Matt Gonzo Rohr (MGR)

Rock
01.11.2014

Etwas überraschend erhielten wir, nur wenige Stunden vor dem langersehnten Gig in Sursee im Kulturwerk 118 (1. November 2014), wo wir einen vermeintlich arbeitsfreien Abend bei geiler Mucke verbringen wollten, die Anfrage von Sven, dem Veranstalter, ob wir nicht ein Interview mit Matt Gonzo Roehr (MGR) abhalten möchten.

Natürlich wollten wir das! Nur, wir waren beide unterwegs, hatten keinen Recherchen-Zugriff und doch entstand aus Geisterhand, wenige Minuten vor Startschuss, dann doch noch eine Ansammlung von offener Neugierde. (An dieser Stelle geht ein herzliches Dankschön an Thoem ins entlegene Tamins und seinen Kenntnissen zu den vereinigten und solierenden Onkelz).

Im KW 118 angekommen, kamen wir in den Genuss von Slowdrive, die als soliden Support einen gelungenen Gig ablieferten, bevor dann Matt mit seinen Mannen donnernd die Bühnenpräsenz übernahm.

Kurz und bündig: Der Auftritt von Matt Gonzo Roehr und Band war der volle Erfolg und brachte die Menge zum Toben, Mitgehen und Abrocken.

Im Hinterhalt, dem Backstageraum, trafen wir im Konzertanschluss dann auf einen total sympathischen Matt Gonzo Roehr und der nicht minder aufgeweckten Restbesetzung, startklar für unseren Spontanjournalismus!

Metalinside (Sabi & Esthi): Ihr macht heute einen sehr relaxten Eindruck. Liegt das am Quöllfrisch oder an der sonnigen Anreise?

Matt Gonzo Roehr: (Gelächter) Naja, jetzt ist‘s vielleicht das Quöllfrisch, aber vorher war es die Vorfreude auf den Gig. Wir freuen uns jedes Mal hier zu spielen, es ist stets toll, der heutige Abend hat es wiedermal bestätigt.

MI: Magst du lieber die grossen Schauplätze oder lieber die kleinen, schmucken?

MGR: Ich mag lieber die schmucken. Die grossen sind klar bei den Onkelz vorgegeben. Da geht ‘s nicht knapper, aber wenn ich es mir aussuchen darf, dann eher die kleinen. Du hast einfach technisch ganz andere Voraussetzungen. Bei den grossen Konzerten musst du über In Ear Monitoren spielen und wirst irgendwo vom Mischpult versorgt. Hier steh ich neben meinen Musikern und höre ganz genau was sie spielen, sie hören, was ich spiele und man kann interagieren. Du sagst leise und alle sind leise. Bei den grossen Gigs muss, auch der Lichtshow wegen, alles immer hundertprozentig identisch ablaufen. Ich würde gern mal mit den Onkelz eine Klub-Tour machen, das wäre toll.

MI: Spielraum für Musiker gibt es demnach bei grossen Konzerten nicht?

MGR: Doch, für den Gitarristen ist ein wenig Raum für Spiel da, aber vom Songablauf her gibt es keinen.

MI: Was ist an Sursee so speziell, dass ihr immer wieder kommt?

MGR: Ich muss ehrlich sagen, dass wir hier bei Sven (Rampage Industries) schon vor Jahren (MGR ist das 4. Mal in Sursee!) stets gut aufgenommen wurden. Es waren immer gute Konzerte, demnach kommt man gerne wieder. In der USA, genauer gesagt in den Südstaaten, gibt es so einen Club Circle den die Musiker durchspielen, der sogenannte ‚Chitlin‘ circuit” und bei uns ist es unterdessen ähnlich. Wir haben auch so einen Kreis, den wir jedes Jahr oder alle zwei Jahre spielen. Es ist fast schon so was wie ein familiäres Ding und man gewinnt über die Jahre sein Publikum. Es gibt viele Stammbesucher in den Clubs und die musst du dir erspielen und dies geht nur über Qualität.

MI: Was steht direkt hinter der Musik in der Hitliste der Beschäftigungen?

MGR: Ehmm… viele Sachen. Ich muss jetzt wirklich nachdenken, da die Musik so viel Raum einnimmt. Meine Familie, aber die Musik steht zumindest gleichberechtigt da, sag ich mal ganz ehrlich. Die gehört zum Leben von mir und meiner Familie, das ist unsere Leidenschaft.

MI: Lässt sich dein Leben komplett durch die Musik finanzieren?

