ANTHRAX - For All Kings (CD Cover Artwork)

ANTHRAX – For All Kings

Heavy Metal, Thrash Metal
11.03.2016
ANTHRAX - For All Kings (CD Cover Artwork)

Mosh!

Der 11. Studio-Album-Titel der New Yorker Big4-Thrash-Legenden „For All Kings“ bezieht sich gemäss Hauptsongschreiber und Drummer Charlie Benante auf die Überpersonen im Leben eines jeden. Die Leute, auf die man hochschaut – siehe dazu auch das entsprechende Album-Cover-Artwork von Alex Ross. Im Falle von Benante waren das zum Beispiel nach dem frühen Tot seines Vaters KISS. Von einem solchen schweren Schicksalsschlag wurde ich zwar in meiner Jugend verschont, aber dennoch waren für mich auch Anthrax nebst Metallica und AC/DC die grössten Helden im Bereich der Musik. Und so schreib ich diese Review also für ein paar meiner Kings. Und schau zu ihnen hoch – wie die Maute auf dem Album-Cover von For All Kings.

Und dementsprechend geht’s auch nicht ganz einfach, objektiv zu bleiben. Anthrax haben ein paar der absolut geilsten Thrash-Metal-Scheiben in den 80ern rausgehauen. Und mit diesen viele unsterbliche Klassiker, die mich live unweigerlich immer noch in jeden Mosh verwickeln. Der typische Mosh-Takt lässt mich immer noch nicht strammstehend ein Anthrax Konzert geniessen. Doch wie so viele grosse Bands der 80er wurden Anthrax von der Grunge- und später Nu-Metal-Welle richtiggehend überrollt. Und dies ironischerweise als Wegbereiter vor allem des Crossovers, dem Verschmelzen von komplett verschiedener Genres und auch Lifestyles: Dem Metal und des Rap, welches ja dann in den 90ern fast schon zum Standard grosser Metal-Bands wurde.

Statt jedoch sich auf die eigenen Stärken zu beruhen und das Original zu bleiben, Trends auszulösen, versuchte sich Anthrax den neuen Trends anzugleichen. Damit einhergehend war auch der Rausschmiss von Shouter Joey Belladonna und es folgte eine längere mehr oder weniger erfolglose Zeit mit dem Ersatz John Bush von Armored Saint. Der hatte durchaus auch seine Qualitäten, vor allem für die neue Ausrichtung des Sounds von Anthrax.

Die Band stand mehrere Mal kurz vor der Auflösung – vor allem auch wegen Problemen bei den Labels und Management. Neue Alben wurden teilweise gar nicht mehr promotet und wurden so zu Ladenhütern. Einer Pionierband des Thrash-Metals unwürdig. Anfang des neuen Jahrtausends musste man sich wieder mal aus einer ausweglosen Situation befreien, indem es eine Reunion-Tour mit Joey und  dem ebenfalls in den 90ern gefeuerten Leadgitarristen Dan Spitz gab. So konnte man sich damals aus dem damaligen Vertrag rausschwindeln, indem es eine Live-Scheibe mit dem klassischen Line-up gab. Dies führte zwar bei den älteren Fans wie mir zu Freudentränen, aber zu noch mehr Frust in der Band. Und verständlicherweise fand das John gar nicht cool.

Da man auch mit Joey nicht wirklich wieder happy wurde, stand Anthrax schlussendlich auch noch ohne Sänger da – bis Slipknots Corey Taylor der Band die mündliche Zusage gab, nebst seinen anderen Bands (Slipknot, Stone Sour) auch noch bei Anthrax einzusteigen. Das wäre dann wohl die definitive „Übernahme“ von Anthrax durch den Nu-Metal gewesen … doch in letzter Minute – einen Tag vor dem Start der Studioaufnahmen – pfiff das Plattlabel von Slipknot Corey zurück, weil sie aus finanziellen Gründen früher als geplant eine neue Scheibe von Slipknot forderten.

