Helloween ist eine dieser Bands, die in regelmässigen Abständen Alben veröffentlichen, was ich persönlich super finde. Nichts ist so frustrierend, wie eine gute Band, die einfach mal 5 Jahre nichts von sich hören lässt. Na gut, eine einst gute Band, die auf Teufel komm raus Alben raushaut, die nichts mehr taugen, das ist auch frustrierend. Die Kürbisköpfe gehören da allerdings nicht dazu, weswegen ich ihren Rhythmus von Touren und Platten Einspielen schlichtweg genial finde.
Die Band hat ja eine sehr bewegte Vergangenheit, die ich sicherlich niemandem in Erinnerung rufen muss. (Ansonsten sollen die Unwissend mal die drei Namen Hansen, Kiske, Deris googlen.) Seit Andi Deris aber das Mikrophon übernommen hat, ging’s mit der Band nach einem unleugbaren Tief wieder stetig bergauf – auch wenn man sich über Andis Stimme durchaus streiten kann. Worüber man sich nicht streiten kann, ist, dass sich die Band ihren Platz in der Metal Welt durchaus verdient hat.
Ich bin nach dem letzten starken Album (Straight Out of Hell, 2013) sehr gespannt auf My God-Given Right. Die Concept Art des Covers ist… ich sag’s mal so, es hat einige Kontroversen ausgelöst. „The Day After Tomorrow meets Bionicle“ trifft den Nagel ziemlich genau auf den Kopf. Persönlich find ich’s nicht so schlimm, auch wenn es bestimmt schönere Covers gibt. Es fährt die gleiche Schiene wie Straight Out of Hell, und wirkt meines Erachtens auch typisch Helloween. Und hey, es ist in 3D erhältlich! (Ja, ja, ich bin der einzige 3D Fan weit und breit, ich weiss…)
Es ist das fünfzehnte Studioalbum und das fünfte Album im selben Line-Up. Ausserdem das erste Album unter Nuclear Blast seit Rabbit Don’t Come Easy (2003). Ach ja, und natürlich markiert es das 30jährige Bestehen der Band. Also durchaus was Spezielles. Gitarrist und Gründungsmitglied Michael Weikath sagt, das Album sei “schlichtweg guter, klassischer Heavy Metal wie er sein soll. Es ist offener für die Allgemeinheit. Ich würde nicht sagen kommerziell, es ist freundlicher. […] Es ist typisch für die 80er Helloween und die modernen Helloween zugleich. […] Wir wollten einfach das machen, wofür wir stehen, wofür wir bekannt sind. Und das funktioniert sehr, sehr gut, denke ich.” (Übersetzung Tanja)
Nun aber endlich zum wichtigen Teil: Der Musik. Heroes eröffnet die Platte. Keine Experimente, ein catchy Chorus… ein schnell und einfach zugänglicher, sehr solider Song. Guter Opener, auch wenn er einen nicht von den Socken haut. Battle’s Won ist bereits als Lyrics Video hörbar und ich muss sagen, dass der Song mit der Zeit unglaublich gewinnt. Zuerst fand ich ihn teils eher schwer zugänglich, unterdessen ist er aber einer meiner Favoriten. Sehr melodischer Pre-Chorus und Refrain, unterbrochen von komplizierteren Strophen, die aber gerade deswegen dazu einladen, richtig hinzuhören, um die darunter liegende Struktur zu hören.
Der Titeltrack ist mit 3:30min. eher kurz gehalten, funktioniert aber super. Auch hier, keine grossartigen Experimente, aber gute Melodien, gute Hooklines, definitiv einer der besseren Tracks. Stay Crazy beginnt eher ruhig, und verspricht sehr eingängig zu werden… Die Vocals kurz darauf sind jedoch eher auf der harten Seite und lassen mich an meinem ersten Eindruck zweifeln – aber nicht lange, denn wiederum hauen die Deutschen einen verdammten Ohrwurm-Chorus raus, der unterstützt wird von einer immer wiederkehrenden Hookline. Bisher ist die Scheibe äusserst vielversprechend.
Lost in America ist ohne Zweifel mein Lieblingssong. Ganz bestimmt von dieser Scheibe, wenn nicht sogar quer durch die (fast) ganze Diskographie… Vermutlich war das nicht der Sinn und Zweck, denn der Song ist bestimmt mit einem Augenzwinkern zu nehmen, aber *** nochmal (ich sollte nicht so viel fluchen), wenn dieser Song nicht Potential hat, ein unglaublich nerviger Ohrwurm zu werden, den man nicht aus dem Gehörgang kriegt, egal, was man auch tut, dann weiss ich auch nicht. Sicherlich einer der „kommerzielleren“ Songs, weswegen ich die Kritiker jetzt schon höre… aber ich seh da wirklich nichts Schlechtes. Aber klar, Metal darf nicht kommerziell sein, das ist Verrat an allen Prinzipien, yadda yadda yadda…
Russian Roulé zeigt eindrücklich, dass Andi immer noch sehr, sehr hoch kommt mit seiner Stimme. Das ist aber eigentlich gar nicht so wichtig, denn schon wieder zaubern Helloween eine Hookline aus dem Ärmel, die den Song sofort in den Hirnwindungen festsetzt und einen alles andere vergessen lässt. The Swing of a Fallen World geht einen grossen Schritt weg von Russian Roulé und Lost in America. Eher down-tempo und in tieferen Tonlagen angesetzt, vermittelt er eine eher bedrückende Atmosphäre. Ein einfacher Rhythmus sorgt dafür, dass er trotzdem zugänglich ist, aber ob man extra wegen dieses Songs die Platte nochmal auflegen würde, bezweifle ich. Die Thematik, die sich schon im Titel widerspiegelt, ist allerdings eine, die je länger je drängender wird.
