SALTATIO MORTIS – Zirkus Zeitgeist

Mittelalter Rock
28.02.2016

Das neuste Werk von Saltatio Mortis trägt sehr treffend den Titel Zirkus Zeitgeist. Dass der Name Programm ist, merkt man schon, wenn man sich die Titel der Songs anschaut: Da stechen z.B. heraus: Willkommen in der Weihnachtszeit, Des Bänkers neue Kleider, Wir sind Papst, Augen zu, oder Mauern aus Angst, um nur ein paar zu nennen.

Stolze 17 Songs ist das Album lang. Das schreit doch förmlich nach Füllern. Ob sich diese böse Vorahnung bestätigt? Schauen, resp. hören wir doch mal.

Wenn man sich dann die Scheibe anhört, merkt man sehr schnell, dass die Verpackung nicht zu viel verspricht und das Album tatsächlich so kritisch ist, wie vermutet. Der erste Song (Wo sind die Clowns?) ist schon ziemlich hart und düster, da bin ich direkt froh, ist der zweite Track fröhlicher. Willkommen in der Weihnachtszeit nimmt die Kommerzialisierung von Weihnachten ins Visier. Es geht gut vorwärts und die Melodie setzt sich sofort im Gehörgang fest. Nachts Weinen die Soldaten schlägt dann schon wieder eine ganz andere Richtung ein: Der Titel lässt schon erahnen, dass wir es hier mit einem traurigen Song zu tun haben, mehr als nur ein Hauch von Anklage schwingt auch mit.

Des Bänkers Neue Kleider lässt die Trauer zurück und geht wieder anständig vorwärts. Guter Text, gute Melodie, nichts Aufregendes, aber irgendwie bleibt’s doch hängen. Maria zählt mitunter zu meinen Lieblingsstücken auf der neuen Platte. Die Melodie frisst sich schon beim ersten Mal Hören in den Gehirngang und die Mischung aus Kirchenliedern (Maria in den Dornwald ging, kyrie eleison) und kritischen Saltatio Mortis Texten funktioniert super.

Wir sind Papst – die Lyrics Auskopplung – ist einer der besten Songs, der mir in letzter Zeit untergekommen ist. Nicht nur, dass die Melodie hammer ist, nein, auch der Text trifft den Nagel auf den Kopf und handelt von einer Sache, welche so wohl selten behandelt wird. Es geht um Deutschlands Vergangenheit und die Tatsache, dass man heute als Deutscher nicht stolz auf sein Land oder seine Nationalität sein kann, ohne als Nazi abgestempelt zu werden.

Augen Zu erinnert von der Art her sehr an Wo sind die Clowns?, ist also wieder langsamer, härter und weniger fröhlich als die vorhergehenden Tracks. Geradeaus ist dagegen schon wieder aufgestellt. Ich mag diese Abwechslung, die SaMo bisher in ihr Album bringen sehr. Einmal düster und bedrückend, dann wieder fröhlich und heiter.

Erinnerung ist die Ballade. Leider. Irgendwie mag ich SaMos Balladen schlicht nicht sonderlich. Sie ist bestimmt nicht schlecht, aber ich finde keinen Zugang dazu. Glücklicherweise folgt mit Trinklied wieder ein – joa, ein Trinklied. Soll heissen kein allzu ausgeklügelter Song, aber doch zwei sehr gute Hauptmelodien, die sehr passend zusammenspielen, und definitiv mehr aus dem Song machen, als der Titel vermuten lässt. Denn dass man den Song so einfach mitgröhlen kann, das bezweifle ich. Und es geht weiter mit den „Schwingt das Tanzbein“ Songs. Rattenfänger (aha, darum verspür ich also den Drang zu tanzen) lässt wirklich niemanden still sitzen. Ohrwurm-Melodie und auch live wird der Song super funktionieren und auch den letzten Sauertopf mitreissen.

Oha, Todesengel kommt schwer und schleppend daher… guter Kontrast zu Rattenfänger. Nicht ganz so eingängig und ich bin eher gespannt, was nachher kommt, aber an und für sich kein schlechter Song. Vermessung des Glücks besteht aus einem Refrain, der einen sofort daran denken lässt, wie toll man ihn live wird mitsingen können und blassen Strophen, die im Schatten des Chorus verschwinden. Den Eindruck habe ich aber bei vielen SaMo Songs. Und hey, dafür, dass wir schon bei Song 13 sind, hat sich das Album bisher erstaunlich gut gehalten. Noch kein Füller meiner Meinung nach. Das ist selten.

Abschiedsmelodie klingt als wär’s die zweite Ballade. Bei 17 Songs könnte das natürlich sein. Und es ist auch so. Meh. Hätte nicht sein müssen. Sehr langsam und ruhig, fast schon minimalistisch. Nicht meins. Gossenpoet bleibt sehr durchschnittlich, kein Refrain, der heraussticht, nichts. Schade.

Mauern aus Angst reisst den Karren jedoch wieder aus dem Dreck und Gaudete – muss ich dazu was sagen? Als Lateiner muss ich den Song lieben. Ausserdem haben Saltatio Mortis wirklich ein Talent dafür, Songs in Fremdsprachen auf ne sehr interessante Art und Weise dreckig klingen zu lassen. Kurz und gut: Ein Rausschmeisser, wie es sich gehört und ich werde nur deswegen die Scheibe gleich nochmal hören.

Fanzit: Ein meiner Meinung nach äusserst gelungenes Album, das eigentlich nur einen Füller aufweist. Zwei Balladen hätten jetzt zwar nicht unbedingt sein müssen, aber damit kann ich leben. Vor allem weil ich mit 17 fast durchs Band weg guten Songs und mehr als einer Hand voll wirklich guten Songs sehr viel für mein Geld geboten kriege.

Wer Mittelaltermusik mag, kann hier also getrost zugreifen.

 

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Trackliste 

  1. Wo Sind Die Clowns?
  2. Willkommen In Der Weihnachtszeit
  3. Nachts Weinen Die Soldaten
  4. Des Bänkers Neue Kleider
  5. Maria
  6. Wir Sind Papst
  7. Augen Zu
  8. Geradeaus
  9. Erinnerung
  10. Trinklied
  11. Rattenfänger
  12. Todesengel
  13. Vermessung Des Glücks
  14. Abschiedsmelodie
  15. Gossenpoet (Bonus)
  16. Mauern Aus Angst (Bonus)
  17. Gaudete (Bonus)

Album Review Bewertung

Autor Bewertung: 9.5/10



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Autor
28.02.2016
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