Do, 10. Juli 2014

Live at Sunset 2014 – Rodrigo Y Gabriela

Dolder (Zürich, CH)
21.07.2014

You’re wild!

Live at freezing Sungone. So viel zum Wetter. Ich bin jedoch nicht wegen diesem da, sondern wegen „Orion“. Metallicas bzw. Cliff Burtons instrumentales Meisterwerk und Vermächtnis.

Durch diesen Song – den Rodrigo y Gabriela covern – bin ich auf das mexikanische Duo gestossen, welches ihren Ursprung im Metal hat. Und das nehme ich den beiden ihn Irland Wohnenden sofort ab. Wer besagtes Orion schon mal von ihnen – gespielt mit viel Power nur auf akustischen Gitarren – gehört hat, weiss was ich meine. So hoffe ich doch, dass sie heute Abend mein geplantes Requiem spielen werden.

Ich bin jedoch nicht der Typ, der nur wegen einem Song an ein Konzert geht. So bin ich gespannt, wie deren Power-Flamenco – welchen ich schon ab Konserve kennen – live rüberkommt. Mal sehen, ob Metalinside zu Recht akkreditiert wurde.

Mark Kelly

Doch bevor Latino-Gitarrenklänge unser Herz und hoffentlich auch den Rest erwärmen, wird uns ein gewisser Mark Kelly als Support vorgesetzt. Und das ist eine One-Man-Ich-und-Meine-akustische-Gitarre-Show. Typ Irish-Pub-Musiker. Was ja eigentlich immer gut ist – in einem Pub mit ein paar Pints. All die jetzt ein klares Bild vor fragenden Augen haben, stellt euch das jetzt folgendermassen vor: 20 Meter breite Bühne, Open-Air Arena mit 3’000 Sitzplätzen, die maximal zu einem Fünftel gefüllt sind, Nieselregen – das passt ja – und mitten auf der breiten Bühne steht dieser Typ und bringt lustige Sprüche und ebensolche Songs. Hä? Genau. Aber cool.

Und interessanterweise hat der die gleiche Frisur inklusive Bart wie Eluveities Powerdrummer Merlin, der aktuell grad acht Sitze neben mir das Konzert geniesst. Hammer-Schlagzeugspiel meets akustische Gitarrenmusik.

Rodrigo Y Gabriela

Zum Hauptact – und das ist bei uns nicht das Wetter. Dieser bietet eigentlich nicht mehr als eine Gitarre zusätzlich als beim Support. Sicher? Nun von der Instrumentierung her ja,  aber akustisch hört sich das an, als wären es zehn Gitarren und ein paar Drums dazu. Während Rodrigo die Leadgitarre spielt, ist Gabriela Gitarristin und Perkussionistin in einer Person. Und tanzen sowie hüpfen tut sich auch. Während Rod für die breiten Metalposen zuständig ist. Die beiden sind wirklich das,  was ich mir erhofft habe. Trotz nur instrumentalem akkustischem Gitarren-Sound, kommt nie Langeweile auf.

Dass die beiden ihre musikalischen Wurzeln von Irlands Strassen und Pubs haben, beweisen sie mit einer schönen Geste ein paar wenige Lieder nach Beginn. Links und rechts des abgesperrten Sitzplatzbereiches, stehen ein paar Dutzend im Regen rum – die offiziellen Stehplätze. Rodrigo fragt, ob sie keine Tickets hätten. Er bittet diese rein in den Sitzplatzbereich, um es sich auf einem der freien Sitzplätze bequem zu machen. Die lassen sich nicht zweimal bitten und so nehmen sie die freien Plätze sofort in Beschlag. Diese sind jetzt zu 3/4 gefühlt.

Als er später fragt, ob wir kalt hätten und was er dagegen tun könne, beweist er auch Spontanität. Ein Durstiger ruft auf die Frage antwortend: „Free beer!“. Seine schlagkräftige Antwort darauf: „Wenn ich euch schon ohne Billette reinlasse, dann geben sie euch sicher auch Gratisbier.“

Mit viel Charme wendet sich etwas später auch Gabriela ans Publikum. Sie erzählt uns vom neuen Album und dass dieses wieder nur mit zwei Gitarren und zwei Mikrofonen aufgenommen wurde. Dies nachdem sie in den letzten Jahren mit Orchestern gespielt und auch für Filme, wie sie möglichst unbedeutend betont, u.a. wie „Pirates Of The Carribean“ Musik beigesteuert hätten. Sie wollten mit dem neuen Album zurück zum Wesentlichen, zu ihren Wurzeln. Sie hätten zum Spass auch wieder auf den Strassen Irlands gespielt.