MGR: Ja, ich bin seit Jahrzehnten Berufsmusiker.

MI: Was wärst du geworden ohne die Musik?

MGR: Das kann ich nicht genau sagen. Ich habe eine Ausbildung gemacht und danach 16 Jahre in meinem Beruf gearbeitet. Für mein Leben stand jedoch von vornherein fest; ich werde Musiker. Ich habe die Schule geschmissen, mit dem Ziel, Interpret zu werden. Und ich bin einer von wenigen, bei dem das auch geklappt hat. Nicht nur hier in Europa, sondern auch in Nord- und Südamerika usw., wo ich mein Musikerdasein ausleben konnte – darüber bin ich sehr dankbar.

MI: Du hast Familie und Kinder, wie bringst du dies mit dem Rockerleben unter einen Hut?

MGR: Die Familie ist immer mitgezogen.

MI: Sind deine Kids musikalisch?

MGR: Ja sehr, mehr als ich. Sie sind weltoffen, wie ich, spielen Klavier, Gitarre, komponieren usw. und sind einfach grossartig. Sie können Noten lesen, ich kann’s nicht! Von daher sage ich, meine Kids sind besser als ich (Gelächter). Ich bin Strassenmusiker, hab ich mal gesagt, ‚FC Gonzo Schalke null vier‘ (verstärktes Gelächter). Die Kids sind etwas solider ausgebildet.

MI: Nach dem Ende der Onkelz hat es dich nach Südamerika gezogen und du bist solo relativ zurückhaltend unterwegs. Auch in Nordamerika hast du dich eher durch die ‚Independent-Szenerie‘ geschlagen. Ist dies ein Versuch, dich und deine Familie aus den Medien zu halten oder sind das Erfahrungen aus den Onkelz-Zeiten, als man Medien systematisch gemieden hat?

MGR: Ja, das ist ein Grund, aber nicht der ausschlaggebende. Klar, wenn du nach Uruguay ziehst – wir haben da acht Jahre gelebt – dann bist du plötzlich wieder der ganz normale Typ. Niemand kennt dich und das war super. Meine Kinder haben da die Grundschule besucht und für mich ist das enorm wichtig, dass sie nicht die Kinder von ‚Gonzo‘ sind, sondern sie selbst sein können. Ich finde Familie und die Erziehung meiner Kinder sehr wichtig: was ich ihnen beibringe, zeige und lerne. Das war wirklich eine Zeit, die ich echt nicht missen möchte. Aber der Hauptgrund war nicht, meine Familie aus den Medien zu halten, das haben wir auch vorher schon geschafft.

MI: Gingen deine Kids in eine deutsche Schule in Uruguay?

MGR: Nein, in eine spanisch/englische Schule.

MI: 2007 kam dein erstes Soloprojekt auf den Markt, welches du selber geschrieben und produziert hast. Die Texte waren in Englisch und gesangliche Unterstützung erhieltst du damals von Charlie Huhn (Gary Moore, Ted Nugent, Humble Pie).  Was hat dich dazu gebracht, selber zu singen?

MGR: Charlie selbst hat mich dazu bewogen. Ich hab immer die Demos für die Songs aufgenommen, ihm gegeben und er fragte dann jedes Mal, wieso ich nicht selber singe. Ich hab ihm geantwortet: ‚weil ich nicht will und weil ich will, dass du singst‘. Ich muss ganz ehrlich sagen, Charlie ist ein ganz besonderer Mensch. Er zählte zu Bands, die ich als meine Vorbilder sehe. Zum Beispiel zu Humble Pie, Ted Nugent usw. Er ist viel älter als ich und natürlich Rock n’ Roll-Geschichte. Ich war mit ihm in Miami, Phönix und Orlando in Studios. Zum Beispiel in Miami waren wir im berühmten Criteria Studio (AC/DC, Black Sabbath, Bob Dylan, Eric Clapton, Mariah Carey usw.). Da Da bist du reingekommen und die Wände waren überladen von oben bis unten mit Gold- und Platinschallplatten von Michael Jackson bis zu sonst wer. Ich hab sie alle durchgesehen und man sagte mir, dass das einzige, was sie damit machen, ein jährlicher Austausch sei. Immer dann, wenn wieder hunderttausend dazugekommen sind.