Like Everybody Else scheint das Äquivalent der Ballade zu sein. Wobei die Ballade nur teils durchklingt. Ruhig und im Chorus nicht unbedingt eingängig, bleibt der Song relativ lange farblos. Wenn man aber genug Durchhaltevermögen zeigt und ihn oft genug hört, offenbar sich ein doch ganz solider Track. Creatures in Heaven überzeugt auch nicht so recht, und das, obwohl der Anfang ein bisschen an alte Videospiele erinnert und gleich mit einem recht catchy Riff loslegt. Trotzdem bleibt der Song insgesamt Durschnitt, ohne wirklich überraschende oder sonderlich eingängige Melodien.
If God Loves Rock ‘n’ Roll verspricht vom Titel her schon mal, gut zu werden. Und jepp. Der Song hat wieder alles, was den beiden vorherigen gefehlt hat. Guter, nicht so ernster Text, wunderbare Hooklines und toller Chorus. Was könnte man mehr wollen? Living on the Edge braucht wieder ein wenig länger, bis man ihn so richtig in die Ohren kriegt, ist aber durchaus ein guter Song. Die Lyrics scheinen ebenfalls ziemlich gut zu sein, soweit ich das beurteilen kann; ein Song, den man eher aufmerksam als im Hintergrund hören sollte.
Claws braucht einen oder zwei Momente, bis er funktioniert, aber der Chorus ist durchaus brauchbar. Es hat bessere Songs auf der Scheibe, aber hier ist definitiv Hookline Potential vorhanden. Wieder eher dunkler, nicht ganz so aufgestellt wie man sich das von Helloween generell gewohnt ist, und daher eine ganz nette Abwechslung. You, Still of War… ein merkwürdiger Titel. Nun, muss ja nichts heissen, also ran an den Speck und hoffen, dass es ein toller Rausschmeisser wird. Der Anfang ist sehr ruhig, mit orchestraler Chor Unterstützung, und das ändert sich nicht. Die Drums sind sehr eminent hier, und die bedrückende Atmosphäre wird hier mit dem groben Pinsel aufgetragen. Kein Song fürs Nebenbeihören, so viel ist klar, er ist aber ziemlich vielschichtig, hat einiges zu bieten, und spätestens bei den Soli hat man sich ein wenig eingehört und kann den letzten Teil dann richtig geniessen. Ich hätte ihn nicht auf den letzten Platz des Albums gesetzt, aber das kann jeder sehen, wie er will.
Fanzit: Generell ein sehr starkes Album. Ich mag, dass die meisten Songs eher kurz gehalten sind. (61 Minuten für 13 Songs ist nicht gerade viel.) Was Helloween m.E. sehr gut gelungen ist, ist ihr Vorhaben, einen Querschnitt durch ihre 30 Jahre Bandgeschichte zu geben, immer wieder klingen schon mal gehörte Melodiestrukturen an, ohne dass man gleich „geklaut!“ schreien müsste. Die meisten der Songs zünden schon beim ersten Mal Hören, und das ist immer ein gutes Zeichen. 2-3 zu-Beginn-Füller (aka Songs, die einfach mehr als 5 Durchläufe brauchen, um zu wirken) scheint mir kein Weltuntergang, vor allem da der Rest es mehr als nur wettmacht.
Wer offen genug ist, auch eine teils etwas mainstreamigere Seite Helloweens zu mögen, wem die letzten paar Alben zusagten, wer den allgemeinen Helloween Charakter mag, der kann mit My God-Given Right nichts falsch machen. Kurz und gut: Helloween sind Helloween, auch wenn sie ein bisschen experimentiert haben: Ein Garant für melodiösen teutonischen Power Metal der höchsten Güteklasse. Es gibt schon einen Grund, wieso diese Band auch nach 30 Jahren noch so beliebt ist.
›› Ab Release (29.5.2015) Reinhören und portofrei limited Editions bestellen (siehe unten)
Trackliste
- Heroes
- Battle’s Won
- My God-Given Right
- Stay Crazy
- Lost in America
- Russian Roulé
- The Swing of a Fallen World
- Like Everybody Else
- Creatures in Heaven
- If God Loves Rock ‘n’ Roll
- Living on the Edge
- Claws
- You, Still of War
- I Wish I Were There1 2 3
- Wicked Game1 2 3
- Free World2
- Nightmare3
- More Than a Lifetime3
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