Blind Guardian – Reif für die Insel!
Seit über einem Jahr sind die Krefelder Blind Guardian unterwegs auf ihrer „Beyond the red Mirror“ Tour, auch in der Schweiz machten sie Halt. Im Mai 2016 startet der nächste Part, welcher die Band jetzt auch auf die Insel bringt – die Eroberung Englands steht auf dem Programm! Unterstützung gibt es dabei von den Schotten Gloryhammer. Moment mal – Blind Guardian UND Gloryhammer? Und man hört davon, dass die Deutschen XXL-Sets spielen sollen? Das schreit nach einem Trip ins Vereinigte Königreich! In the Name of Metal(inside) mach ich mich also auf nach Glasgow – bereit für epische Schlachten!
Dienstag, 17. Mai 2016
QMU, Glasgow
Es ist früh am Morgen. Verdammt früh. Aber irgendwie ist das egal, denn es lockt ein Trip in die schottische Hauptstadt Glasgow für ein historisches Ereignis – welches ich mir aber in dieser frühen Stunde gar nicht bewusst bin… Kaffee am Flughafen, ab in den Flieger – und da quatscht mich doch glatt einer an: „So Kaufi, jetzt geht’s los!“ Eigentlich hätte ich erwartet, dass Angus McFife resp. Thomas Winkler längstens bei seinen Gloryhammer Kumpels ist – dem ist nicht so, der Sänger reist also recht knapp auf den Tourstart hin an. In Düsseldorf trifft auch noch Nisa Nesaja, die Freundin von James Cartwright und Merchandiserin dazu, sodass wir uns nach der Ankunft in Glasgow grad zu Dritt ein Taxi in die Venue schnappen können. Da werde ich auch bereits mit einem Fotopass ausgerüstet, danach geht’s mal ins Hotel und ins Hardrock Cafe.
Nach einem längeren Fussmarsch, teilweise durch ekelhaften Nieselregen und über unnötige Umwege (man kann ja den Stadtplan auch im Hotel zurücklassen…), finde ich dann den Club doch noch. Pass sei dank darf ich bereits rein ins Trockene und erlebe somit noch den Soundcheck von Gloryhammer. Allerdings sieht mir Chris Bowes an den Keyboards etwas stark verändert aus… Des Rätsels Lösung: Chris weilt in Amerika und wird auf dieser Tour ersetzt.
Mit einem Bier wird jetzt mal der eher kleine Laden erkundet. Eine breite Bühne, aber ein eher kleiner Zuschauerraum: Hinter dem Mischpult ist bereits Schluss, da findet sich nur noch ein Durchgang und die Merchandise Stände. Dafür gibt’s einen Balkon mit Sitzplätzen. Wer die dann während der Show zu Stehplätzen umwandeln will, wird von der Security sehr rasch auf die richtige Nutzung hingewiesen…!
Apropos Merchandise: die Preise für T-Shirts sind mit 25 £ (etwa 37.- SFr) erstaunlich hoch, zumal man vor allem von Blind Guardian eigentlich anderes kennt. Hochpreisinsel UK…?
Die Pforten öffnen sich, das Volk strömt herein und nicht wenige laufen mit Shirts der Supportband Gloryhammer herum. Angenehm früh – nämlich bereits um 19.10h – entern Gloryhammer die Bühne unter grossem Jubel, so gegen 400 Leute dürften sich mittlerweile im QMU befinden. Eine Aufwärmphase scheint nicht vonnöten zu sein, bereits der Opener „Rise of the Chaos Wizards“ tönt tiptop. Kleine Pannen gibt’s zwar, so geht genau vor „The Hollywood Hootsman“ der Bassgurt von James Cartwright kauptt. Doch die Band wie auch das Publikum nimmt das mit Humor, passt auch besser dazu und tut der Stimmung keinen Abbruch. „Universe of Fire“ tönt live einfach massiv besser als auf Konserve und „Unicorn Invasion of Dundee“ bildet einen furiosen Schlusspunkt. Die Krönung des Königs findet dann allerdings nur mit einer fiktiven Krone statt, nach knapp 40 Minuten ist der Arbeitstag für Angus McFife und seine ausserirdische Crew vorbei.
