mit mehr Melodie von der Geige ausgestattet. Langsam aber sicher mausert sich die neue Elu-Scheibe zur meist erwarteten Release im 2014 (inzwischen konnten wir exklusiv im Studio reinhören – siehe Vorab-Review unten).
Während ich einfach nur noch geflashed da stehe und mich frage, wo das noch alles hinführt, entdecke ich den Bassschlüssel auf dem Rücken von Nicole. Hatte nicht eine Dame von Schandmaul das gleiche Tattoo an gleicher Stelle? Hm, muss grad schnell googlen, ob Nicole auch mal bei denen spielte – das wäre mir jedoch neu. Halt, dass war Anna Katharina. Anyway, sieht verdammt geil aus. Das Mädel weiss sich definitiv gut in Szene zu sehen – dieses Mal übrigens auch bedeutend adäquater gekleidet als in Cham.
Nicht vergessen darf man bei dieser ganzen Schwärmerei für die Neue Anna Murphy. Sie leiert und singt (vermehrt auch Growls) wie eh und je, ist jedoch für Eluveitie nebst Chrigel die wohl unverzichtbarste Komponente. Ihre markante Stimme ist definitiv eines der Trademarks der Band. Gut, da wäre noch Merlin, denn ich mehr und mehr als einer der genialsten Drummer für mich entdecke. Ich mag sein so leicht anzusehendes Powerdrumming. Er spielt eigentlich so ruhig wie er spricht, nur hört man das nicht (das er so ruhig spielt). Er peitscht mit seinen Battle-Beats den Tribe unerbittlich vorwärts und sorgt dafür, dass der Mosh-Pit nicht zur Ruhe kommt. Damit immer alles ganz fröhlich bleibt, sorgt mit Unterstützung von Chrigel Flötler Päde. An den Flanken stecken die Saitenvirtuosen mit ihren klassischen Death-Metal-Riffs (Ivo und Rafael Salzman) und an den Dicken Kay, dass Eluveitie von keiner Seite angreifbar ist. Es gibt keine schwaches Glied in der Kette. Dass diese immer straff bleibt und alle in die gleiche Richtung stürmen, dafür sorgt Clan-Chef Chrigel. Am Ende des Tages ist es seine Vision, sein Charisma und Talent, das die Rakete in die Übersphären schiesst.
Das Fanzit – Eluveitie, Excelsis
Eluveitie gehören für mich definitiv zu den raren Bands, bei denen ich mir live jedes Mal wieder sagen muss, verpass ja nie ein Konzert dieser Band, wenn du die Möglichkeit hast hinzugehen. Man fühlt sich jedes Mal wieder bestätigt, dass wenn man sie auch X-Mal gesehen hat, es kann nie genug davon geben. Während sie grad in diesem Moment wieder auf einem Eroberungsfeldzug in China sind, freuen wir uns hier auf den 1. August – dann erscheint das neue Meisterwerk. Dieses Jahr zünden wir am Schweizer Nationalfeiertag nicht ein paar Raketli, sondern eine richtig dicke fette Bombe Namens „Origins“. Elu und wir Metaller wissen, wo unsere Wurzeln sind! Insbesondere auch Excelsis mit ihren Konzeptalben Schweizer Helden.
Setlist Excelsis
- Brothers Of War
- Heathen Princess
- The Fear
- Uechtland
- The Chapel
- The Fall Of The One
- Wissi Bärge
Setlist Eluveitie
- Nil
- Omnos (Metal Version)
- From Darkness (Neuer Song)
- Gray Sublime Archon
- Neverland
- Luxtos
- Uis Elveti
- Havoc
- Meet The Enemy
- A Rose For Epona
- The Siege
- Solo Violine
- The Somber Lay
- Slania’s Song
- (do) Minion
- Uxellodunon
- Thousandfold
- Helvetios*
- Inis Mona*
- Sucellos (Neuer Song)*
*Zugabe