Nach langem hin und her und eher mittelmässigen Outputs und einem kurzen Gastspiel von Dan Nelson – mir persönlich passte die Stimme von ihm sehr gut zu Anthrax – holte man doch wieder Joey ins sinkende Schiff. Der liess sich wie immer nicht zwei Mal bitten und so kam im 2010 „Worship Music“ raus. Die Scheibe wurde sowohl von der Presse als auch von den Fans gut aufgenommen – für mich war es ein Schritt in die richtige Richtung, mehr noch nicht. Und so sprach man überall von einem Comeback – obwohl Anthrax ja nie wirklich weg waren – vor allem live waren und sind sie immer noch eine Wucht. Dazu halfen auch die Big4 Shows, bei denen Anthrax endlich wieder auf einer Stufe mit Metallica, Slayer und Megadeth stand. Dort wo sie immer hingehört haben.

Dementsprechend hoch sind die Erwartungen in die neueste Ausgabe der Thrash-Legenden: „For All Kings“. Und was man als Vorab-Single mit „Evil Twins“ hörte, steigerten sich dies nochmals. Für mich war „Evil Twins“ der beste neue Anthrax Song seit der Ausgabe von „Persistence Of Time“ mit diversen Klassikern drauf. Anthrax kam endlich im neuen Jahrtausend an – und mit ihnen die Trademarks der Band aus den 80ern, welche man vorher zu fest vernachlässigte und so den frühen Fans vor den Kopf stiess.

Und schon beim ersten Durchhören ist klar, „For All Kings“ erfüllt die Erwartungen weitgehendst. „Evil Twins“ mit seinen geilen Riffs sticht dabei zwar klar raus, dennoch hört man beim ersten Reinhören noch keine wirklichen Füller raus – aber auch keine weiteren ganz grossen Übersongs.

Für mich jedoch klar, dass ich mich bei einer neuen Anthrax Scheibe die viel verspricht, von Song zu Song mehrere Male durchackere und so reviewe.

Gestartet wird die neue Ära mit einem Tusch, gefolgt von Cellos wie zu „State Of Euphoria“-Zeiten. Ein episches Intro – Impaled – zu einer epischen Scheibe? Die Zeichen dazu stehen gut. Und mit dem folgenden Mosh-Stampfer „You Gotta Believe“ lacht mein Herz schon mal. Da sind die typischen Anthrax-Elemente voll enthalten. So muss sich Anthrax im 2016 anhören! Der Song ist ein 80er Anthrax Song in einem modernen Gewand. Einfach nur geil. Da sollte sicher kein Old Skul Fan was dran zu meckern haben.

Mit „Monster At The End“ folgt dann ein Mid-Tempo Stampfer der mich stark an „Die Alive“ – dem Tributesong an die verstorbenen Dimebag und Dio auf Worship Music und welcher in den letzten Jahren live immer auf der Setliste war. Ganz OK, auch wenn ich persönlich nicht so auf die Art von schleppenden Refrains stehe. Da kommt bald mal etwas Langeweile auf. Anthrax war ja immer Tempo mit Melodie. Genau mein Ding. Dennoch gilt es den Song zu entdecken, da im Mittelteil noch zusätzliche Riffs eingestreut wurden und vor allem auch ein hammerstarkes Solo vom neuen Leadgitarristen Jon Donais. Jon ersetzt Rob Caggiano, der sich 2013 von Anthrax verabschiedete, um sich aufs Produzieren zu konzentrieren.

Mit dem Titelsong zaubern Anthrax für mich schon wieder auf höherem Level. Geiles Soli auch hier – erinnert mich vom Stil her an Kirk Hammett. Gefällt. So auch das akustisch beginnende „Breathing Lightning“. Wieder ein sehr typischer Anthrax Song. Jetzt rede auch ich von einem Comeback. Das Comeback von Anthrax aus den 80ern! Bevor ich endgültig dem Mosh verfalle, lässt mich das eiminütige, akustische Zwischenteil „Breathing Out“ mal wieder tief Luft holen. Was genau die Aufgabe von diesem Song ist, ist mir nicht ganz schlüssig. Die Melodie und Chor hätten durchaus Potential zu mehr. So ist es doch irgendwie so etwas wie ein Füller – aber bei knapp 60 Minuten Spielzeit kriegt man aber so oder so viel Geboten fürs Geld. Drum lassen wir das mal so stehen und lassen uns vom Geschredder bei „Suzerain“ wieder stärker begeistern. Ziemlich heavy der Song, beim Tempo ist man jedoch eher wieder etwas langsamer unterwegs.

