The Hammer is back – HammerFall überrollen Deutschland!
Lange war es ruhig um HammerFall. Die schwedische Power Metal Truppe machte eine dringend benötigte Pause (genaueres dazu erzählt Gitarrist Oscar Dronjak im Interview – siehe unten) und kehrte letztes Jahr mit dem neuen Album „(R)evolution“ zu ihren Wurzeln zurück.
Coverartwork, Sound, Songs – alles ist klar von den Anfangstagen beeinflusst. Nach einem kurzen Ausflug nach Südamerika mit Edguy und Gotthard, hat vor wenigen Tagen die ausgiebige Europatour begonnen. Auf dem Terminplan steht da auch die mittlerweile übliche Doppelshow im Z7. Aber weil ich dann „dummerweise“ in der Karibik auf Kreuzfahrt bin und ich HammerFall (mit Support von Orden Ogan und Serious Black) nicht verpassen „darf“, mache ich mich auf zu einem Roadtrip nach Nordrhein-Westfalen.
Samstag, 17. Januar 2015, Turbinenhalle 2, Oberhausen
Nach einer erstaunlich entspannten Anfahrt nach Köln (die Deutsche Bahn für einmal so pünktlich wie die SBB) heisst es erstmal Hotelzimmer beziehen und dann bald weiter nach Oberhausen. Gute 20 Minuten Fussmarsch später komme ich vor der Halle an – und mich trifft schier der Schlag! Es dauert noch gute 20 Minuten bis zur Türöffnung, doch da stehen bereits mindestens 1‘000 Fans in einer riesigen Schlange – sieht richtig britisch aus! Ich bin froh, dass ich meinen Fotopass abholen und praktisch direkt rein kann…
Vor ein paar Jahren war ich schon mal in der Turbinenhalle – aber jetzt lerne ich: es gibt Halle 1 und Halle 2. Halle 2, die heutige Venue scheint mir kleiner zu sein, aber dennoch dürften es deutlich über 2‘000 Zuschauer sein, welche heute für „Ausverkauft“ sorgen. Die Halle selbst ist gross und vor allem auch hoch, was optisch noch einiges hergeben sollte. Zudem gibt’s eine Galerie, von der man prima Aussichten auf die Bühne geniessen kann. Eher ungewöhnlich das Catering System: man muss im Eingangsbereich Bons kaufen (1 Bon = 1 Euro), drinnen sind die Bons das einzige akzeptierte Zahlungsmittel. Man sollte sich also besser frühzeitig überlegen, wieviel Bier man zu trinken gedenkt… Cool: es gibt auch Sinalco! Hab ich in Deutschland noch höchst selten gesehen… (Anm. der Red.: Sinalco kommt ursprünglich aus Deutschland auch wenn wir es in der Schweiz gerne für uns vereinahmen).
Abgesehen von dem Bon – System kann ich über die Turbinenhalle nichts Schlechtes berichten. Der Fotograben hat eine anständige Grösse und das Licht ist auch bei den Vorbands sehr akzeptabel. Einem tollen Konzertabend steht somit kaum mehr was im Wege!
Serious Black
Punkt 20h geht das Licht aus und nach kurzem Intro betreten Serious Black die Bühne. Die „Supergroup“ um Urban Breed, Roland Grapow und Thommen Stauch wird wohlwollend empfangen – wobei wohl nicht nur ich schnell mal Fragezeichen im Gesicht habe. Weder Grapow noch Stauch sind zu sehen…? Sänger Urban Breed klärt bald darauf die Verwirrung: sowohl der Gitarrist wie auch der Schlagzeuger sind krank, vor allem bei Thommen wär die Tour wegen Rückenbeschwerden keine gute Idee gewesen. Jedoch sind prominente Ersatzleute am Start: der Drummer wird ersetzt von Ramy Ali (Freedom Call), Rolands Gitarre übernimmt Bob Katsionis, seines Zeichens Sidekick von Gus G. bei Firewind.
Serious Black spielen einen 30-minütigen Gig, der sehr angenehm ist und der perfekte Einstieg darstellt. Nicht weltbewegend, aber dennoch durchaus anhörbar. Der grösste Pluspunkt der Band ist zweifellos der Frontmann: optisch erinnert er an Steve Lee und seine Röhre ist der Hammer. Mit dieser Stimme werden die Songs noch einen Tick besser! Alles in allem also der ideale Opener – und die Fans in der proppenvollen Halle sehen das ähnlich.
