Huere geile Heidelärm us Luzärn
Produziert im New Sound Studio von Tommy Vetterli, welcher auch für den Mix zuständig war. Teilweise aufgenommen im Soundfarm Studio von Anna Murphy bzw. Violine auch von Nicole Ansperger. Das hört sich bei Abinchova deftig nach einem Farmteam von Eluveitie an.
Hm, dieser Einstieg kommt mir jetzt grad irgendwie bekannt vor … mal schauen. Da haben wirs, zur Single „Handgeschrieben“ habe ich schon eine ähnliche Vermutung, dass Abinchova das Junior-Eluveitie-Team sind, eingebracht (siehe Review von 2012). Aber dann gleich wieder entkräftigt. Nun, ich will jetzt nicht wieder die gleiche Leier runterspielen. Schliesslich habe ich die Luzerner Band bzw. deren Sound schon vor Jahren an der Plattentaufe des letzten Longplayers in der Schüür unabhängig von Elu kennen und schätzen gelernt.
Es hat aber schon was, der Vergleich mit Eluveitie. Einerseits eben das ein Teil des Elu-Erfolgteams auch bei Abinchova in der Produktion dabei ist. Und nebenbei mussten die Luzerner auch ihren Studiotermin verschieben, da Elu für die Aufnahme ihres Neulings im gleichen Studio etwas länger brauchte. Dann kämen wir zum Stil. Beide Bands spielen Folk-Death. Aber als Kopie würde ich Abinchova bei weitem nicht bezeichnen. Da fehlt ganz klar das geflötle und geleiere, welche bei Elu zwei ganz wichtige Elemente sind, und bei Abinchova erhalten die Gitarristen bedeutend mehr Auslauf. Die Folge davon: Extrem geile Riffs und Solis.
Aber jetzt zur aktuellen Release „Wegweiser“. In der Single-Review von 2012 hatte ich geschrieben, dass Abinchova nicht nur auf der New Wave of Folk Metal reiten wird, sondern durchaus wegweisend sein werden könnten. Die beiden Songs der Single von damals – Handgeschrieben und Wandlung – sind auch die ersten zwei Songs von Wegweiser. Mit diesen zwei Songs hat man sicher schon mal ein gutes Fundament gelegt. Schaun bzw. hören wir also mal, ob das Album verspricht, was die Single ankündigte und ich mir damals erhoffte.
Wie schon die Single gefällt einem schon mal das eigenständige und schöne Artwork der Digipak-Version (Kartonhülle). Gemäss den Credits ist dies von Sänger Arnaud gestaltet. Da scheint also doch eine weitere Gemeinsamkeit zu Elu zu bestehen, wo ja Sänger Chrigel auch viel zu dem Artwork und den Bandicons im keltischen Stil beiträgt. Für die Verpackung und Gestaltung von Wegweiser geb ich schon mal einen Bonuspunkt. Für nach wie vor Tonträger-Käufer wie mich, ist dieses nicht ganz unwesentlich, zumindest um erstens Mal die Aufmerksamkeit zu erheischen und zweitens man hat für sein Geld auch was Schönes in den Händen und nicht nur ein paar Einer und Nullen in digitaler Version.
Mal schauen, ob der Inhalt auch das Wert ist, was die Verpackung verspricht. Eröffnet wird der nach „Versteckte Pfade“ zweite Longplayer der Band wieder mit einem Präludium. Welche zwar mit einer schönen akustischen Gitarrenmelodie begleitet wird, die jedoch von einer krächzenden Stimme – Arnaud – erzählte Geschichte, setzt bei mir einige Fragezeichen. Ob sich die wirren Worte auf die nachfolgenden Songtexte beziehen? Ich geh jetzt mal davon aus, dass sich die Luzerner hier einmal mehr nicht ganz ernst nehmen. Textmässig sind sie traditionellerweise auf Sagen und Mythen unterwegs, diese sind jedoch bei allen Songs immer sehr knapp gehalten.
Nebst dem jugendlichen Aussehen ist das wohl nicht immer ganz so ernst nehmen in den Texten der Hauptgrund, warum man oder zumindest ich in Abinchova immer eine Nachwuchsband (unter den Fittichen von Eluveitie sieht). Sie sehen nicht nur alle noch sehr jung aus, sie wirken auch bei ihren Live-Auftritten sehr jugendlich. Dies ist einerseits ja schön, wenn man nicht auf grossartige erfahrene Rockstars macht, andererseits schmälert dies eventuell für Aussenstehende, die mit deren Musik noch nicht so vertraut sind, auch ein bisschen deren musikalischen Wert.
Denn Mal abgesehen vom Präludium, geht’s gleich vom ersten Riff an extrem cool ab. Da werden jetzt ein paar Leser aufschrecken, aber die ersten Töne vom Eröffnungssong und auch das typische galoppierende Folge-Riff erinnern mich stark an Iron Maiden. Was ja ganz geil ist: Folk-Medien sozusagen.
Und es bestätigt aber auch schon jetzt, dass auch Wegweiser wieder vollgepackt ist, mit ganz Hammer-Riffs. Der Refrain ist schon mal als Live-Mitsing-Part programmiert. Der kommt ganz gut. Und dann auch schon das erste geniale, melodiöse Gitarrensolo. Da hört man richtig gerne zu. Instrumental ist dies schon mal eine fette Perle. Und wie schon oft geschrieben, scheitert es dann oft am Gesang, wenn der Rest so geil ist. Nun, ich bin kein grosser Fan von Schreigesang. Aber wie schon 2012 angedeutet, nähern sich Arnaud und ich hier langsam aber sicher an. Er schreit ein bisschen weniger zugunsten mehr etwas in einer Art Richtung Growls und ich bin diesbezüglich auch offener geworden. Und wenn ich mal genug davon kriegen könnte, setzt der klassische Frauengesang von Violinistin Nora Lang ein. Mit diesem Kompromiss kann ich gut leben.
