4 Bands aus 4 Jahrzehnten und 4 verschiedenen Ländern
Die Hard Rock Session im Rahmen des 10-tätigen Festivals La Foire aux Vins d’Alsace in Colmar bot dem Fan der harten Musik einiges! Ensiferum, W.A.S.P., Accept und Sabaton sorgten für viel Spektakel, gute Stimmung, reichlich Abwechslung, und nicht zuletzt für richtig guten Sound. Ganz ohne Kompromisse kann ein solcher Event nicht über die Bühne gehen – dennoch dürfen wir grösstenteils über positive Eindrücke berichten.
Ganz so wie bei uns ticken die Uhren hier in Colmar nicht – nicht nur beim Anblick des äusserst ruhigen Städtchens oder dem Warten auf den nächsten unpünktlichen Bus wird dies augenscheinlich. Die nächste Überraschung folgt bei der Ankunft auf dem Expo-Gelände: Das ist nicht ein Musikfestival wie wir es sonst kennen. La Foire aux Vins d’Alsace bietet wesentlich mehr: Während 10 Tagen kombinieren die Veranstalter eine Gewerbeausstellung (mit insgesamt über 350 Ausstellern) mit Party und Livemusik, wie sie abwechslungsreicher nicht sein könnte. So wirkt zwar die Warnung bezüglich der Gefahr von epileptischen Anfällen befremdend – ansonsten deutet aber nichts mehr darauf hin, dass am Vorabend David Guetta hier auftrat. Alles läuft Hand in Hand, ist übersichtlich organisiert – und als Konzertbesucher profitieren wir natürlich gerne von den umfangreichen Gastronomie-Angeboten.
Ensiferum
In erster Linie sind wir aber nur aus einem Grund hier: dem Heavy Metal! Das Programm hat es in sich – wo sonst würde eine Band wie Ensiferum den Konzertabend eröffnen? Pünktlich um 18:00 geht es mit dem Intro March of War los. Die Klänge von Axe of Judgement und Heathen Horde wirken dann aber erstmal unglaublich blass. Es scheint als hätte hier die Zeit für einen Soundcheck gefehlt, die Tontechniker brauchen doch ziemlich viel Zeit um den passenden Mix zu finden. So stellt der „Engelsgesang“ ab Band bei Twilight Tavern das akustische Highlight der ersten Konzerthälfte dar – schade um den Auftakt.
Der Sound wird aber im Verlauf des Auftrittes besser – und so auch die Stimmung! Lai Lai Hei und From Afar kommen gut an, die Fans der Finnen lassen sich zu Circle Pits hinreissen. Herrlich, wie unser Kaufi bei dem Anblick kaum noch aus dem Kopfschütteln herauskommt.
Mit Burning Leaves und Two of Space beenden Ensiferum ihren eher durchzogenen Auftritt nach genau einer Stunde – eine knappe Zeitspanne, welche die Finnen ohne grosse Umschweife nutzten.
W.A.S.P.
Als nächstes heisst es „Bühne frei!“ für Legenden aus den USA: W.A.S.P. bewegen sich stilistisch doch in eine ganz andere Richtung. Sirenen und Helikopterlärm als Intro, im Hintergrund ein Zusammenschnitt aus eigenen Klassikern – besser könnten sich die Glam-Metaller kaum ankündigen. Ein paar fette Drums zur Begrüssung, und los geht der Auftritt mit On your Knees/The Torture Never Stops. Eine interessante Kombination aus Kurzfassungen der beiden Songs sorgt zu Beginn für einen hohen Rhythmus. Sänger Blackie Lawless – in einem Raiders-Outfit, welches ebenfalls längst vergangener Zeiten entstammt – begrüsst die Fans kurz, dann geht es Schlag auf Schlag weiter mit Heavy Metal der alten Schule. The Real Me und L.O.V.E. Machine folgen vor dem ersten grossen Hit: Wild Child! Auf der einem Amphitheater nachempfundenen Tribüne wird es erstmals richtig laut, einige Fans lassen sich von ihren Sitzen reissen. Die Akustik funktioniert super, bunte Scheinwerfer lassen die Amerikaner im passenden Licht erscheinen. Auf The Idol folgt mit I Wanna Be Somebody der nächste Kracher. Während dem instrumentalen Zwischenteil singt die ganze Halle unaufgefordert den Refrain – um von Blackie dann in zwei Hälften aufgeteilt zu werden, welche sich nun in der Lautstärke gegenseitig übertreffen. Dass hier ziemlich viel Zeit verstreicht ist OK, schliesslich erreicht die Stimmung auf den Sitzplätzen dabei ihren absoluten Höhepunkt.
Der Moshpit vor der Bühne sorgt gleichzeitig doch auch für Kopfschütteln – und diesmal schliesse ich mich Kaufis Unverständnis an. Pogen zu solchen Klassikern der Rockgeschichte? Ein störendes Phänomen, welches leider immer wieder beobachtet werden kann wenn Jung auf Alt trifft. Etwas polemischer ausgedrückt: Ein Effekt, welcher sich kaum vermeiden lässt, wenn Fans der Generation „Sabaton“ auf den Heavy Metal der 80er treffen. Oder sehen wir das zu engstirnig? Dann sind wir natürlich auf eure Meinungen und Kommentare gespannt!