Apropos „proppenvoll“: während in der Schweiz bei den Vorbands öfter mal noch genügend Platz vorhanden ist, ist es hier jetzt schon der totale Wahnsinn. Ein ausverkauftes Z7 kann „voll“ sein, aber das ist noch kein Vergleich zu hier! So einen Kampf um an die Biertränke oder an den Merchstand zu kommen, hab ich in Pratteln kaum je erlebt… Und ich konnte ja noch nicht ahnen, was in Köln auf mich zukommen sollte…
Orden Ogan
Als nächstes stehen jetzt Orden Ogan auf dem Programm. Auf deren epischen Metal bin ich sehr gespannt, zumal ihr neues Album „Ravenhead“ (zur Review) sehr stark geworden ist. Die Sauerländer marschieren zu „Orden Ogan“ auf die Bühne und überraschen erstmal mit ihrem Outfit: zerfetzte Mäntel prägen das Bild – die Jungs sehen fast so aus wie in ihrem aktuellen Video „F.E.V.E.R.“, nur ohne Schminke. „F.E.V.E.R.“ ist dann gleichzeitig auch der erste Song und das Publikum zieht sofort kräftig mit. Mit „To new Shores of Sadness“ folgt gleich eine alte Nummer des Debuts „Vale“. Sänger Seeb Levermann nimmt das dankbare Publikum auf eine Reise mit und sorgt für grossartige Stimmung. Highlights sind der Titeltrack der aktuellen Scheibe, „Deaf among the Blind“ und die Schlussnummer „The Things we believe in“ mit einem lauten Chor, der brav „Cold, dead and gone“ schreit. Hingegen find ich die Piraten Nummer „We are Pirates“ immer noch völlig lahm – die Band möge diesen Song doch bitte gegen „Easton Hope“ tauschen… danke! Nichtsdestotrotz räumen Orden Ogan hier völlig ab, die 45 Minuten sind viel zu schnell vorbei! Jungs, es wird bald Zeit für eine eigene Headliner Tour!
HammerFall
Wieder ist es ein Kampf um bis zum Fotograben zu kommen. Und dann scheint es auch noch Probleme mit der Technik zu geben. Los – macht vorwärts! Ich will endlich HammerFall wieder mal sehen…! Und nach 22 Uhr ist es endlich soweit: das Licht geht aus, das Intro ertönt und in der Turbinenhalle bricht ohrenbetäubender Jubel aus. HammerFall wurden vermisst – das ist sofort klar! Als Joacim Cans und seine Jungs die Bühne mit „Hector’s Hymn“ stürmen, gibt’s kaum mehr ein Halten. Ein gigantisches und saugeiles Backdrop bildet das Herzstück eines ansonsten schlichten Bühnenbilds, ein paar coole Lichteffekte und etwas Trockeneis – showmässig backen HammerFall kleinere Brötchen als auch schon. Nur ist das sowas von egal, denn die Musik spricht hier für sich! Und wer solche Posen auf dem Kasten hat wie Oscar, Pontus und Stefan, der braucht gar nicht mehr Special Effects… Das stampfende „Any means necessary“ tönt live erneut besser als ab Konserve und wird ebenfalls inbrünstig von den über 2‘000 Fans mitgesungen, bevor mit „Renegade“ das erste Mal richtig auf’s Gaspedal gedrückt wird.
Neben den bekannten Gesichtern der Gitarristen und des Fronters entdeckt man noch zwei „neue“ Leute auf der Bühne. Der eine spielt Bass und nennt sich Stefan Elmgren – seines Zeichens Pilot und früherer Gitarrist in dieser Band! Er springt am Tieftöner ein für Fredrik Lasrsson, der eine Babypause macht, aber sicher wieder zur Band zurückkehren wird.
Der zweite Neuling hingegen dürfte nicht jedem HammerFall Fan bekannt sein: hier handelt es sich um David Wallin, welcher sonst der Drummer bei Pain ist. Stilistisch sind da schon ein paar Unterschiede… Wie sein Status in der Band ist, wird mir Oscar im Interview am nächsten Tag dann verraten.
Auf jeden Fall machen die Herren einen hervorragenden Job. David peitscht die Band an und Stefan hat all seine Posen von früher ebenfalls noch drauf. Das Dauergrinsen von Oscar deutet darauf hin, dass hier jemand mächtig Spass auf der Bühne hat!
Die Schweden präsentieren einen Querschnitt durch ihre ganze mittlerweile 18-jährige Karriere. Verdammt – bereits 18 Jahre seit „Glory to the Brave“?? Die Zeit rast… Von jedem Album wird mindestens ein Song gespielt. Das ist zwar absolut löblich, aber umgekehrt gibt’s von „(R)evolution“ leider nur vier Kostproben. Mein obligates Nörgeln an der Setlist, ich weiss…
Um des Sängers Stimme zu schonen greifen viele Bands zu einem Mittel, welches nicht nur ich nicht wahnsinnig sexy finde: dem Drumsolo. HammerFall haben jetzt eine andere Lösung, und die finde ich ehrlich gesagt saugeil! Es folgt ein „400 Meter Medley“ – fragt mich aber nicht, warum das so heisst! Jedenfalls ist’s ein Medley, bei dem insgesamt sieben Songs an- resp. die Solos gespielt werden. So schaffen es auch Titel wie „Secrets“, „The Dragon lies bleeding“, „Fury of the wild“ oder das sträflich unterbewertete „A Hero’s Return“ auf die Setlist. Starke Idee!
