Joachim Witt ist wie eine Wundertüte. Es ist jeweils schwierig vorauszusehen, was der Herr bekannt durch Songs wie „Der goldene Reiter“ oder „Die Flut“ wieder aus der Ursuppe zaubert. Dies macht WITT jedoch auch aus, er kümmert sich scheinbar kaum um Trends und zieht sein eigenes Ding seit Jahren konsequent durch.
Ich muss ehrlich sein, aus meiner Sicht hat der neue Silberling des mittlerweile 65 jährigen WITT keine nennenswerte Verbindung mehr zur Szene. Also Metal war WITT noch nie, aber doch brachte er in vergangener Zeit Alben, welche den Genres Rock, Pop, Neue Deutsche Welle, neue Deutsche Härte, Gothic zugeordnet werden können. Das neue Album ist aus meiner Sicht jedoch nur noch bedingt in diesen Sektoren einzuordnen. Natürlich findet man noch die einen oder anderen Zutaten aus diesen Sektoren, aber im Grossen und Ganzen ist Neumond eher ein Elektro-Album, welches Richtung „Elektro-Schlager“ ausgerichtet ist. Trotzdem, die „Dark“-Mentalität ist immer noch da und teilweise gut spürbar.
Vergleicht man den neuen Silberling mit den vergangenen Alben merkt man jedoch schnell, dass das mystische, dunkle, geheimnisvolle, einer eher positiven Ausrichtung der Musik gewichen ist. Die Schwere der letzten Alben ist für mich nicht mehr spürbar.
Beleuchten wir jedoch mal die Plus-Punkte der Scheibe. Joachim Witt war schon immer ein Mann der Texte. Diesen zu lauschen und sich danach seinen Gedankengängen freien Lauf zu lassen, lohnt sich. WITT ist aus meiner Sicht diesbezüglich ein wahrer Meister. In seinen Texten spricht er wie immer eine klare Sprache, bringt Themen auf den Plattenteller, welche die Welt (oder die Persönlichkeit) bewegen. Die Texte regen zum Nachdenken an. Für eher sentimentale Menschen ist hier für jede Lebenslage ein Stimmungslied dabei. Aber auch Realisten werden schnell merken, dass die Texte wohlüberlegt sind und angetönte Stimmungen gut spürbar sind. Sei es Traurigkeit „Es regnet in Mir“, sei es Hoffnung „Spät“, sei es verhaltene Freude „Dein Lied“ oder „Frühlingskind“, sei es pure Melancholie „Ohne Dich“ oder die Hymne schlechthin „Fahnenmeer“.
Was ich Joachim Witt auch positiv attestieren darf, ist die Tatsache, dass er es immer noch schafft, seine Songs in einer Ohrwurmqualität zu präsentieren. Beim Hören der Scheibe hat es auch mich wieder gepackt, mehrere Mal ertappte ich mich beim mitsummen. Die Refrains sind einfach gehalten und gehen wirklich ins Ohr. Ich denke der eine oder anderen Song der Scheibe wird man in Clubs und Discos sicher wiedererkennen.
Auch die Stimme von WITT ist einfach ein Unikat. Mit seiner dunklen, raunenden Stimme kann er den Songs Ausdruck verleihen ohne gesanglich sehr differenziert zu sein.
Persönlich hätte ich mir weniger Elektro-Beats gewünscht. Es wird sicher auch Hörer geben, welche urteilen werden, dass alle Songs auf der Platte ähnlich tönen, was verständlich ist, wenn man sich durch das Album hört.
Fanzit: Wer bei dieser Scheibe das Schwergewicht auf die gut verständlichen Texte setzt und sich mit diesen auseinandersetzen will, wird sicher nicht enttäuscht. Musikalisch ist das Album ebenfalls stimmig und tönt typisch nach WITT. Ob die Scheibe jedoch an die vergangenen Erfolge anknüpfen kann, das bezweifle ich. Die neue Kreation enthält aus meiner Sicht zu viel Pop und Elektro. Trotzdem befindet sich auf dem Tonträger die eine oder andere Hymne, welche sicher auch auf dem einen oder anderen MP3-Player wieder auftauchen wird.
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Trackliste
- Aufstehen
- Die Erde brennt
- Bis ans Ende der Welt
- Mein Herz
- Es regnet in Mir
- Strandgut
- Ohne Dich
- Neumond
- Spät
- Dein Lied
- Frühlingskind
- Fahnenmeer