DERDIAN. Die Band, deren Namen so einfach aussieht, von dem ich aber keine Ahnung hab, wie man ihn ausspricht. 2001 gegründet, spielen die Italiener Power/Symphonic Metal und schaffen das schwierige Kunststück, sich tatsächlich beinahe mit Rhapsody of Fire messen zu können. Auch wenn ihnen das nur beinahe gelingt, so kann das Quintett mit ihrem fünften Studioalbum, Human Reset, durchaus überzeugen, das gleich mal vorneweg.
Schon beim Opener wird klar, dass den Hörer in den folgenden 65 Minuten Epik und Pomp erwarten. Dabei behandeln Derdian auf Human Reset jedoch – anders als ihre berühmten Landsleute – nicht Geschichten von Drachen und Schwertern, sondern wenden sich lieber aktuelle und handfesten Themen zu. Das tun sie jedoch in durchaus Rhapsody of Fire-esker Manier, vor allem was die Melodien angeht; den Keyboard-Orchester-Pomp von Rhapsody haben sie ein wenig zurückgefahren. Trotzdem (oder vielleicht gerade deswegen?) zeigen die fünf Italiener schon im zweiten und wohl stärksten Song, dem Titeltrack, sehr eindrücklich, dass sie sich nicht hinter Rhapsody of Fire zu verstecken brauchen – auch wenn sie (noch) nicht auf demselben Level agieren, sind sie doch auf einem guten Weg dahin.
Der nächste Song, In Everything, ist eine Art Ballade. Aber auch hauptsächlich was den Text betrifft, und das ist ganz gut so, eine wirkliche, ruhige Ballade so früh im Album hätte die Scheibe unnötig gebremst imho (wie man auf Neu-Deutsch so schön sagt).
Was mir auffällt, und Derdian wiederum sehr nahe an Rhapsody of Fire heranbringt, ist der italienische Akzent ihres Sängers – finde ich durchaus sympathisch. Würde man noch mehr Hinweise brauchen, wer hier grosses Vorbild war, dann dürften die eingestreuten italienischen Textzeilen diese Arbeit wohl gerne übernehmen. Wenn man die vielen Parallelen bedenkt, ist es schon fast erstaunlich, wie sich Derdian trotz aller Gemeinsamkeiten erheblich von Rhapsody of Fire unterscheiden und ihren eigenen Sound erschaffen.
Mafia… ein sehr eingängiger, und wohl auch ein nicht ganz ungefährlicher Song. Zumindest wenn man glauben kann, was man so hört. Angenehm weit weg von den Drachen und Verliesen und für Power und auch Symphonic Metal schon eine eher ungewöhnlich klar formulierte Kritik an einer klar benannten… Organisation.
Absolute Power ist der erste Song, der nicht mehr so fröhlich ist, was mir sehr gut gefällt; nichts ruiniert ein Album für mich so sehr wie Monotonie. Auch auf den folgenden Songs wird die Band mit dem Wie-spricht-man-das-aus? Namen zeigen, dass sie stets für eine Überraschung gut sind und Abwechslung in ihre Songs bringen, wenn man’s gar nicht erwartet.
Music Is Life kann auch guten Gewissens hervorgehoben werden, vor allem der Mittelteil ist genial. Und worum‘s in dem Song geht, muss ich wohl nicht erwähnen, oder? Gefolgt von einem weiteren Highlight, Gods Don’t Give A Damn, der sowohl durch den Text als auch die Musik überzeugen kann.
Vor dem Rausschmeisser wird uns mit Delirium noch ein kurzer instrumentaler Track um die Ohren gehauen, der’s durchaus in sich hat. My Life Back beginnt dann mit einem Piano Part, der irgendwie sehnsüchtig klingt und wie von einer alten Schallplatten-Aufnahme, und geht dann weiter mit Orchester (Piano und Streicher) und Vocals alleine… hier merkt man, dass Derdians Sänger eben doch kein Fabio Lione ist. Bald setzen aber auch die anderen Musiker wieder ein, und der Song gewinnt beträchtlich. Er bleibt eher ein bisschen hinter den Erwartungen zurück, muss ich aber sagen. Da hat’s bessere Songs auf der Scheibe.
Fanzit: Derdian legen mit Human Reset ein starkes und abwechslungsreiches Album vor, das teils stark an Rhapsody of Fire erinnert, aber den für die bekannteren Italiener typischen Pomp vermissen lässt – ob das ein Nach- oder Vorteil ist, ist Geschmackssache. Ich mag hier – gerade auch wegen der Ähnlichkeit mit Rhapsody of Fire – die Verbindung von sehr symphonischem Power Metal mit Alltags- und ernsten Themen, was für dieses Genre ja doch eher ungewöhnlich ist. Der Sound der Scheibe könnte allgemein kräftiger sein für meinen Geschmack und manchmal scheint der Sänger den Anforderungen nicht so richtig gewachsen – diese Momente sind jedoch äusserst selten. Für Fans von Rhapsody of Fire, aber auch allgemein Fans von symphonisch angehauchtem Power Metal zwar nicht ein Muss, aber den Kauf sehr wohl wert. Gerade auch, weil die letzten Werke von sowohl Rhapsody als auch Rhapsody of Fire härter und nicht mehr so symphonisch sind wie in ihren Anfangstagen. Hier könnten Derdian durchaus eine Lücke füllen.
Trackliste:
- Eclipse
- Human Reset
- In Everything
- Mafia
- These Rails Will Bleed
- Absolute Power
- Write Your Epitaph
- Music Is Life
- Gods Don’t Give A Damn
- After The Storm
- Alone
- Delirium
- My Life Back