Gewisse Dinge ändern sich hingegen nie: Joacim’s Frage, wer das erste Mal an einem HammerFall Konzert sei – als Einleitung zu „Let the Hammer fall“. Oder die Bandvorstellung: „and together we are HammerFall!“ Das macht aber nichts, denn die Schweden lassen sonst nichts anbrennen. 95 Minuten pure Heavy Metal Unterhaltung und bis in die hintersten Reihen wird mitgebangt, mitgesungen, mitgeklatscht und die Horns gereckt. Eine grossartige Party, die mit dem Triple „Templars of Steel“, „Bushido“ (live ebenfalls deutlich stärker als auf Platte!) und dem obligaten „Hearts of Fire“ ihr Ende findet. HammerFall lassen sich noch minutenlang feiern von den Fans – zu recht, denn das war eine starke Leistung! Auch vom Publikum übrigens, Kompliment!
Die Rückfahrt nach Köln dauert jetzt etwas – zwar fahren Züge auch hier fast die ganze Nacht, allerdings nicht ganz so häufig. Es ist schlussendlich halb drei Uhr, als ich ziemlich müde ins Bett falle…
Fotos von Serious Black, Orden Ogan und HammerFall in Oberhausen (Kaufi)
Sonntag, 18. Januar 2015, Essigfabrik, Köln
Den Tag kann ich ruhig angehen. Erst mal ein erstes aussortieren der Fotos, dann gemütlicher Spaziergang ins Hard Rock Cafe. Überall laufen komisch kostümierte Personen rum – hier hat die Fasnacht glaub’s schon begonnen. Ups – hier sagt man ja wohl „Karneval“… egal.
Gegen 18 Uhr treffe ich vor der Essigfabrik ein – ein Interview mit Oscar Dronjak steht auf meiner Agenda! Hypernervös warte ich auf den Bescheid des Tourmanagers, der mich noch eine halbe Stunde vertröstet: Abendessen ist wichtiger. Kein Problem – aber es ist verdammt kalt hier draussen…! Anyway – was macht man nicht alles… Schlussendlich erlöst mich TM Jörg und holt mich rein. Er führt mich durch die Katakomben, dort treff ich kurz auf Ramy, den Ersatz Drummer bei Serious Black. Und plötzlich bin ich in der Garderobe meiner Helden – HammerFall! Joacim macht ein Nickerchen und Oscar schliesst seinen Laptop und widmet mir seine Aufmerksamkeit. Was folgt ist ein etwa 50-minütiges Gespräch über HammerFall, Besetzungswechsel, Eishockey, Wrestling und Whiskey. Oscar entpuppt sich als sehr sympathischer Zeitgenosse, der durchaus einiges zu erzählen hat. Und auch deshalb legt sich meine Nervosität recht rasch…
Ich hätte noch einige Fragen mehr auf Lager gehabt, aber irgendwann reicht’s dann auch – man will die Situation ja nicht dermassen ausnutzen. Und so verabschiede ich mich von Oscar, Joacim und Pontus, der in der Zwischenzeit auch aufgetaucht ist, und hol mir meinen Fotopass.
Die Essigfabrik: ein komplett anderer Laden als gestern. Viel tiefer, so tief, dass Orden Ogan auf ihr Backdrop verzichten müssen! Und jenes von HammerFall kommt anschliessend gar nicht richtig zur Geltung. Der Fotograben ist extrem schmal, zum Glück sind wir nur etwa zu siebt da. Viel mehr hätten kaum Platz… Die Bühne: extrem klein. Serious Black und Orden Ogan konnten sich praktisch nur seitwärts bewegen, vor ihnen der Graben, hinter ihnen die Aufbauten für den Headliner. Die Lichtverhältnisse sind ebenfalls eher bescheiden, kein Vergleich zur Turbinenhalle. Erst bei HammerFall gibt es die ersten richtig guten Bilder. Eher ungewöhnlich, dass die Fotografen nach der Arbeit via Backstage nach draussen geführt werden – Kameras müssen jetzt abgegeben werden! Ärgerlich, weil man dadurch natürlich wieder ganz hinten in der Halle reinkommt… (Anm. d. Red.: Hallenstadion lässt grüssen).
