Andreas Gabalier – Darf der sich eigentlich Rock n‘ Roller nennen?
Was in einer feuchtfröhlichen Nacht bei heftigem Bierkonsum zu einer Schnapsidee mutierte, wurde gestern Abend zur bitteren Wahrheit. Zusammen mit den Jungs und Mädels der ominösen Biernacht, besuche ich das Andreas Gabalier Open Air auf dem Zofinger Hausberg Heitere.
Noch leicht angeschlagen von Wacken und immer noch mit etwas Staub auf der Lunge vom trockenen Holy Wacken Land, wage ich den Schritt auf den Heitere. Die Metal-Chutte mit einem Trachtenhemd ausgetauscht, steche ich in die Massen der volkstümlichen Metalheads, ähhh Volksheads. Was für ein Kontrast …
Eigentlich wäre ja zur selben Zeit das Amon Amarth Konzert im Z7 über die Bühne gegangen, doch man staune: Mister Gabalier hat den Vortritt erhalten … ganz getreu dem Motto, wer A sagt, muss auch B sagen … Scheiss Alkohol … 😉
Schon bei der Ankunft auf dem Festival-Parkplatz, fallen die Mädels im Dirndl und die gestandenen Herren in den Lederhösn zahlreich auf. Ich muss hier jedoch klar gestehen, dass Mädels im Dirndl doch auch für die Augen eines Metalhead was ganz Nettes sind. Auf der Fahrt im Extrabus zum Festgelände war mir jedoch schnell mal klar, dass ich mich hier nicht in Wacken oder sonst einem Metalfestival befinde, sondern auf dem Weg zum „Volks-Rock n‘ Roller“. Die interessanten Bus-Gespräche zwischen den Volksheads waren doch ziemlich amüsant. Ohne die Volksfreunde jetzt hier schlecht zu machen (jedem seinen eigenen Musikgeschmack), haben doch einige ziemlich einen an der Waffel.
Je näher am Festgelände, desto mehr in Trachten bekleidete Fans pilgern dem Anlass entgegen. Ich in blauen Jeans fühlte mich schon beinahe etwas Underdressed. Aber mit meinem Trachtenhemd mache ich doch halbwegs eine gute Falle.
Hoffentlich sieht mich niemand; ja das war meine grösste Sorge … Aber kaum angekommen, rief mir schon ein Kollege zu und fragte mich ganz verdutzt, was ich als Freund der härteren Musik hier mache. Tja, shit happens. Keine 2 Minuten später entdeckten mich weitere Leute, und ja, sogar aus meinem Wohnort und nun war der Kessel wohl geflickt. Die Krönung war jedoch, als das regionale Fernsehen Tele M1 durch die Massen zog und unmittelbar neben mir ein Interview mit einem weiblichen Fan machte. Der Zufall wollte es, dass ich natürlich auch mit aufs Bild kam … Jetzt gibt’s wohl kein Zurück mehr.
Na also, lassen wir es krachen und zur Beruhigung und zur Aufheiterung gibt’s erst mal ein Bier und eine Pizza für den ersten Hunger und Durst.