Dann kommt der für mich persönliche Höhepunkt: Orion. Sie spielen also tatsächlich eine etwas gekürzte Version von diesem Übersong. Ein knappe Woche nachdem Metallica Orion im strömenden Regen in Basel gespielt hat, erlebe ich dieses Instrumentalmonument mit weniger Regen und naturgemäss durch die akustischen Gitarren auch etwas weniger Bombast und Power nochmals. Sie werden jedoch wie erwartet dieser Symphonie absolut gerecht.  Einmal mehr staunt man einfach, was die beiden aus ihren besaiteten Klangkörpern rausholen. Gut, ganz ohne Effekte, Verzerrungen kommen auch sie nicht aus, jedoch ohne Drums und ohne Bass – diese kommen gänzlich von den Klangkörpern und den tiefen Saiten. Ich kann definitiv jetzt schon mit gutem Gewissen sagen, Metalinside ist zu Recht da!

Beide gönnen sich auch je einen mehrminütigen Soloauftritt. Ich wiederhole mich, aber das Staunen nimmt nicht ab. Einfach unglaublich, was die aus ihren klassischen Gitarren rausholen. Insbesondere bei Gabriela kriegt man seinen Mund kaum mehr zu, wenn sie mit unglaublicher Power und Geschwindigkeit Saiten und Resonanzkörper gleichzeitig bespielt und bearbeitet. Und als sie uns nach rund einer Viertelstunde die soeben gespielten Songs vorstellt, hat sie uns mit ihrem gebrochenen Latino-Englisch und -Charme definitiv im Sack. Sie fordert uns auf, den nächsten Song für sie zu singen.

Und was folgt da? „Bombtrack“ von Rage Against The Machine … ui, den kennen wohl nicht viele im diesem doch nicht ganz typischen Metalpublikum. Zumindest die wenigsten den Text dazu. Dementsprechend bleiben auch die Gesänge aus. Ich gehe jetzt mal davon aus, dass sie nicht ernsthaft damit gerechnet haben, dass hier die Masse mitsingt. So brechen sie Bombtrack auch noch kurzer Zeit wieder ab und versuchen es mit etwas mainstreamigerem. So fest Mainstream, dass ich es schon wieder nicht mehr kenne. Da kommt dann tatsächlich einer an die Bühne und singt. Leider ist das Mikrofon zu weit weg von seinem Singorgan, so dass wir seine wohl ganz gute Stimme nicht gut hören.

Mit Radioheads „Creep“ ist dann das Eis für heute Abend definitiv gebrochen. Die Beiden auf der Bühne geben Vollgas und auch das bisher eher verhaltene Publikum steht auf und tut es den beiden gleich. Hühnerhaut-Atmosphäre und das nicht wegen den herbstlichen Temperaturen und auch nicht wegen eines ohnehin nicht sichtbaren Sonnenuntergangs.

Das plötzlich hemmungslos laut agierende Publikum scheint auch Gabriela zu überraschen. Ihr knapper Kommentar dazu: „You’re wild!“. Doch mögen diese auch noch so knapp ausfallen, mit jedem Wort, dass sie spricht, erwärmt sie unsere Herzen noch mehr. Alles steht – ich red jetzt vom Publikum und nicht den Unterarmhäärchen – die stehen ja schon lange. Jetzt lassen sie niemanden mehr kalt und geben so die Antwort auf Rods Frage, was sie gegen die Kälte tun können, gleich selber: Gabriela die Ansagen machen lassen und schnelles Zeugs einfach genial spielen.

So überraschend wie diese Power-Viertelstunde kam, so schnell beenden sie auch das Konzert. Nach gut 90 Minuten Flamenco-Gitarren-Power ist der Spuk vorbei. Und Stilgerecht läuft zum Abschluss ab Band „For Those About To Rock (We Salute You)“ von AC/DC. Wie bei den grossen Meister der verzerrten Hardrock-Gitarren, können wir uns also auch bei Rodrigo y Gabriela als gerockt betrachten und dazu salutieren sie. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass mich zwei Akustikgitarren je so rocken würden. Ich verneige mich in Ehrfurcht.

Fotos von Rodgrigo Y Gabriela vom Live at Sunset (pam)


Wie fandet ihr das Festival?

21.07.2014
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