Man nehme irgend ein beliebiges, cool klingendes Wort, beispielsweise „Pagan“, „Extreme“, „Heiden“ oder ähnlich, hänge „-fest“ an – und fertig ist der Name für ein weiteres Discounterfestival aus dem Hause „Rock The Nation“. Um den österreichischen Grossveranstalter, immerhin seit 1989 tätig, kommt man heute auch in der Schweiz nicht mehr rum. Umso mehr erstaunt es, dass man auf den zahlreichen offiziellen Seiten jener Institution rein gar nichts über deren Geschichte ausfindig machen kann – die wenigen Informationen, die ich habe, stammen von Wikipedia.
Lassen wir die Hintergrundinformationen also aussen vor und dem Hatefest 2015 seinen Lauf.
Bereits im Vorfeld zeichnete sich ab, dass das Hatefest eines der ersten Show-Highlights des Jahres 2015 werden würde – ein Eindruck, der sich mir bereits bei der Anfahrt mit dem Zug nach Pratteln bestätigt, und auch die beeindruckende Schlange, die sich trotz der eher frühen Stunde (16 Uhr) und des miesen Wetters bereits vor dem Eingang gebildet hatte, spricht für sich. Schulterzuckend stelle ich mich also hinten an – schliesslich will ich nichts verpassen. Doch offensichtlich gibt es keinen Grund zur Eile: Als ich endlich in der heiligen Halle bin, habe ich noch genügend Zeit, um einige bekannte Hände zu schütteln sowie meine Utensilien zu ordnen.
Um 17 Uhr und somit um eine halbe Stunde dem offiziellen Zeitplan nachhinkend betritt die polnische Deathmetal-Formation Hate die Bühne. Den Urgesteinen des schwarz gefärbten Todesbleis scheint es nichts auszumachen, den Abend zu eröffnen, und dann auch noch zu einer Uhrzeit, zu der der gemeine Metalhead für gewöhnlich verkatert den Badezimmerschrank nach einem Aspirin durchwühlt. Die Metal-Gemeinde ihrerseits honoriert diese Bereitschaft mit für einen Opener überdurchschnittlich hohem Personalaufgebot – draussen rumhängen scheint bei dem Mistwetter sowieso nicht sehr attraktiv, und so frönt man unter der gekonnten musikalischen Leitung von Hate wahlweise dem Frühsport oder dem Konterbier. Oder beidem.
Ein Lob geht hier auch gleich an den Mischer: Es ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit, dass der Sound bereits vom ersten Song des Openers an derart satt und druckvoll rüberkommt!
Nach dem sechsten Song, oder anders gesagt um 17 Uhr 35, kündigen die Polen ihren letzten Song „Wists“ an, und lassen danach ein schön aufgewärmtes Publikum zurück. So einen Opener wünscht man sich öfter.
„Wir sind Debauchery und jetzt gibt’s Rock’n’Roll!“ tönt’s kurz vor sechs Uhr ganz in Lemmy-Manier aus den Boxen – der wohl freundlichste blutverschmierte Mann der Welt erregte zuletzt mediales Aufsehen, weil er aufgrund öffentlichen Drucks per Ende 2010 seinen Job am Hegel-Gymnasium in Stuttgart kündigen musste. Heute tritt Thomas Gurrath einmal mehr an, um aufzuzeigen, weshalb diese Priorisierung von Debauchery die richtige Entscheidung war.
Gurrath selbst zumindest, und ich muss ihm da auf jeden Fall recht geben, scheint jedenfalls davon überzeugt zu sein – als zweiten Song stimmt er bereits die Gore-Hymne „Blood for the bloodgod“ an und holt damit auch noch den letzten Kater hinter dem Ofen hervor und vor die Z7-Bühne.
Durchaus erwähnenswert auch das ziemlich gewagte Cover von Priests „Painkiller“; obschon die Interpretation durchaus ansprechend klingt, bin ich enttäuscht: Niemand, auch nicht Thomas Gurrath, covert Judas Priest, das ist Blasphemie! Allerdings ist diese Lappalie ob der ansonsten mitreissenden Show schnell vergessen.