Manch ein Headliner hätte jetzt vielleicht das eine oder andere graue Haar bekommen ob diesem Anheizer. Aber nicht Blind Guradian. Denn was jetzt folgt ist der schiere Wahnsinn! Und eine Premiere – die Deutschen treten heute offenbar wirklich das allererste Mal in ihrer über 30-jährigen Karriere auf eine schottische Bühne! Der Club ist mittlerweile proppenvoll, selbst auf dem Balkon gibt’s kaum mehr Platz und bereits der Opener „The ninth Wave“ wird abgefeiert wie nur was. Ehrlich, eine solche Stimmung hab ich noch selten erlebt und bei Blind Guardian noch gar nie! Die Schotten sind giggerig auf Guardian und umgekehrt geniessen es Hansi Kürsch & Co sichtlich, hier zu sein. Und sie machen’s dem Publikum auch einfach – eine Setlist wie ein Traum! Wer eine Nummer wie „Time stands still (at the Iron Hill)“ als zweiten Song raushauen kann, der gewinnt einfach. Ein Querschnitt durch die Bandgeschichte wird geboten, „Fly“ hat seinen festen Platz im Programm, genauso wie „Nightfall“ oder „Prophecies“. Das Publikum dreht völlig am Rad, Moshpits und auch einige Crowdsurfer – Bilder, die man an BG Konzerten eigentlich nicht so kennt. Doch auch sonst gibt es Hühnerhautmomente im Multipack. Das Publikum singt „Lord of the Rings“ und es ist laut. Richtig laut! Dazwischen immer und immer wieder „Guardian! Guardian!“ Sprechchöre, welche die Band sichtlich beeindrucken und freuen.
Doch nach gerade mal 75 Minuten und einem hammermässigen „Imaginations from the other Side“ verabscheiden sich die Krefelder von der Bühne. Naja – ein erstes Mal wenigstens. Der erste Zugabenblock beinhaltet das grossartige „Sacred Worlds“ und das ultraschnelle „Majesty“, doch dann nimmt das Publikum wieder das Heft in die Hand und beginnt mit „Valhalla“. Und zwar OHNE ein Zeichen oder eine Andeutung von Seiten der Band! Denn die Jungs stehen einfach nur da und schauen staunend und fast ungläubig auf das, was da im Publikum abgeht! Selbstredend wird also „Valhalla“ zu einem weiteren Höhepunkt der Show.
Mittlerweile sind über eineinhalb Stunden vergangen, doch das reicht noch lange nicht. Die Fans fordern lauthals noch nach mehr. Erneut sehr beeindruckend, wenn man bedenkt, wie lahm die Crowd auf dem Festland oftmals daherkommt…
Als das Intro „War of Wrath“ ertönt, geht das im Jubel fast unter, „Into the Storm“ aktiviert die nächsten Crowdsurfer. Die Sangeskünste können die geschätzen 800 Nasen erneut unter Beweis stellen: „The Bard’s Song (In the Forest)“ ist unverzichtbar. Doch direkt im Anschluss stehen die Musiker erneut nur staunend auf der Bühne: das Publikum stimmt von sich aus „Mirror Mirror“ an! Unglaubliche Bilder, sowas hab ich noch nie gesehen! Zwei, drei Minuten lang schauen und staunen Blind Guardian einfach darüber, was hier abgeht – bevor dann Hansi endlich auch „MIRROR MIRROR ON THE WALL“ schreit. Besser geht kaum noch, und die Schotten feiern, als ob es kein Morgen mehr gäbe. Der überwältigende Applaus zum Ende bewegt Blind Guardian sogar dazu, dieses Ende nochmals zu verschieben – und schiebt als nicht geplante Zugabe noch „Barbara Ann“ hinterher! Wann hat es das schon mal gegeben??