Wir haben uns mit dem Studiomanager unterhalten und er erzählte uns, dass er als Kind, als Eric Clapton in den 70er Jahren seine Platten im Studio aufgenommen hat, zwischen den Verstärkern rumgelaufen sei und dahinter noch die Heroin-Spritzen lagen. Heute ist er der Manager und konnte sich noch an Charlie erinnern. Er sagt zu Charlie: ‚Sag mal, dich hab ich doch in den 70er Jahren schon hier gesehen‘ und Charly antwortete: ‚ja, ich war mit Ted Nugent da.‘ Also Charlie ist wirklich der Mann, der Rock n’ Roll Pionier. Wir sind morgens mit dem Family-Van ins Studio gefahren, hatten die Tagesschicht, da stand beim Parkplatz „Matt Roehr“ und was weiss ich und abends wurden die Schilder ausgetauscht, dann stand da 50 Cent, Shakira usw., die alle per Bentleys und Co. herbeibrillierten. Das war echt krass! Da brauchte es jemanden wie Charlie, der sich in diesem Lifestyle auskannte. Von den Onkelz, die ja europäisch waren, wenn ich es mal hochgreifen darf, dann ins internationale Geschäft zu gehen, ist schon nochmals ein anderer Schritt, bei dem du dich aufs Neue beweisen musst. Es war auf jeden Fall eine wichtige Erfahrung in meinem Leben.

MI: Du hast ursprünglich mal Bass gespielt…

MGR: Lacht …. Ja drei Monate (lacht wieder)

MI: Was hat dich dazu gebracht zur Gitarre zu wechseln?

MGR: Als ich zu den Onkelz kam, wollte Stephan (Weidner) der Gitarrist sein und da ich ja sozusagen ‚der Neue‘ war, war dies OK für mich. Später haben wir aber festgestellt, dass es doch besser ist, wenn wir die Instrumente wechseln.

MI: Wieso hast du dich bei deinem Soloprojekt entschieden, deutsches Songwriting zu machen?

MGR: Das kam durch Freunde und Bekannte, die sagten, ‚mach doch mal was in Deutsch für uns‘. Ich hab geantwortet: ‚will ich eigentlich nicht, ich bin gerade mit dem Englischen so gut unterwegs, aber passt auf, ich mach euch mal zwei Songs in Deutsch. Wenn ihrs gut findet, dann überlege ich‘s mir nochmals und wenn nicht, auch ok.‘ Tja, dann fanden sie es super. Da ich beim Aufnehmen und Produzieren der Lieder so einen Spass hatte und es mich wieder in die alte Zeit zurückrissen, hab ich mir gesagt; ok, das muss ich jetzt wohl machen. Aber was die Sprache grundsätzlich betrifft, da bin ich überhaupt nicht festgelegt und könnte jederzeit wieder ein englisches Album machen.

MI: Du hast im Jahre 2012 einen Vertrag bei Rookies & Kings, dem Label von Frei. Wild unterschrieben. Du und Philip, der Sänger, sind gute Freunde….

MGR: …gewesen (lacht). Seit der Onkelz Reunion sieht die Sache etwas anders aus.

MI: Man hört Gerüchte, dass beim Reunion Konzert am Hockenheim Ring T-Shirts und Tattoos von Frei.Wild verboten waren. Was steckt dahinter?

MGR: Nein, das stimmt nicht! Ich sag euch jetzt ganz ehrlich wie es war: Die Auflage war, dass Erscheinungen mit rechtsradikalen Symbolen nicht auf das Gelände dürfen. An einem der vielen Eingänge zum Gelände war ein Security, der anscheinend die Frei.Wild T-Shirts für solches gehalten hat. Nach fünfzehn aussortierten Leuten kam dann bereits die erste Beschwerde. Der Konzertveranstalter kam zu mir und fragte, was mit Frei.Wild T-Shirts sei. Ich hab ihm gesagt, die dürften natürlich rein, das ist ja klar! Es war ein Missverständnis. Ich meine, jeder weiss, wie ich zu der Band Frei.Wild stehe und es ist ein Witz, wenn ich sagen würde, es dürften keine Leute mit deren Shirts rein. Das ist unmöglich, sag ich ganz ehrlich. Jeder weiss, dass ich da offen bin und klar, irgendwelches rechte Zeugs darf nicht rein, aber das hat mit Frei.Wild rein gar nix zu tun. Es war wirklich ein Versehen und wurde leider sehr aufgebauscht. Ich hab mit Philip darüber gesprochen und er weiss, wie es war. Ich kann dazu nur sagen, dass viele Leute mit Frei.Wild Shirts auf dem Hockenheim Ring waren. Es gab definitiv nur an dem einen Eingang dieses kurze Intermezzo, das aber direkt unterbunden wurde.