Tempo gibt dann aber das metronomartige Schlagzeug zu Beginn von „Evil Twin“ vor. Wie schon erwähnt, sicher eines der Highlights von For All Kings. Extrem geiles Riff und vor allem auch wieder mal ein schneller Refrain. Die sind mir wie schon erwähnt ansonsten ab und zu ein bisschen zu schleppend. Der Song hat für mich das Zeug zum Klassiker.

„Blood Eagle Wings“ hatte den Arbeitstitel „Epic“. Und das sagt eigentlich schon alles über den mit knapp 8 Minuten längsten Song auf dem Silberling. Der Song ist irgendwo bei „Blood“ von Persistence Of Time anzusiedeln. Ganz OK, aber ganz so episch ist die neue Version aus meiner Sicht doch nicht ausgefallen – bis auf das Solo, da darf der Neue sein Können eine Minute lang unter Beweis stellen. Fast gleich lang läuft der Song am Ende aus – das darf man ruhig wörtlich nehmen. Da fehlt etwas der Rahmen, der alles zusammenhält. Fliessend der Übergang zu „Defend Avenge“ – da merkt man beim Durchören beinahe nicht, dass ein neuer Song anfängt. OK, nicht der Brüller. Kein Song der gross hängenbleibt. Was auch ein bisschen auf „All Of Them Thieves“ zu trifft. Auch ganz OK, aber bei weitem kein neueres Highlight.

Ein Highlight ist für mich immer, wenn Frankie Bello seine geilen Bassläufe platziert und dies prominent am Anfang des Songs wie bei „The Battle Chose Us“. Aber ein Vergleich mit Übersongs wie „Caught In A Mosh“ oder „Got The Time“ hält dieser Song dann doch nicht annährend stand – da hilft auch die Temposteigerung im letzten Drittel nur bedingt.

„Zero Tolerance“ ist nach diesen drei, vier eher mittelmässigen Songs zuvor ein richtig geiler Abschluss. Endlich wieder mehr Tempo und Joe variiert hier mit seiner Stimme wieder mehr, schleppt sich auch nicht durch den Riff Wald, sondern gibt selber den Tarif an.

Fanzit: Anthrax sind definitiv zurück. For All Kings erfüllt die Erwartungen die Worship Music und auch die erste Single-Auskopplung Evil Twins geschürt haben. Wer Anthrax aus den 80ern lieben gelernt hat, fühlt sich hier so gut aufgehoben wie seit über 20 Jahren nicht mehr. Und sicher auch eine Scheibe, mit der Anthrax neue, jüngere Fans gewinnen können. Für mich als kritischen Fan definitiv ein sehr guter Start ins Jahr 2016 und For All Kings wird Ende Jahr in meiner Bestenliste enthalten sein.

Jetzt fehlt eigentlich nur noch eine längst überfällige Headliner-Tour, nachdem sie die letzten zwei Jahre „nur“ als Vorband von Slayer die Schweiz besuchten und im Juni dann auch wieder als Teil von Allmend Rockt mit Rammstein & Co.

Reinhören und Deluxe Edition (2CD) portofrei bestellen

›› Video Evil Twin

Trackliste For All Kings (Deluxe Edition 2CD)

CD1

  1. You Gotta Believe
  2. Monster At The End
  3. For All Kings
  4. Breathing Lightning
  5. Suzerain
  6. Evil Twin
  7. Blood Eagle Wings
  8. Defend/Avenge
  9. All Of Them Thieves
  10. This Battle Chose Us
  11. Zero Tolerance

CD2 (Bonus Live-CD)

  1. Fight ‘Em ‘Til You Can’t
  2. A.I.R.
  3. Caught In A Mosh
  4. Madhouse

Album Review Bewertung

Autor Bewertung: 9/10



Wie bewertet ihr dieses Album?

11.03.2016
Weitere Beiträge von