Don’t forget us
Nach unzähligen Konzertabsagen in den letzten Monaten rocken Motörhead auf einer abgespeckten Tour durch Europa – und brachten mit ihrem einzigen Auftritt in der Schweiz die Eishalle von Wetzikon zum Kochen!
Zugegeben: Lange hielt sich mein Glaube an einen solchen Abend in Grenzen. Viele abgesagte Termine seit letztem Sommer und ein nur 3 Songs dauernder Gig am Wacken 2013 – Lemmy’s Gesundheit liess in letzter Zeit nicht wirklich viel zu. Umso grösser war dafür die Vorfreude auf diesen letzten Freitag im Juni, an dem Motörhead den letztes Jahr verschobenen Auftritt in der Schweiz nachholen würden – erst Recht, da mit der Eishalle Wetzikon eine wesentlich gemütlichere und stimmungsvollere Halle als Ersatz für das Hallenstadion gefunden wurde! Nachdem die Mini-Tour in den USA und vor wenigen Tagen der Auftritt in Mailand gut über die Bühne gingen, sollte einem denkwürdigen und unvergesslichen Motörhead-Konzert in der Schweiz nichts mehr im Weg stehen.
An den Zürcher Bahnhöfen war wenige Stunden vor dem Konzert spürbar, was heute kommen sollte: Rocker früherer Generationen sowie jüngere Metalheads und Punks gleichermassen stimmten sich gutgelaunt auf das Konzert ein und sorgten für ein unverkennbares Bild auf den Perrons. Viele genossen dann den angenehmen Sommerabend auf dem grosszügigen Vorplatz der Halle und gönnten sich bei entspannter Atmosphäre ein paar Bierchen, bevor es auch musikalisch endlich losging.
Gloria Volt
Dies war pünktlich um 20.00 Uhr der Fall: Gloria Volt traten als Supporting Act auf die Bühne. Die Stimmung für Motörhead überhaupt noch anzuheizen war ja nicht wirklich nötig – die Winterthurer hatten daher eine klasse Gelegenheit, ihre 45-minütige Show vor gut gelauntem und erwartungsfrohem Publikum zu präsentieren und diese selber in vollen Zügen zu geniessen. Und genau das taten sie! Nach einem kurzen Intro legten sie mit Rock Child los als gäbe es kein morgen, Sänger Fredi Volvo rockte energiegeladen von einem Ende der Bühne ans andere und schien so auch schnell den Draht zu den Zuschauern zu finden. Schien. Denn so sehr Titel wie When The Angels Sing oder Screaming for Hollywood auch zum Mitnicken animierten, so deutlich wurde im Verlauf des Auftritts, dass der „Gute-Laune Hard Rock“ im Stile der 70er doch nicht so ganz den Nerv der Anwesenden traf. Dennoch verdienten die Jungs aus „Winterthur Rock City“ mit ihrem Auftritt gute Noten, sowohl Musik wie Show betreffend gab es nichts zu bemängeln – die relativ junge Band stellte ihr grosses Potential unter Beweis und dürfte die Schweizer Hard Rock Szene in Zukunft noch richtig aufmischen!