MI: Du und Stephan habt eure Differenzen bereinigt und es kam zur Onkelz Reunion, was mit insgesamt 200’000 verkauften Tickets der pure Erfolg war….

MGR: (lacht) Der Erfolg war, dass Stephan und ich uns wieder vertragen haben!

MI: Allgemein zur Neulage: früher war eher Stephan die treibende Kraft der Onkelz. Die Reunion kam anscheinend nicht durch ihn zustande. Er war, glaubt man zu wissen, der letzte der zum Treffen dazukam. Auch in der aktuelle Firma E.I.N.S. GmbH, seien Pe Schorowsky und du die beiden Geschäftsführer. Bist Du jetzt der neue Chef der Onkelz?

MGR: Nein! Ich bin sozusagen der Verwalter. Chef ist die ganze Band, das ist sehr wichtig, gerade aus den Erfahrungen, die hinter uns liegen. Stephan war stets sehr bemüht und bot immer vollen Einsatz. Damals haben aber andere Leute die Geschäfte geführt. Wir haben uns dieses Mal gesagt, wenn wir die Reunion machen, übernimmt die Band selbst die Geschäftsführung. Das heisst, Pe und ich sind als Geschäftsführer eingesetzt worden, aber die Firma gehört der gesamten Band. Wir sprechen alles untereinander ab und wir sind sozusagen nur die Vertretung nach aussen.

Stephan ist nicht als letzter zu diesem Treffen gekommen, sondern zu Beginn, direkt nach mir. Ich bin da reingegangen und unmittelbar danach trat Stephan ein. Das war natürlich reiner Zufall! Wir haben uns die Hand gegeben, uns in die Augen gekuckt, bevor es überhaupt richtig losging. Es gibt da wirklich null Differenzen. Im Gegenteil, ich bin froh, das Stephan so ist, wie er ist. Er ist ein Visionär, kein einfacher – Gott sei Dank – denn er bringt durch seine Art viele Sachen zu einem besseren Ergebnis. Auch Kevin ist nicht mehr derselbe der er früher war. Er ist wieder völlig klar und total engagiert. Jeder in der Band trägt mit seiner Meinung und der Art, wie er ist, viel in diese Sache bei. Bevor wir uns getrennt haben, ist alles dermassen den Bach runter gegangen, dass wir all dies nicht mehr erkannt haben. Jetzt wissen wir, wo unsere Stärken liegen und nutzen diese natürlich auch gemeinsam aus.

MI: Geht es trotz den Onkelz mit deinem Soloprojekt weiter?

MGR: (schreit fast!) Klar… ihr habt’s ja heute gesehen. Das steht ausserhalb der Diskussion. Nächstes Jahr wollen wir ein neues Album produzieren. Was heisst eins, wir haben noch ein Live-Album in der Hinterhand, welches wir wegen der Reunion etwas zurückstellen mussten. Aber Anfang des neuen Jahres setzen wir uns hin und produzieren neue Sachen und ich freue mich tierisch darauf.

MI: Bist Du ein Penner oder ein Star?

MGR: Was?! (Grinst und grosses Gelächter im Hintergrund) Ein Penner bin ich nicht, da ich ja arbeite. Ihr wisst, dass ich mich eher als Strassenfussballer / Musiker sehe und nicht als Star….ich bin einfach Musiker!

MI: Die letzte Frage. Wenn jeder im Leben einen Pausenknopf nutzen dürfte, wann hättest du gedrückt?

MGR: (big seufzt) ….vielleicht würde ich ihn jetzt gerade drücken. Nicht wegen euch, sondern …. (wieder Gelächter und unsere Madame Bürgi wirft noch schnell ein ‚wegen-dem-Bier, schon-klar‘-Spruch in die Runde, was für noch mehr Unterhaltung sorgte) …. weil ich mich nach ‘ner kurzen Ruhephase sehne. Ich freue mich auf die Weihnachtszeit, da ist Pause und ich kann meine Zeit mit der Familie verbringen.

Nun gut, diesem Wusch wollen wir natürlich gleich nachgehen und drücken somit den Pausenknopf unseres Aufnahmegerätes.

Wir bedanken uns herzlich für das unterhaltsame Interview und wünschen Matt Gonzo Roehr und seiner Crew eine ergiebige Auszeit und viel Erfolg für die zukünftigen Projekte, welche ja sicherlich dann ofenfrisch in Sursee vorgetragen werden!

01.11.2014
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