Trauffer
Doch dann geht’s los. Der 34-jährige Schweizer Mundart-Popsänger Trauffer aus dem Berner Oberland hat die Ehre, den Abend zu eröffnen. Bekannt wurde Trauffer übrigens als Sänger der Berner Band Airbäg. Wikipedia sei Dank für diese Infos. Und schnell haben sich die rund 10‘000 Fans mit dem Mundart-Popsänger vereinigt und alles (bis auf ein paar Ausnahmen von ein paar Herren, welche wohl nur der Frau/Freundin zu liebe mitgereist sind), schwenken die Arme im Takt zur Musik. Nicht alle bringen dies jedoch fertig. Einige kontern mit dem „Wink“ in die andere Richtung. Als dann der Gassenhauer „Müeh mit dä Chüeh“ kommt, brennen bei einigen Volksheads die Sicherungen durch. Lautstark wird mitgegröhlt und die Stimmung steigt von Stunde zu Stunde. Ganz nach Motto „Freude herrscht“. Trauffer’s Stimme und auch sein Stil erinnert irgendwie an Florian Ast. Daher wohl auch der Beliebtheitsgrad beim Publikum. Zwischenzeitlich hat sich auch das Zofinger Tagblatt unter die Leute gemischt und wollte noch Fotos von uns machen. Prima, wenn das kein erfolgreicher Abend ist …
Andreas Gabalier
Als die Kühe dann in die Pausen zogen, wimmelt es zwischenzeitlich nur so von Mädels im Dirndl um mich herum. So langsam gefällt es mir, zumindest die sexy Outfits … (*** breites Maul frech Grins ***). Alles deckt sich jetzt noch mit Bier, Cüpli und anderen Drinks ein und endlich endlich krachts auf der Bühne … „Zooofingeeeeen, seid ihr bereit für den Volks-Rock n‘ Roller?“, fragte eine nette Dame (auch im Dirndl) mit österreichischem Akzent auf der Bühne. Und dann steht er plötzlich da, der Herr Gabalier. Mit ca. 200 Dezibel Lautstärke erschallte ein fettes Frauengekreische auf dem Feld. Jetzt ist es passiert … so langsam wird mir deutlich klar, wo ich mich hier hingewagt habe.
„Servus Zoooofingeeeeeen“, schreite der Jüngling ins Publikum und versprach, dass wir es heute krachen lassen werden. In der Mitte der Bühne führte ein Laufsteg in die vorderen 25 Meter ins Publikum hinein. Es scheint, als wolle er die Katze bereits beim zweiten Song aus dem Sack lassen wollte. „ I sing a Liad für di“ wird von ihm angestimmt und bei den zahlreichen anwesenden Mädels drehen die Sicherungen durch. Holy Molly …
Während dem Song stellte er auch seine Band vor, bei welchem jeder Musiker ein kleines Solo von etwa 15 Sekunden spielte. Und man staune, da kamen doch einige interessante rockigere Klänge dem Publikum entgegen, was mich für einen Bruchteil des Abends ganz ganz leicht an Anzeichen von einem Volks-Rock n‘ Roller hoffen lässt. Wie war das nun? Wollte er die Bühne schon wieder verlassen? Band vorgestellt, sein bester Kracher bereits gespielt und ein kräftiges „Servus“ in die Menge … Nein nein, natürlich nicht …. Schlag auf Schlag folgten seine bekannten Lieder. Ich muss jedenfalls darauf zurückschliessen, dass diese einen Bekanntheitsgrad haben, da das Publikum sehr textsicher Unterstützung geboten hat.
Tja und so „rockte“ er die Menge und hin und wieder ertönen ein paar Sequenzen von Gitarrenriffs. Irgendwie erinnert er mich an Hubert von Göisern und die Alpinkatzen, welche vor etwa 15-20 Jahren in Österreich für Furore gesorgt haben.
Langsam aber sicher scheint es, dass ihm die Puste etwas ausging. Irgendwie erweckte er den Eindruck, dass er irgendwas reingepfiffen hat. Als ihm dann beim Lied „Fesche Madln“ sein mobiler Mikrofonständer in Form eines Hirschgeweihs ab der Bühne fällt, verdichten sich unsere Vermutungen in Sachen Konsum von komischen Substanzen immer mehr. Zur persönlichen Erholung stimmte er nun zwei Balladen an, um sich eine kleine Auszeit zu gönnen. Diese waren sehr emotionell, denn er widmete diese Lieder seiner jüngeren Schwester und seinem Vater, welche beide durch Suizid aus dem Leben geschieden sind. Mit dem Lied „Amoi seg‘ ma uns wieder“ herrschte Ruhe im Publikum und alle zollten dem 30-jährigen die Ehre über den Tod seiner geliebten Familienmitglieder. Er bat auch um Ruhe und wünschte nach dem Lied keinen Applaus. Diese beiden Anliegen wurden beinahe von allen anwesenden Personen erfüllt. Ein paar Herren im Hintergrund, welche sich dem Hopfensaft gewidmet haben, haben die Botschaft wohl nicht verstanden und haben lautstark über dies und das gequasselt. Verärgerte, vorwiegend weibliche Fans haben den Herren böse Blick zugeworfen. Aber diese Zeichen sind wohl nicht angekommen. Auch haben es ein paar Leute fertig gebracht, nach den Liedern lautstark zu applaudieren und zu jauchzen. Tja, wer der deutschen Sprache mächtig ist, der war hier klar im Vorteil.
