Ist es Zufall, dass die beiden ungleichen Zwillinge Bela und Farin von Die Ärzte fast gleichzeitig einen neuen Silberling ihrer Soloprojekte präsentieren? Nun, ganz Zufall natürlich nicht, da grad eine die ärzte-freie Zeit herrscht. Farin war nicht nur der erste der beiden, der überhaupt mit einem Soloprojekt startete, sondern auch dieses Mal wieder um ein paar Längen früher dran mit dem neusten Werk (Faszination Weltraum – siehe Review). Schlägt er Bela auch in Längen, was der Sound betrifft?
Nun, Farin liefert uns das, was mit seinen bisherigen Solo-Platten immer lieferte. Viel Sonne, viel gute Laune und definitiv auch Punkrock. Und Bela? Der liefert uns eigentlich auch das, was man von ihm kennt. Was eigentlich heisst, dass er sich wieder mal neu erfindet. Der Name des Albums verrät es schon: Country. Country? Nun, es gab ja schon mal den einen oder anderen Country-Kracher von die Ärzte, jedoch eher von Farin – zum Beispiel auf dem die Ärzte Debut Debil mit „Micha“ und „El Cattivo“ oder später von Bela mit „Der Vampir mit dem Colt“. Aber gleich eine ganze Platte? OK, mal reinhören.
Und eigentlich müsste ich jetzt aufhören. Unser liebster Stehschlagzeuger (Solo jedoch mit Gitarre auf der Bühne) mit der tiefen Stimme, die uns seit Teeniezeiten begleitet, scheint von Berlin nach Nashville übergesiedelt zu sein. Und ich will ich mir nicht anmassen, eine sehr ruhige, gemächliche Country-Scheibe zu bewerten. Mir fehlen schlicht die Worte. Ich gebs zu, die Solo-Scheiben von Bela hatten mich nie 100% begeistert. Das schreibt ein grosser Die Ärzte-Fan. Zu viele Songs waren einfach nur Durchschnitt, auch wenn’s vom Meister kommt. Es gab ganz grosse Meisterstücke – ich liebe „Gitarre runter“ (der wohl genialste Text, der je über das allerwichtigste beim Rock & Metal geschrieben wurden) – aber leider noch viel mehr Hänger. Die Songs bleiben einfach nicht.. Kein Vergleich mit unsterblichen Klassikern wie „Mysteryland“ und vielen anderen aus seinem Die Ärzte Back-Katalog.
Nun, „Bye“ passt wohl in eine schummrige Bar oder noch besser in einen heruntergekommenen Stripclub. Songs die wahrscheinlich erst Kultstatus erlangen, wenn sie in einem Tarantino-Film vorkommen. Dort würden sie absolut reinpassen.
Ansonsten könnte man noch die Duette mit der einen oder anderen weiblichen Stimme erwähnen. Das bringt zwar etwas Abwechslung, aber die sind auch nicht immer so gewinnbringend. Und auch der eine oder andere Switch zwischen Englisch und Deutsch – zum Beispiel in „Nicht nice“ finde ich jetzt auch nicht immer so gelungen. Der Song käme meiner Meinung nach einiges besser, wenn er nur auf Englisch wäre.
Wenn ich ein Stück rauspicken müsste, dann ist es „Verwöhn'“. Das leicht angehauchte ZZTop-Riff, Duett mit Peta Devlin (?) und dann die Steigerung gegen Schluss mit etwas mehr Tempo als der Rest, ist ganz klar mein Favorit. Wenn man den ersten Teil der Platte verschlafen hat, dann gibt’s hier einen Weckruf.
Wenn ich trotz allem eine Wertung abgebe, dann halt ne 6 – einen davon gibt’s weil es Bela ist und einen, weil seine Stimme immer noch geil ist.
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