Aber zurück zum Geschehen auf der Bühne, wo düsterer Kettensägen-Lärm die Geschichte von Chainsaw Charlie einleitet: Murders in the Rue Morgue. Rockig, melodisch, schnell – W.A.S.P. ziehen noch einmal alle Register! Schliesslich folgt mit Blind in Texas ein letztes Highlight. 30 Jahre alt ist der Titel, kombiniert klassischen Heavy Metal mit Rock n‘ Roll Elementen – und sorgt so noch einmal richtig für Stimmung! Ein gelungener Schlusspunkt unter eine grossartige Show, welche vom Publikum zu Recht gefeiert wird.
Accept
Die Zeitreise geht weiter – noch ein Stück zurück. In den frühen 70ern finden sich die Ursprünge der deutschen Alt-Rocker von Accept, passend dazu zeigt die Video-Leinwand nur schwarz-weiss Bilder. Ob dies von der Band so wirklich gewünscht wird? Ok, sie sind „alt“, ihr Auftritt aber ist alles andere als farblos! Die Bühne in tiefblaues Licht gehüllt, ertönen die ersten Klänge von Stampede – ohne Umschweife rocken Accept los. Von Anfang an überzeugen die klaren, quirligen Gitarrenriffs und Mark Tornillos hoher, gleichzeitig leicht rauer Gesang. Dazu dürften sich die Fotografen über super Lichtverhältnisse freuen – ich bin jetzt schon auf Kaufis Beitrag aus dem Graben gespannt.
Auch die deutschen beschränken sich nach den ersten Songs auf eine kurz gehaltene Begrüssung – die knapp bemessenen Spielzeiten von 60 Minuten schränken alle Bands etwas ein. So besinnt man sich auf die Musik – und mit Restless and Wild auf einen DER Livesongs, welche Accept zu bieten haben! Die einstudierte Show funktioniert, das Timing bei den Gitarren-Posen sitzt, die Bühnenpräsenz dieser Truppe zeigt ihre Wirkung, so steht mittlerweile ein guter Teil des Publikums und lässt sich von der unglaublichen Energie mitreissen, welche die Herren auf der Bühne noch immer an den Tag legen.
Mit Final Journey findet ein zweiter Titel des letztjährigen Albums Blind Rage den Weg in die Setlist. Es sind aber die alten Titel, welche den Parc Expo in Colmar erzittern lassen. Princess of the Dawn, Fast as a Shark – und vor allem Metal Heart. Seit 1985 und dem Release des gleichnamigen Albums, sorgt letzterer für Furore. Dabei scheinen die klassischen Parts nach Beethovens Für Elise mehr denn je den Nerv der Musikliebhaber zu treffen, die ganze Arena singt die wohl bekannteste Melodie des heutigen Abends aus voller Kehle! Sinnbildlich schmettern Accept zum Schluss dann den Titel Balls to the Wall in die Runde: Kompromisslose Hard Rock Elemente, ein melodisch eingängiger Mittelteil zum Mitsingen, giftig gespielte Gitarren-Riffs (mit denen Urgestein Wolf Hoffmann wie kaum ein anderer zu überzeugen weiss) – Accept hält den Rhythmus bis zum Schluss hoch und verabschiedet sich nach einer Stunde von einem absolut begeisterten Publikum.
Sabaton
Die jüngste Band des Abends steht vor einer grossen Aufgabe, die Messlatte liegt hoch. Und Sabaton fahren schweres Geschütz auf! Neben viel Pyrotechnik wird mit „Walther“ der neue Panzer von Sabaton auf die Bühne gerollt – da bahnt sich etwas an! Wenig später geht es los – Europe’s The Final Countdown schallt wie gewohnt aus den Boxen, darauf erzeugt der eigene Intro für Spannung. Und dann der Knall: Mit einem Feuerwerk und Ghost Divison eröffnen die Schweden ihre Show, To Hell and Back vom aktuellen Album Heroes folgt praktisch übergangslos. Der nun bestens gefüllte Innenraum lässt sich vom rhythmischen Refrain mitreissen, springt geschlossen auf und ab – ein eindrücklicher Anblick!
Joakim deutet bereits früh an, dass sich ihm ob der einzigartigen Stimmung die Haare aufstellen. Weiter geht‘s, auch bei Carolus Rex wird nicht mit Pyro gegeizt. Optisch gibt es da kaum etwas auszusetzen, so wirkt die Inszenierung des Schlagzeuges, welches auf dem Rücken des Panzers thront, richtig imposant. Und doch machen Sabaton ihren Auftritt sehr stark von den Hilfsmitteln abhängig – perfekt ist ihr Auftritt nicht, die Bewegungen der Musiker wirken phasenweise etwas steril, das Timing lässt teils zu wünschen übrig. Nichts Neues gibt‘s auch beim Ablauf der Show. „Entgegen allen Plänen“ spielt Thobbe die ersten Klänge von Swedish Pagans, nötigt seine Jungs dadurch quasi dazu, den (wirklich grossartigen) Song zu spielen – die künstlichen Diskussionen vor und nach dem Titel könnte man sich zumindest bei zeitlich so begrenzten Auftritten sparen. (Anm. Kaufi: für einmal stand „Swedish Pagans allerdings WIRKLICH auf der Setlist drauf…). Auch Joakims Gitarren-Intermezzo mit Klängen von Smoke on the Water sorgt zwar für einige Lacher – insgesamt fällt diesen Elementen aber mindestens ein Song zum Opfer. Schade.