Genug Melancholie, jetzt wird wieder der Spassfaktor eingesetzt. Hüfteschwenkend stolzierte er über seinen Laufsteg und bringt den Klassiker „Sweet Little Rehlein“ zum Besten und einige Damen entledigen sich ihrem Schlüpfer und ihrem BH und werfen diesen mit Schwung Herrn Gabalier entgegen. Mit grosser Freude hängt er diese Trophäen an seinen Hirschgeweihmikrofonständer und ist happy. Damit das etwas verständlicher rüberkommt: Die Mädels kreischen beim Hüftschwung in etwa so, wie wenn bei einem Steel Panther Konzert die Mädels im Publikum ihre Boobs zeigen und die Männer grosse Freude daran haben. Er hat dann auch die Mädels aufgefordert, die Dirndl in der Gegend der Boobies zu öffnen, damit er einen Blick auf die „Holz vor die Hütt’n“ werfen kann. Bei den Männern würde man jetzt sagen, dass nur wieder der kleine Freund des Mannes das Zepter übernommen hat, aber hier stellte man klar fest, dass die Mädels bei einem hüftschwingenden Gabalier auch den Verstand verlieren. Und so kommt es, dass schon hin und wieder ein kleiner Busenblitzer das Scheinwerferlicht erblickt. Das ist schon ein bisschen Rock n‘ Roll, das muss ich jetzt gestehen.
Nach etwa 20 Liedern stimmt er dann nochmals die extended Version von „I sing a Liad für di“ an und es wird nochmals alles gegeben. Nach dem Song ist Game Over mit dem lieben 30-jährigen Andreas. Er liegt auf der Bühne und macht keinen Wank mehr. Ist das nun Rock n‘ Roll? Allenfalls müsste er bei Cannibal Corpse mal ins Trainingslager, damit er seine Bühnenausdauer etwas auf Vordermann bringen kann.
Die Fans fordern eine Zugabe und nach ein paar Regenegierungsminuten bäumt er sich nochmals auf und haut nochmals 2 Stücke drauf. Diese hören wir jedoch nur noch aus der Ferne auf dem Weg zum Shuttlebus zurück zu unserem Auto.
Rock n‘ Roller oder nicht? Hmmmmmmmmm, er hat es jedenfalls fertig gebracht, die Fans in Stimmung zu halten und sorgte für zahlreiche glückliche Mädchenherzen auf dem ganzen Festgelände. Ein bisschen Rock n‘ Roll war schon spürbar, eben der Volks-Rock n‘ Roll. Seine Begleitband sorgte für einen guten Mix zwischen Volkstümlichem und einem Hauch Rock. Im Publikum ist mir auch ein Fan aufgefallen, welcher ein Krokus-Shirt trug, was doch noch einen Hauch von Rock n‘ Roll entstehen liess.
Fanzit
Ein witziger Abend und um eine Erfahrung reicher. Den Gabalier gibt’s bei mir erst wieder am Oktoberfest, wenn zum fröhlichen Masskrugstemmen die Partyband ein paar Mitgröhllieder anspielt. Ich habe mich jedoch entschieden, dem Metal treu zu bleiben (Anm. d. Red.: Uff, nochmals Glück gehabt) und freue mich bereits auf den nächsten Anlass in Avenches, wenn Herr Kilmister sein „That’s the way I like it baby …“ zum Besten gibt.
Gastbeitrag von Svene