Olympiastadion München
Fr–So, 27.–29. Mai 2016

Rockavaria – Iron Maiden, Nightwish, Sabaton, Slayer

Olympiastadion (München, DE)
/ 19.06.2016
Olympiastadion München

Eigentlich ist es fast eine Seuche: jedes Jahr gibt es irgendwo immer wieder ein neues Festival, und noch eins und grad nochmal eins. Der geneigte Fan hat die Qual der Wahl, doch irgendwie gibt es diesbezüglich langsam einen Overkill. Und da kommt München und stampft im Jahr 2015 das Rockavaria aus dem Boden, welches mit Metallica, Kiss, Judas Priest, Muse, Airbourne, Limp Bizkit, Accept, Kreator und Within Temptation Hochkaräter im Multipack anbietet. Alles verpackt in der wunderschönen Olympia Anlage. Die Organisation soll auch erstklassig gewesen sein – demzufolge mal schauen, was die Neuauflage 2016 also so bringen mag!

Die Wahl der Headliner: Iron Maiden sind die beste Band der Welt, die können alles und überall headlinen. Nightwish sind längstens dem Clublevel entwachsen und sind ebenfalls fähig, die Headlinerposition auszufüllen. Iggy Pop ist meiner Ansicht nach das einzige Fragezeichen, aber ich kann ehrlich gesagt nicht abschätzen, wieviel Volk der nicht mehr ganz junge Punk anzuziehen vermag.

Heftige Kritik in den sozialen Medien gab’s dafür sonst noch im Vorfeld. Nicht nur bezüglich der Wahl der Main Acts. Denn vor allem die Ankündigung, dass ein FILM gezeigt werden soll, sorgte für Unmut. Ja, diese Kritik kann ich sogar nachvollziehen. Nicht jedoch die Kritik über das übrige Billing. Zugegeben: für Fans mit einem etwas selektiven Geschmack (damit meine ich mich…) ist es nicht gerade das Gelbe vom Ei. Doch Namen wie Slayer, Anthrax, Sabaton, In Extremo, Apocalyptica, Powerwolf, Gotthard, Sodom oder Ghost sind alles andere als Platzhalter! Da insgesamt also doch ein paar meiner Alltime Faves hier am Start sind und die Aussicht auf ein paar feuchtfröhliche Tage mit guten Kumpels, ist das schlussendlich Grund genug für eine Fahrt in die süddeutsche Metropole!

Freitag, 27. Mai

Schönes Wetter und angenehm warme Temparaturen herrschen, als wir nach dem Mittag auf das Gelände kommen. Naja – noch nicht ganz: Bändel abholen, dann in den Biergarten, bis die Türen aufgehen. Das Olympiastadion ist schon verdammt gross. Zwei Bühnen stehen nebeneinander und davor hat es Platz für mehrere zehntausen Fans – da sind die Sitzplätze im weiten Rund nicht mal eingerechnet. Zwei Wellenbrecher sorgen dafür, dass es auch wenn’s richtig voll werden sollte, nicht ein allzu grosses Gedränge gibt. Die Infrastruktur ist wirklich erste Sahne, einziger Wermutstropfen: wer auf’s Klo muss, darf 83 Stufen aufsteigen, nur um dann die 83 Stufen wieder hinunter zu den Bühnen zu gehen. Auch dass man nur von einer Seite her in den Innenbereich kommt, ist etwas unglücklich.

Aber ansonsten gibt’s unten Bier- und Cocktailstände wie auch kleine Dinge zum Futtern. Ausserhalb des Stadions sind Merchandise und Foodstände, und ganz draussen gibt‘s noch mehr Essen und Trinken, dazu viele grüne Stellen, wo man sich einfach mal hinlegen und relaxen kann.

Preislich ist das eher an der oberen Grenze, 4.50 Euro für ein Bier sind genug – wobei man sagen darf, dass es wenigstens wirklich gutes Bier ist! Wenn ich da ans BYH denke… Bier- und Caipirinha Verkäufer wandern auch durch’s Publikum, doch dieser Service kostet offenbar: hier kostet der Becher Gerstensaft dann 5 Euro! Naja – das kann man so oder so sehen…

J.B.O.