Zumindest der Stimmung im Pit tut dies aber keinen Abbruch. So schnellen zu Beginn von Resist and Bite alle Hände in die Höhe, sorgen einmal mehr für ein geniales Bild – dass sich der eine oder andere beim Crowdsurfing absolut dilettantisch anstellt sorgt zusätzlich für (unfreiwillige) Unterhaltung. Im Vordergrund steht aber weiter die geniale Pyro-Show, welche den Auftritt begleitet. So zieren Warnschilder (Achtung/Caution) die Bühne nicht ohne Grund – Sabaton beherrschen The Art of War nun mal!
Nach nur gerade 40 Minuten Spielzeit folgen bereits die Zugaben. Auch diese beginnen mit einem Knall – und was für einem. Die Explosion zu Night Witches haut mir fast die Kontaktlinsen um die Ohren, wow! Mit Primo Victoria und Metal Crüe folgen die letzten Titel des Abends, die Stimmung vor der Bühne hält sich bis zum Schluss hoch. Papierfetzen in den schwedischen Nationalfarben runden den Auftritt optisch ab – und setzen um 23:30 Uhr den Schlusspunkt.
Fanzit
Zeit also für ein kurzes Fanzit zu einem insgesamt sicher gelungenen Abend. Im eher speziellen, insgesamt aber gut durchdachten Konzept sowie in der bis ins letzte Detail funktionierenden Organisation der Veranstalter widerspiegelt sich viel Erfahrung und Knowhow – nicht umsonst durften in den vergangenen Jahren Acts wie Motörhead oder Judas Priest hier begrüsst werden. Das Billing sorgte auch dieses Jahr für viel Abwechslung, die 4 Bands ergänzten sich in vielerlei Hinsicht.
Eine genaue Stunde Spielzeit pro Band ist allerdings knapp bemessen – da müsste sich den Verantwortlichen für die nächste Ausführung doch die Frage stellen, ob nicht besser eine renommierte Band weniger zugunsten einer jeweils längeren Bühnenzeit präsentiert wird. Allenfalls könnte auch eine Vorband aus der Region das Line-Up abrunden – für lokale Bands war dieses Jahr (einmal mehr) kein Platz im Billing.
Sicher muss auch angefügt werden, dass eine Stunde durchaus effizient genutzt werden kann – dies bewiesen Accept und W.A.S.P eindrücklich! Sabaton gelang dies nur bedingt: Mit Intro, Spielereien und Unterhaltung – wie es ihre Fans zu Recht schätzen – liessen sie schlicht zu viel Zeit verstreichen. Da die Show daneben vor allem durch eine gigantische und wirklich eindrückliche Bühnendekoration mit vielen pyrotechnischen Effekten zu überzeugen vermochte, kam die eigentliche Bühnenpräsenz der Musiker für den neutralen Zuschauer zu kurz. Hier stösst das Konzept des Festivals nun mal an gewisse Grenzen, eine ausgewogene Headliner-Show in 60 Minuten durchzuziehen ist praktisch unmöglich. Und wirklich verübeln kann man es ja den Schweden nicht, dass sie keine „halbherzige“ Show präsentieren wollen.
Insgesamt aber bot Colmar eine Hard Rock Session, welche durchwegs zu überzeugen wusste. Man darf gespannt sein, welche grossen Namen nächstes Jahr präsentiert werden – in jedem Fall können wir bei entsprechender Gelegenheit einen Ausflug ins Nahe Elsass absolut empfehlen!
Setliste Ensiferum
- Axe of Judgement
- Heathen Horde
- Twilight Tavern
- Treacherous Gods
- Warrior Without a War
- Ahti
- Lai Lai Hei
- From Afar
- Burning Leaves
- Two of Spades
Setliste W.A.S.P.
- On Your Knees / The Torture Never Stops
- The Real Me
- L.O.V.E. Machine
- Wild Child
- The Idol
- I Wanna Be Somebody
- Chainsaw Charlie
- Blind in Texas
Setliste Accept
- Stampede
- Stalingrad
- Restless and Wild
- Final Journey
- Princess of the Dawn
- Pandemic
- Fast as a Shark
- Metal Heart
- Teutonic Terror
- Balls to the Wall
Setliste Sabaton
- Ghost Division
- To Hell and Back
- Carolus Rex
- Swedish Pagans
- Resist and Bite
- Far from the Fame
- The Art of War
- Night Witches
- Primo Victoria
- Metal Crüe