Nach weit über zwei Stunden ist der Spuk endgültig vorbei und Blind Guardian’s Debut in Schottland kann man guten Gewissens als „gelungen“ betrachten. Man darf auch „legendär“ sagen… Und mein Fanzit nach meinem ersten Metalkonzert auf der Insel: SO muss es sein! SO und nicht anders! EINE Top Vorgruppe (gut, etwas mehr Spielzeit wäre hier noch wünschenswert gewesen, aber ok…), dazu ein Headliner, der deutlich mehr liefert als nur die obligaten 90 Minuten. Und trotzdem ist der Anlass bereits um 22.30h zu Ende, man kommt also auch noch zu einer anständigen Zeit heim oder ins Hotel. Da freu ich mich doch bereits auf den nächsten Tag und bin gespannt, wie es in Manchester sein wird. Aber erst mal noch ein Absacker an der Hotelbar…
Mittwoch, 18. Mai 2016
O2 Ritz, Manchester
Zugfahren auf den britischen Inseln soll nicht so das Gelbe vom Ei sein. Hört man. Vor allem, wenn man mit der Schweiz vergleicht. Doch ich kann nicht klagen: mein Intercity (oder was immer das auch ist) ist bei Abfahrt in Glasgow wie auch bei Ankunft in Manchester pünktlich wie die SBB. Und unterwegs staune ich über die schottische Landschaft, die manchmal nur aus Wiesen und Schafen, tausenden und abertausenden von Schafen!, zu bestehen scheint. Da ist Manchester der pure Kontrast: eine typische Grossstadt, viel Verkehr, viel Lärm, viele Leute, viel Hektik, viel Dreck. Defintiv kein Ort, an dem ich Ferien machen würde. Aber deswegen bin ich ja auch nicht hier… Also: Standardprogramm – Hotel, Hardrock Cafe und ab in die Venue.
Vor dem äusserst zentral gelegenen Club hat sich bereits eine stattliche Schlange gebildet und auch heute sieht man schon einige Gloryhammer-Shirt-Träger. Das O2 Ritz ist deutlich grösser als das QMU am Vorabend, die Kapazität beträgt (inklusive Balkon) über 1‘600 Plätze. Doch der Balkon ist geschlossen und gemäss Security sind etwa 600 Tickets verkauft worden. Erstaunlich und überraschend wenig, wenn man bedenkt, dass Blind Guardian sich auf der Insel lange Zeit recht rar gemacht haben…
Barned Courbois, der Bassist von Blind Guardian, läuft mir über den Weg und bei einem Bierchen (also für mich…) philosophieren wir über Metal, Metal und noch mehr Metal, Lemmy, Gloryhammer, 70‘000 Tons of Metal, Blind Guardian Setlists, das Z7 – und dann erhalte ich das erste Mal einen Augenzeugenbericht vom legendären Rockpop in Concert 1983 in Dortmund! Barned ist die erste Person, die ich getroffen habe, die da livehaftig dabei war… Und ansonsten zeigt sich der Holländer ebenfalls sehr beeindruckt vom Publikum des Vorabends und ist gespannt, was Manchester diesbezüglich heute zu bieten hat.
Wie auch in Glasgow beginnt das Konzert kurz nach 19 Uhr. An gewisse britische Dinge könnte ich mich also gewöhnen. Gloryhammer räumen auch heute gnadenlos ab und die ganze Show ist noch einen Tick besser als Tags zuvor. Ganz ohne kleine Pannen geht’s zwar auch heute nicht, so verliert Thomas zweimal beinahe seinen Sender an seinen galaktischen Hosen… Aber auch das nimmt man selbstredend wieder mit Humor.