Nachdem ich diesen ja eigentlich mir bekannten Song nach langer Zeit wieder zum ersten Mal höre, finde ich ihn besser denn je. Und genau gleich ergeht es mir mit dem folgenden (Wandlung). Was auch hier wieder hammermässig ist, ist der längere instrumentale Mittelteil. Der bläst mich richtig weg. Nebst den genialen Riffs, der Harmonie mit Violine und Keyboard, begeistert mich auch extremst der Drummer. Verdammt agil und die Melodien unterstützend und nicht nur taktangebend.
„Vom grünen Grund“ startet für einmal nicht so spektakulär. Und vom Tempo her gemächlich. Aber auch hier wieder ganz genial, wie Drummer Mischa Blaser immer wieder ganz kurze Double-Bass-Kurzfeuer einbringt. Und auch hier wieder ein extrem geiler instrumentaler Mittelteil beginnend mit einem schönen Basslauf von Manuel Wiget und hinterlegt mit einer sphärischen Keyboard-Melodie von Patricia Lang. Und natürlich fehlen auch hier die wirklich geilen Solis von den Gitarrenhexern Alexandre Hiltmann und David Zemp nicht.
Die über Crowdfunding finanzierte Scheibe erweist sich immer mehr als Album des Monats. Was auch noch kommen mag, das Ding gehört in jede anständige Folk-Metal-Sammlung.
Aber weiter geht’s zur Nummer fünf: Flaschengeist. Und je länger der Song dauert, spätestens beim Refrain, desto mehr erinnert diesen einen lupenreinen Ensiferum Track. Was für Leute denen die finnischen Folk-Metallern gefallen, durchaus ganz positiv ist. Der Trinksong ist dementsprechend hinterlegt mit einer epischen Gitarrenmelodie. Für diesen Song und für das ganze Album hebe ich definitiv mein Glas.
Etwas aus dem Rahmen fällt „Sturmgeweiht“, welches elektronischer als der Rest beginnt und dann im Stile der Apokalyptischen Reiter übergeht in eine härtere Gangart. Die Gitarren sägen hier für einmal etwas monotoner, während eine feine Melodie mit gezupfte Violine im Hintergrund das Salz in der Suppe ausmacht. Unterbrochen wir dieses Gebolze durch ein Klavierinterludium und klassischer Gesang von Nora setzt ein. Aber natürlich hört auch dieser Song nicht auf, ohne wieder eine längere, instrumentale Brücke mit entsprechenden Solis.
„Unbenannt“ ist dann genau ein Mix zwischen den ersten fünf Titeln und dem oben erwähnten „Sturmgeweiht“ und einer Prise Ensiferum. Auch bei „Unter der Erde“ geht’s im gleichen Stil weiter. Auch wenn ich nach dem x-ten durchhören noch keinen Fühler entdeckt habe, so hätte dieser Track am ehesten die Bezeichnung verdient. Aber auch nur mangels Alternativen.
„Felsenfrass“ dominiert mit klassischem Frauengesang – teilweise auch im Chorus – und beim männlichen Schreigesang mit einem wunderschönen Sirenengesang im Hintergrund. Die weibliche Stimme(n) ist hier absolut der Hammer. Mein persönlicher Lieblingstrack. Wer auf Female-Fronted-Metal steht, dürfte an diesem Stück auch seine Freude haben. Aber es fällt auch nicht komplett aus dem bisherigen Schema. Die Trademarks von Wegweiser bzw. Abinchova sind auch bei diesem Song klar enthalten.
Der Rausschmeisser der keiner ist. Weil, nachdiesem möchte man eigentlich noch mehr: „Echo“. Erinnert mich teilweise wieder stark an den Stil der Apokalyptischen Reiter mit starken Wechseln drin, zwischen Melodie und Härte. Auch der Gesang hat hier was von Fuchs (Reiter). Gehört auch zu meinen absoluten Lieblingstracks dieses alles in allem extrem starken Album.
Das Fanzit
Abinchova liefern hier nach ihrem schon sehr guten Debut ein Hammeralbum ab. Die Trademarks der Luzerner sind zwar die gleichen wie auf dem bisherigen Schaffen, aber aus einem Rohdiamant wurde definitiv ein funkelndes Schmuckstück. Hammergeniale Riffs, extrem geiles Drumming, tolle Melodien und der klassische Frauengesang ist definitiv eine Ohrenweide. Davon hätte ich gerne noch mehr. Aber selbst der Schreigesang – welcher wie schon oft erwähnt Geschmackssache ist – stört mich hier weniger oder eigentlich fast gar nicht mehr. Einziges, was man bemängeln könnte, dass die meisten Lieder sehr ähnlich sind und somit die etwas fehlende Abwechslung. Aber wenn die Songs gut sind, ist dies ja auch nicht immer zwingend. Wegweiser ist definitiv wegweisend in der starken Schweizer Folk-Metal-Szene. Für mich ganz klar: Kaufen!
Anspieltipps: Handgeschrieben, Wandlung, Flaschengeist, Felsenfrass, Echo (na ja, eigentlich alle)
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Trackliste Abinchova Wegweiser
- Handgeschrieben
- Wandlung
- Vom grünen Grund
- Flaschengeist
- Sturmgeweiht
- Unbenannt
- Unter der Erde
- Felsenfrass
- Echo