Bereits das Konzert im Letzigrund-Stadion am Anfang des Monats Juni war ein absolutes Erlebnis. Die „alten“ Herren des Rock n` Roll gaben sich in Zürich gleich zwei Mal die Ehre und verwandelten das sonst so öde Stadion in eine wahre Partymeile. Ein perfekte Darbietung, Angus Young immer noch aktiver als ein wildgewordener Stier, es passte einfach alles. Umso glücklicher durfte ich sein, am 4. Juli die Legenden nochmals im Wembley Stadium in London zu sehen, ein Erlebnis, welches sich tief in meiner Rockerseele verankert hat und dort einen ewigen Platz bis an mein Lebensende innehaben wird.
Vintage Trouble
Die Retro-Band, die im Vorprogramm von AC/DC mit um den Erdball tourt, konnte auch in London aus meiner Sicht nur begrenzt überzeugen. Es lag absolut nicht daran, dass sich die Jungs nicht die Mühe machten, die über 84’000 Zuschauer anzuheizen, es lag auch nicht am Sound oder am Gesang. Es lag ganz einfach daran, dass sich die Zuschauer wohl so fest auf AC/DC freuten, dass die Vorband kaum beachtet wurde. Die Zeit wurde genutzt um noch einen Besuch am Merchandising-Stand vorzunehmen (wo jedoch die geilsten T-Shirt schon lange ausverkauft waren) oder den Biervorrat auf Vordermann zu bringen. Stimmung kam vor allem am Schluss auf, als angekündet wurde, dass bald AC/DC die Bühne entern würden. Ein erstes Mal brandete ein riesiger Sturm an Entzückung durch dieses fantastische Stadion. Ein Blick ins Rund, die Augen gerieben und man glaubte selbst kaum, dass man ein Teil dieser riesigen Menschenmenge sein durfte, welche da auf die Herren wartete. Blitzlichtgewitter, rote Teufelshörner, welche vor sich her blinken und eine unglaublich imposante Kulisse eröffnete sich da dem erstaunten Fan.
AC/DC
Nach einer erstaunlich kurzen Umbaupause startete dann das bekannte Einstiegsvideo zu AC/DC auf den Videoleinwänden der Bühne. Ein richtiger Begeisterungssturm erfasste das Wembley-Stadium und riesiger Applaus brandete durch die Zuschauerreihen. Die Vorfreude war nun unermesslich und die Anspannung der Zuschauer richtig spürbar.
Wie bereits in Zürich legten die Herren gleich fulminant los. Dazu eignete sich der Titelsong der neuesten Scheibe Rock or Bust natürlich hervorragend. Angus fetzte bereits jetzt von einem Bühnenende zum anderen, wie eine gebissene Tarantel. Unglaublich was der über 60jährige noch auf die Bretter bringt. Big Respect. Brian Johnson, welcher sich im Normalfall eher wortkarg gibt was Interaktion mit dem Publikum angeht, gab heute auch schon zu Anfang des Konzerts den Tarif an, indem er mehrere Sätze (!!!) zum Publikum richtete und somit erneute Begeisterungsstürme auslöste.
Einen Hit jagte den anderen, sei es Shoot to Thrill, Back in Black oder Dirty Deeds Done Dirt Cheap. Die Zuschauer in Ekstase, sehr angetan von der Stimmung auf der Bühne wie aber auch im weiten Rund des Stadions.
Schnell kristallisierten sich aber auch zwei Gegebenheiten heraus, welche vielleicht eher als Negativpunkte beschrieben werden sollten, wenn man schon danach sucht; Natürlich wurden in der Setlist keine Änderungen vorgenommen, wie auch auf dem Rest der Tour. Dieser Punkt betrifft jedoch vor allem diejenigen Fans, welche nicht nur ein Konzert auf der Tour besuchen. Und seien wir ehrlich, die Qualität der Songs und Fülle der Hits machen diesen Umstand längstens weg.
Der eher heiklere und umso wichtigere Punkt war, dass die Akustik im Wembley-Stadium leider grottenschlecht war. Am Anfang war es mir eigentlich noch egal, aber mit zunehmender Konzertlänge war das Echo, welches von den Rängen immer wieder retour auf die Stehplatzfläche kam wirklich nervig. Ich hätte mir in einem solchen Stadion eine andere Akkustik gewünscht. Da das Wembley jedoch gegen oben wieder trichterförmig zugeht und wohl nicht unbedingt für Konzerte gebaut wurde, scheint der angeführte Punkt eine logische Folge. Da konnte wohl nicht mal der Mann an den Reglern etwas ausrichten. Schade.
Aber auch dies tat der Stimmung keinen wirklichen Abbruch. Ein Erlebnis sondergleichen, bis und mit For those about to Rock, Angus Young in grösster Spiellaune, der Rest der Jungs wie gewohnt eher im ruhigen Hintergrund. Phil Ruud wird an den Drums aus meiner Sicht wunderbar vertreten und fehlt nach seinen Eskapaden und richterlichen Terminen eigentlich gar nicht in der Formation. Wer dann eher vermisst wird ist Malcom, welcher von seinem Neffen vertreten wird. Natürlich hat dieser nicht die gleiche Ausstrahlung wie Malcom, welcher der Kopf und Denker dieser Band war. Malcom in Ehren, du fehlst, aber es muss weitergehen.
So neigte sich auch dieser sensationelle Abend und das grandiose Konzert dem Ende zu. Auch hier wurde unsere Reisegruppe nochmals überrascht. Beim Zurücklaufen an die U-Bahnstation erlebten wir, wie in England die Organisation aussieht; Die Fans wurden gestaffelt auf die U-Bahn gesendet, laufen, warten, laufen, warten, jedoch kein einziger Rempler oder irgendwann ein Gedränge.
Die Stimmung unter den Fans nach dem Konzert auf dem Weg zur U-Bahn total gelassen, trägt vielleicht auch noch dazu bei, dass sogar englische Polizisten es nicht lassen können, ihr iPhone an das Megaphone zu halten über welches sonst die Kommandos zum Laufen verbreitet werden. So kam nochmals tolle Stimmung auf, als ab Konserve nochmal TNT läuft. Polizist am Headbangen, Fans auch, et voilà.
Fanzit: Dieser Trip über den Teich hat sich definitiv gelohnt. AC/DC im Wembley-Stadium zu erleben war einmalig, auch wenn die Soundqualität zu wünschen übrig liess. Dies ist jedoch motzen auf hohem Niveau. Die Herren zeigen auch heute noch vielen Bands, wo der Hammer hängt. Beeindruckend, imposant, legendär. War das mein letztes Konzert welches ich von AC/DC besuchen durfte? Habe ich das nicht schon 2010 nach dem Besuch im Stade des Suisse in Bern gedacht.
Setliste
- Rock or Bust
- Shoot to Thrill
- Hell Ain’t a Bad Place to Be
- Back in Black
- Play Ball
- Dirty Deeds Done Dirt Cheap
- Thunderstruck
- High Voltage
- Rock ’n‘ Roll Train
- Hells Bells
- Baptism by Fire
- You Shook Me All Night Long
- Sin City
- Shot Down in Flames
- Have a Drink on Me
- T.N.T.
- Whole Lotta Rosie
- Let There Be Rock
- Highway to Hell*
For Those About to Rock (We Salute You)*
*=Zugabe