Der Hootsman ist bekanntlich jetzt der König von Kalifornien und genehmigt sich unter grossem Jubel erstmal ein Bier. Oder Cider. Oder was auch immer das sein mag. Die Dose leer, die letzten Tropfen im gezöpfelten Bart – da fordert das Publikum lauthals „ONE MORE BEER! ONE MORE BEER!“. Da scheint sich ein gewisses deutsches Phanömen auch England zu übertragen… James komentiert das mit einem „ah, why not?“ und haut die nächste Dose weg. HOOTS!
Das Programm von Gloryhammer ist ansonsten identisch mit dem Vorabend, dem Publikum gefällts, die Spielzeit ist zu knapp – alles also wie gehabt. Allerdings leidet die Band heute etwas unter dem eher bescheidenen Licht. Obwohl ich die Erlaubnis habe, die ganze Show zu fotografieren (Danke Thomas!), ist es verdammt schwer, einigermassen akzeptable Bilder auf den Chip zu bringen. Die Headliner haben da lichtmässig halt immer noch ganz andere Möglichkeiten, das ist klar.
Aber ansonsten wird eine weitere epische Schlacht gewonnen und zufriedene Gesichter auf beiden Seiten der Bühne sind der Lohn dafür!
Als um 20.10h die Lichter für Blind Guardian ausgehen und das Intro von „The Ninth Wave“ beginnt, jubelt die relativ kleine Crowd. Aber eben: hier ist bereits das Problem – im Vergleich zu Glasgow ist die Stimmung deutlich schwächer. Irgendwie hab ich zudem das Gefühl, dass auch der Sound nicht optimal ist. Und auch wenn es an der Performance der Band rein gar nichts auszusetzen gibt, so dauert es recht lange, bis der Laden richtig angeheizt ist. Erst ab „The Last Candle“ wird es gut, sehr gut, so wie erwartet. Endlich feiert auch das Publikum richtig mit und macht „Imaginations from the other Side“ zum bislang grössten Highlight.
Barned hat mir vor der Show gesagt, dass sie die Setlists jeden Abend anpassen. Da die ersten 11 Songs identisch sind, müssen es heute also die Zugaben richten. Insgeheim hoffe ich natürlich auf „Wheels of time“, aber der kommt leider erst später auf der Tour zum Zug. Und so bleibt dies die einzige Änderung: „Majesty“ fliegt raus und dafür ist „The Script for my Requiem“ angesagt. Ein weiterer Song von IFTOS, das ist natürlich perfekt! Denn von diesem Album kann man gar nicht genug spielen…
Während die Fans die letzten Zugaben fordern, staune ich über einzelne Individuen, die sich hier rumtreiben. Ein Typ im Mambo Kurt T-Shirt stoplert herum, und das Girl mit dem Amon Amarth Shirt und der Hello Kitty Tasche wirkt auch irgendwie lächerlich. Aber andererseits haben die Briten ja auch beispielsweise beim Essen komische Kombinationen und das Bier trinken sie lauwarm. Na gut…
Zurück zur Musik: da wird es bei den letzten drei Nummern („Into the Storm“, „The Bard’s Song (In the Forest)“, „Mirror Mirror“) jetzt nochmals richtig laut und Manchester liefert einen versöhnlichen Abschluss. Dennoch ist die Show trotz fast identischer Setlist fast 15 Minuten kürzer als im QMU – was die Qualität der Schotten nochmals deutlich unterstreicht! Aber zu sagen, dass Manchester schlecht war, das wäre verfehlt, denn vor allem gegen das Ende hin ist auch hier die Stimmung wesentlich besser, als wohl während vielen Konzerten auf dem Festland!
Zwei aussergewöhnliche Konzerte an für mich neuen Orten sind vorbei, der Trip hat sich zweifellos gelohnt! Und so verabschiede ich mich von den Gloryhammer Jungs, die immer mal wieder am Merchstand auftauchten und Autogramme gaben, und freu mich auf die nächsten Shows. Während sich der Tourtross nach Irland weiter zieht, gibt’s für mich „noch ein Bier“ im Hotel…
Besten Dank an dieser Stelle an Thomas Winkler für die Unterstützung! HOOTS!