Eine dreiviertel Stunde später, Debauchery haben gerade ihren letzten Song gespielt, erschallt die Retourkutsche des Publikums in Form der ersten „Zugabe!“-Rufe des Abends. Der Metzgermeister erklärt entschuldigend, er dürfe leider keine Zugabe spielen, bedankt sich und verlässt dann unter Beifall die Bühne.
Die Zuschauer wissen sehr wohl, was jetzt kommt; der Aufbau der das Schlagzeug flankierenden eisernen Dreizacke sowie des Mikrofonständers in Form eines Petruskreuzes wird bereits eifrig von „Vader!“-Rufen begleitet. Kurz nach sieben verdüstert sich das Ambiente noch eine Spur mehr und die zweite Band aus polnischen Gefilden betritt die Bühne, wenngleich die Truppe inzwischen vom britischen Ballermann James Stewart verstärkt wird. Gut gelaunt begrüsst Gründer, Gitarrist, Vokalist und Ex-Bassist Piotr die anwesende Menge in deutscher Sprache, bevor das typische Vader-Sturmgewitter über sie hereinbricht. Der Alkoholpegel im Publikum steigt stetig, und die Temperatur im Z7 tut es ihm gleich. Irgendwann verschwinden die Musiker hinter der Bühne, begleitet von donnernden Kanonenschüssen – nur um sogleich auch musikalisch wieder in der gewohnten Vader-Kadenz weiter zu ballern. Die Veteranen gehören nicht umsonst nach wie vor zum Besten im Hochgeschwindigkeits-Todesblei.
Nur gerade eine gute halbe Stunde nach der Initialzündung überrascht Piotr die Fans mit der Ankündigung des letzten Songs. Danach wirbt er noch für die Bands, die nach Vader spielen werden und stimmt kommentarlos das nächste Lied an, welches seinen Abschluss in einem pompösen Outro ab Konserve sowie dem Abgang der Band findet – so zumindest sollte es wohl aussehen, doch weit gefehlt; das vermeintliche Outro ist eigentlich das Intro zum definitiv letzten Song, und als eigentliches Outro wiederum fungiert der „Imperial March“ aus Starwars. Nun, wenn eine Veräppelung in einem weiteren Song von Vader gipfelt, lass ich mich noch so gerne auf den Arm nehmen.
Michael „Blutkehle“ Roth weiss um die Unverkennbarkeit seiner Stimme. Deswegen lässt er es sich in der Regel nicht nehmen, den Vocal-Soundcheck gleich persönlich zu übernehmen – so auch heute. Die Reaktion der Leute lässt nicht lange auf sich warten – der Tod aus Thüringen wird von einigen Anwesenden sehnlichst erwartet, was denn auch durch laute „Eisregen“-Rufe kundgetan wird. Und so erstaunt es kaum, dass das Todesschwadron seine Anhänger vom ersten Moment an mitzureissen vermag.
In der Zwischenzeit schaue ich mich etwas um. Auffallend ist die Menge an Merchandise, welche heute angeboten wird. Doch das braucht mich heute nicht zu kümmern, und ausserdem bekomme ich auch schon das nächste Bier in die Hand gedrückt. Überhaupt gestaltet sich das Bericht schreiben angesichts der vielen mir bekannten Gesichter im Publikum schwierig – pflichtbewusst wende ich mich wieder Eisregen zu, gerade rechtzeitig, um Michael stolz das zwanzigjährige Bestehen seines morbiden Projektes bekanntgeben zu hören.
Um neun stimmt Zeremonienmeister Michael die durchaus tanzbare „Elektrohexe“ an, was vom Publikum frenetisch gefeiert wird, zugleich aber auch schon fast den Abschied von Eisregen markiert – zum Glück nur für heute. Das grosse Tor des Z7 steht inzwischen sperrangelweit offen und lässt dadurch schon fast Openair-Feeling aufkommen. Der Anblick erfüllt mich mit einer seltsamen Freude, beweist er doch wieder mal offensichtlich, was den zahlreichen Anhängern des Pratteler Metal-Tempels sowieso klar ist: Mit dem Z7 verfügt die Schweiz über ein Konzertlokal für diverse Sparten der Gitarrenmusik, welches international nicht nur optimal gelegen ist, sondern auch einen exzellenten Ruf geniesst.