Den musikalischen Startschuss geben die „Spassmetaller“ von J.B.O. Die Bühne in pink, die Musiker in pink – und ich schüttle nur den Kopf. Musik ist ja Geschmacksache. Wer’s braucht – bitte schön. Ich find’s schlimm, fürchterlich. Und die Kollegen, die J.B.O. innhaltlich mit der E.A.V. vergleichen, haben nichts kapiert! Ich verzieh mich zur anderen Bühne und warte sehnsüchtig auf die heilige Messe…

Powerwolf

In der brütenden Nachmittagssonne entern Powerwolf die Bühne und die Saarländer werden frenetisch begrüsst. Die ganze Show verliert unter diesen extremen Lichtbedingungen (die Sonne scheint frontal auf die Bühne!) etwas von ihrem Zauber, doch das machen Attila Dorn, Matthew Greywolf, Charles Greywolf, Falk Maria Schlegel und Roel van Helden mit der altbekannten Spielfreude wett. Ich frag mich allerdings, ob die Herren heute eine extra Ladung Schminke aufgelegt haben, denn bei der Hitze müsste das Zeugs ja nach fünf Minuten schon verlaufen sein. Doch nein: Die Schminke hält bis zum Ende!

Die Setlist bietet einen Querschnitt durch das Repetorie der Band, Altes und Neues wird dargeboten, durch die kurze Spielzeit fehlen dann zwar ein paar Perlen, aber das ist ja auch logisch. Attila fasst sich auch bei seinen Ansagen eher kurz, die Geschichte mit dem Bienenstich als Einleitung zu „Resurrection by Erection“ ist schnell erzählt, und auch die „Teilung des Publikums wie Moses das Meer“ geht heute ratzfatz. Musik ist Trumpf, und da stechen vor allem „Army of the Night“ und „Werewolves of Armenia“ heraus, welche von der erstaunlich grossen Anzahl Fans gefeiert werden. Völlig ohne Firlefanz und ohne „Lupus Dei“ beendet „We drink your Blood“ die knapp 50-minütige Messe. Für die Darbietung der Wölfe: beide Daumen hoch! Und an die Veranstalter: eine solche Band gehört nicht bereits vor 17h und für läppische 50 Minuten auf die Bühne, das ist viel zu früh und viel zu kurz…!

Setlist Powerwolf

  1. Blessed & Possessed
  2. Coleus Sanctus
  3. Amen & Attack
  4. Army of the Night
  5. Resurrection by Erection
  6. Armata Strigoi
  7. Let there be Night
  8. Werewolves of Armenia
  9. We drink your Blood

Direkt im Anschluss starten die Suicidal Tendencies ihr Programm. Man hört im Nachhinein, dass die Amis mit ihrem Hardcore mächtig abgeräumt haben. Ich hab hingegen die 83 Stufen in Angriff genommen und mich mal im Grünen etwas erholt…

In Extremo

In Extremo gehören bekanntlich nun auch nicht gerade zu meinen Lieblingsbands, um es mal vorsichtig auszudrücken. Doch ich geb zu, dass sie wohl schon einen verdammt guten Job machen. Das Bühnenbild mit Schiff sieht imposant aus, die Flammenwerfer spucken meterhohe Feuersäulen und die Musiker wissen, was sie tun. Zur Krönung gibt’s noch einen neuen Song vom nächsten Album („Sternhagelvoll“) und sonst bieten die Ostdeutschen den Fans wohl das, was die auch erwarten. Meine Wenigkeit erwartet jedoch etwas anderes, nämlich den Headliner…

Nightwish

Ich hab es angetönt: es gab Kritiker im Vorfeld, die Nightwish den Headliner Status „aberkennen“ wollten. Zugegeben: was jetzt folgt ist meine Sicht als riesiger Nightwish Fan. Aber selbst all die Nörgeler müssen heute Abend zugeben, dass die Finnen wahrlich Main Event tauglich sind! Untermalt von massenhaft Pyros startet die Show mit „Shudder before the Beautiful“, dem Opener des aktuellen Albums „Endless Forms most beautiful“, die Flammenwerfer haben beim anschliessenden „Yours is an empty Hope“ Hochbetrieb. Floor Jansen überrascht mit einem speziellen Outfit, irgendwie sieht das schon recht „ausserirdisch“ aus. Stimmlich ist die Dame in Bestform und wenn sie gerade mal nicht singt, propellert sie ihre Haare – da dürfte manch gestandener Metaller vor Neid erblassen! Ebenfalls äusserst sympathisch: Floor macht einige Ansagen auf Deutsch, das kommt beim Publikum natürlich auch gut an.