Die Essigfabrik fasst etwa 1‘500 Leute, also gleich viel wie das Z7. Allerdings ist es hier wesentlich breiter und massiv kürzer. Hinter dem Mischpult kommt schon fast die Wand… Wie gestern haben die Veranstalter auch heute das „Ausverkauft“ Schild hingehängt! Und wenn ich gestern dachte, dass der Club VOLL sei, dann hab ich da noch nicht gewusst, was HIER auf mich zukommt… Ein ausverkauftes Z7 ist ein Ponyhof gegenüber Köln… Während Serious Black zum Bierstand: ein Kampf. Auf’s Klo? Praktisch unmöglich. Zurück zum Fotograben? Fürchterlich. Diese Umstände lassen mich dann Orden Ogan von der Seite her schauen – denn diesen Spiessrutenlauf will ich nicht nochmal machen…
Serious Black
Tutschpünktlich um 20 Uhr legen Serious Black los. Urban Breed hat sichtlich Mühe mit der kleinen Bühne, Bewegungsfreiheit sieht anders aus. Aber sonst spielen die Jungs erneut einen coolen Set. Zudem darf der Sänger noch den richtigen Drummer auf der Bühne begrüssen: Thommen Stauch lässt sich hier blicken – tolle Sache! Nach den kurzen 30 Minuten lassen sich Serious Black vom Publikum feiern, welches ordentlich Applaus spendet. Erneut also eine runde Sache!
Orden Ogan
„Orden Ogan“-Sprechchöre lassen bereits erahnen, was hier gleich los sein wird. Ich bin völlig baff, die Band wird hier von der ersten Sekunde an wie ein Headliner abgefeiert! Ich meine, das Publikum in Oberhausen war schon stark, aber das hier ist richtig krass! Egal ob „F.E.V.E.R.“, „We are Pirates“ oder „The Things we believe in“ („COLD, DEAD AND GONE!“) – das Publikum dreht am Rad. Die Haare fliegen nur so – und Fronter Seeb macht diejenigen ohne Haare darauf aufmerksam, dass man sich als Ersatz dafür die Hand vor den Kopf halten soll. Auch eine Variante… Zwar ist der Sound ziemlich grottig (das kann aber auch an meiner eher ungünstigen Position seitlich der Bühne liegen), dennoch räumen Orden Ogan hier nach allen Regeln der Kunst ab und ich muss lange überlegen, wann ich zum letzten Mal einen solch dominanten Auftritt einer Vorband gesehen habe! Ich wiederhole mich jetzt: es ist an der Zeit für eine Headliner Tour…
Muss man jetzt gar Angst haben um HammerFall?? Keine Spur – denn als das Licht ausgeht, wird’s laut. SEHR laut! Was das Publikum angeht: Köln übertrifft bereits jetzt Oberhausen! Mit fettem Grinsen in den Gesichtern hauen die Schweden der hungrigen Meute ein Power Metal Festessen vor den Latz! Von „Hector’s Hymn“ bis zu „Hearts on Fire“ wird gefeiert, was das Zeug hält. Da ich mich wie gesagt plötzlich ganz hinten in der Halle wiederfinde, erlebe ich, wie bei „Let the Hammer fall“ wirklich bis in die letzten Reihen „FALL“ gebrüllt wird. Ich habe lange nicht mehr ein solch enthusiastisches und dankbares Publikum erlebt – bärenstark! HammerFall revanchieren sich dafür, zocken ihren Set völlig souverän und machen auch mal ein paar Spässchen. Stefan Elmgren beginnt ein Bass Solo – Joachim’s lapidarer Kommentar dazu: ein Mittelfinger und „Fuck you, you’re fired!“ Nur um kurz danach zu erwähnen, dass es dieses Line up in dieser Zusammensetzung nach dieser Tour wohl nie wieder geben wird!
Abgesehen von kleinen Details ist die Show ansonsten identisch mit derjenigen in Oberhausen, in der Setlist finden sich leider keine Änderungen. Auch zu diesem Thema hat sich Oscar im Interview noch geäussert.
Kurz nach halb zwölf enden die letzten Töne von „Hearts on Fire“ und erneut kann sich die Band noch lange von den sehr loyalen und treuen Fans feiern lassen.
Heute ist das Hotel etwas näher, aber da die Trams „nur“ alle 30 Minuten fahren, spaziere ich die Hälfte des Weges (so friert man wenigstens nicht so sehr…) und versuche, die Eindrücke der letzten zwei Tage etwas zu verarbeiten. Es gibt eigentlich nur ein Fanzit:
HammerFall melden sich auf eindrückliche Art und Weise zurück! IT’S HAMMER TIME! Auf die nächsten 18 Jahre!