Motörhead
Die rund 4’500 Personen, welche sich an diesem Abend in der (ausverkauften) Halle eingefunden hatten, waren aber grösstenteils (wenn nicht fast ausschliesslich) aus nur einem Grund da: für den Auftritt von Motörhead! So stieg die Stimmung richtig an, als es um 21.15 Uhr dunkel wurde und Lemmy sich mit gewohnt rauer, aber noch etwas kraftloser Stimme an die Menge wandte: „Good Evening, are you doing allright? We are Motörhead and we play Rock ’n Roll!“ Gesagt, getan! Vor jetzt komplett gefüllter Halle und steigenden Temperaturen legten die Legenden mit Damage Case los, um übergangslos Stay Clean nachzulegen und damit eine Zeitreise durch die Klassiker der 70er und 80er Jahre einzuleiten. Langgezogene, perfekt gespielte Gitarrensolos reihten sich aneinander – nicht dass das früher anders gewesen wäre, und doch scheinen diese Lemmy ganz gut ins Programm zu passen um zwischendurch etwas nach Luft zu schnappen. Immerhin, er macht einen etwas besseren Eindruck als auch schon, konzentriert sich auf das Wesentliche – und macht das dafür richtig! Ohne viel Show, ohne grosse Ansagen zieht er sein Ding durch, und gerade deshalb haben Motörhead vielen anderen Bands dieser Sparte etwas voraus: Diese ruhige, bodenständig wirkende Präsentation eines absolut einzigartigen Musikstils, welcher Elemente aus Rock n‘ Roll, Blues und Punkrock auf eine unverkennbare Art verbindet, kennt man in dieser Form wirklich NUR von Motörhead! Und so heizte Mikkey Dee am Schlagzeug den Anwesenden kurz richtig ein, um dann mit Metropolis den nächsten Song des zweiten Studio-Albums Overkill einzuleiten. Hunderte von Händen sorgten für richtig Stimmung und verstummten erstwieder, als Phillip Campbell nach Over The Top zu einem eindrücklichen Gitarrensolo ansetzte – Augen zu, innehalten und geniessen!
Die Set-List hielt weiterhin fast ausschliesslich Titel aus den frühen Zeiten der Band bereit. Als einzige Ausnahme stach der Song Lost Woman Blues heraus: Zu Beginn langsam, von starken Blues-Einflüssen und Lemmy’s ungewohnt klarer Gesangsstimme geprägt, wird dieser Song erst gegen Schluss wieder rockiger – und bot so einen perfekten Übergang zum nächsten Highlight des Abends. Zur Hälfte von Doctor Rock – welcher durch kaum enden wollende „Motörhead“-Rufe eingeleitet wurde – überliess man die Bühne Mikkey für ein 4-minütiges Drum Solo der Extraklasse. Genial wie er die Spannung mit den unterschiedlichsten Rhythmen durchgehend hochzuhalten wusste, fliegende Haare und wirbelnde Drumsticks inmitten des blau schimmernden Schlagzeuges sorgten dazu für eine schlichtweg geile Inszenierung!
Auch im weiteren Verlauf des Auftrittes überzeugten Motörhead mit vielen Gitarren-Solos, quirlig und präzise gespielt – für viele hätte das Konzert noch Stunden dauern dürfen! Und doch folgte schon bald der Übergang zum Schlussteil des Abends. Killed By Death liess das Stadion nochmals richtig beben! Und es wurde noch lauter: Beim von Lemmy als letzten Song angekündigten und kurz aber intensiv präsentierten Ace of Spades war nun richtig die Hölle los, jeder sang mit und so ging die Stimme des Sängers fast gänzlich in der Masse unter – was für ein Spektakel!
Selten dürften die Rufe nach einer Zugabe lauter gewesen sein als an diesem Abend, und diese kam so wie man es sich vorstellt! Einer DER Klassiker zum Abschluss, Overkill, mit quirligen, langgezogenen Riffs auf 7 Minuten ausgedehnt – ein Abschluss nochmals so richtig zum geniessen! So verabschiedete sich Lemmy nach 75 Minuten von seinen rundum begeisterten Fans: „Great fucking audience tonight! Don’t forget us, we are MOTÖRHEAD!“
Anmerkung pam: Mikkey verriet später in einem Interview, dass aufgrund der schwächelnden Gesundheit von Lemmy und der Konzertverschiebungen die eigentlich Tour zum Hammeralbum „Aftershock“ noch aussteht. Diese wird wohl bereits im Herbst starten … da gibt’s also schon bald wieder Lemmy & Co. mit Songs aus dem aktuellen Album. Auf dass der Rock n‘ Roll Gott uns Lemmy noch möglichst lange auf Erden gönnt!
Setlist Motörhead
- Damage Case
- Stay Clean
- Metropolis
- Over the Top
- (Gitarrensolo)
- The Chase Is Better Than the Cath
- Rock It
- Lost Woman Blues
- Doctor Rock mit Drum Solo
- Just ‚cos You Got the Power
- Going to Brazil
- Killed by Death
- Ace of Spades
- Overkill