Zwanzig Minuten später: Tarnnetze verdecken die Monitore, ein bedrohliches Intro kündigt den nächsten Stellungskrieg an: Panzerdivision Marduk rollt an. Den T-Shirts nach zu urteilen dürften sich nicht wenige Anwesende besonders auf diese Legende gefreut haben. Auch ich stelle erfreut fest, dass heute offenbar Marduk-Tag ist: Die Schweden überzeugen restlos und liefern ein massives Lehrstück an Präzision – so zumindest hab ich das in Erinnerung. Nach einer Stunde endet die Schlacht zugunsten Schwedens mit einem deutlichen Sieg, welcher stilgerecht mit deutschem Schlager aus den Zwanzigern gefeiert wird.
Doch das Ende einer Schlacht bedeutet bekanntlich nicht zwangsläufig das Ende des Krieges: Six Feet Under haben auch noch ein Tänzchen zu gut. Marduk haben allerdings bereits mächtig Tribut gefordert und verhältnismässig bloss eine Hand voll Überlebende übriggelassen. Chris Barnes und seinen Schergen ist das relativ egal, er liefert sich zu den typisch tiefergestimmten Gitarren, dem stampfenden Rhythmus und seinen markerschütternden Growls einen Fitness-Wettstreit sondergleichen. Wenn dieser Mann seine fast bodenlangen Dreadlocks kreisen lässt, steht man besser gerade nicht im Fotograben.
Die Mitbegründer des Florida-Deathmetals um den Ex-Cannibal-Corpse-Fronter haben heute einen Gast mitgebracht: Basser Victor Brandt von den schwedischen Kollegen Entombed meistert den Abend souverän.
Eine gute halbe Stunde vor Mitternacht wird bereits der letzte Song angekündigt, dann verschwinden die Jungs von der Bühne – und lassen ein begeistertes Publikum zurück, welches überdies lautstark dagegen protestiert, jetzt ihrem Schicksal überlassen zu werden. Und tatsächlich zeigen sich die Recken aus Übersee gnädig und geben den allerletzten Feiernden noch den Todesstoss in Form zweier weiterer Songs, bevor der Abend endgültig endet. Und ich merke, dass ich älter werde. Wäre ich früher nämlich total enttäuscht gewesen ob des Abends jähen Endes, bin ich heute vielmehr erleichterfreut (kennt ihr bestimmt!); ich weiss inzwischen, dass vergangene Shows noch so geil gewesen sein können – es sind noch viele, die da folgen werden. Und doch: Das Hatefest gilt es erst mal zu toppen. 2015 wird awesome!
Setlist Hate
- Omega
- Erebos
- Hex
- Valley Of Darkness
- Resurrection Machine
- Leviathan
- Wists
Setlist Vader
- Wings
- Go To Hell
- Abandon All Hope
- Silent Empire
- Triumph Of Death
- Decapitated Saints
- Hexenkessel
- Cold Demons
- Carnal
- Dark Age
- Soltis
Setlist Eisregen
- Tod senkt sich herab
- Todestag
- 1’000 tote Nutten
- N8verzehr
- Eisenkreuzkrieger
- Mordlust
- Scharlachrotes Kleid
- Ein Hauch von Räude
- Blutgeil
- Elektro Hexe
- Panzerschokolade
- Erscheine
Setlist Marduk
- Frontschwein
- The Blond Beast
- Slay The Nazarene
- The Levelling Dust
- 502
- Wartheland
- Burn My Coffin
- Blackcrowned
- Cloven Hoof
- Into Utter Madness
- Womb Of Perishableness
- The Black
- Warschau
Setlist Six Feet Under
- Silent Violence
- Revenge Of The Zombies
- No Warning Shot
- Feasting On Blood Of The Insane
- Victim Of The Paranoid
- Human Target
- Deathklaat
- The Day The Dead Walked
- Seed Of Filth
- Shadow Of The Reaper
- Torn To The Bone
- Beneath A Black Sky
- The Evil Eye
- Hammer Smashed Face