Schon im November, als Nightwish in Basel spielten, war ich von der gigantischen Show sehr beeindruckt. Doch auf einer grossen Outdoor Bühne geht offensichtlich noch mehr… Die Videoanimationen im Hintergrund sind schlicht grossartig und auch die Pyroshow wird gegenüber der Hallentour nochmals aufgestockt. Flammenwerfer, die in alle erdenklichen Richtungen Feuer speien („I want my Tears back!“), sprühende Funken von unten und von oben, bengalische Feuer – hier wird wirklich aus dem Vollen geschöpft!

Doch auch die Setlist treibt einem die Freudentränen in die Augen. Ja – die alte Fraktion, die nach wie vor Tarja nachtrauert, ist wohl nicht so zufrieden. Aus dieser Ära gibt es mit dem unverzichtbaren „Nemo“ und dem Übersong „Ghost Love Score“ nur zwei Perlen zu hören. Floor hinterlässt hier übrigens einen fantastischen Eindruck! Doch daneben stehen die letzten drei Alben im Fokus. Vom insgesamt eher durchzogenen Werk „Imaginerium“ gibt’s die drei Topsongs („Storytime“, Last Ride of the Day“ und das bereits erwähnte „I want my Tears back“), von „Dark Passion Play“ ist mit „Sahara“ dann nur eine Nummer dabei, doch die wirkt speziell auch wegen den Videoanimationen sensationell. Der Rest ist von der aktuellen Scheibe. Nun kann man sagen, dass dies vielleicht nicht gerade eine typische Festival Setlist ist. Stimmt – und auch mir sind richtige Best-of Sets an solchen Anlässen irgendwie lieber. Aber „Endless Forms most beautiful“ ist halt schon dermassen stark, dass ich in diesem Fall restlos zufrieden bin. Das einzige Fragezeichen zu dieser Show: Warum nutzt die Band die gegebene Spielzeit nicht aus? Pünktlich um 21.30h ist Beginn, doch bereits um 22.50h (und somit zehn Minuten zu früh)  gehen die Flutlichter an und die Band verschwindet von der Bühne. Dennoch, der Abschied hat Stil: „The greatest Show on Earth“! Dass die Finnen dieses Monumentalwerk auch auf den Open Airs spielen, überrascht mich dann schon. Im positiven Sinn – denn ich bin kurz vor dem Durchdrehen und hab Freudentränen in den Augen. Das ist einfach nur geil! Die Videos, die Pyros und dann das simple und dennoch überaus effektive „WE WERE HERE!“ – Wahnsinn, einfach Wahnsinn! Und was für ein Abschluss des Konzerts – besser geht nicht. Nochmals: wer hat gesagt, dass Nightwish nicht Headliner-tauglich sind? Ah, niemand??

Fanzit: Nightwish legen die Messlatte für alles, was an diesen Tagen noch kommen wird, in schwindelerregende Höhen! Und ich bin wirklich sehr, sehr gespannt, ob und wie Iron Maiden dies toppen wollen…

Setlist Nightwish

  1. Shudder before the Beautiful
  2. Yours is an empty Hope
  3. Storytime
  4. My Walden
  5. Elan
  6. Weak Fantasy
  7. Sahara
  8. I want my Tears back
  9. Nemo
  10. Ghost Love Score
  11. Last Ride of the Day
  12. The greatest Show on Earth

Samstag, 28. Mai 2016

Zugegeben: das Billing des diesjährigen Rockavaria hat durchaus seine Schwächen. Der Samstag ist weder für mich noch für unsere gesamte Truppe wahnsinng aufregend. Mit einer Ausnahme: die beste Band der Schweiz ist am Start! Nein Pam, nicht Eluveitie… Währenddem da plötzlich Tropfen vom Himmel fallen, mach ich mich auf ins Olympiastadion. Dort scheint wieder die Sonne, es ist herrlich warm und auf der ersten Hauptbühne hat die Amerikanisch-Schottische Band Garbage ihren Auftritt begonnen. Musikalisch gibt es zwar zwei, drei Momente, die mich aufhorchen lassen, doch die Sängerin Shirley Manson sammelt mit Aussagen wie „Fuck the Sun!“  bei mir als Sonnenanbeter keine Pluspunkte. Und auch sonst geht mir das Gefluche der Dame ziemlich auf den Zeiger, sie alleine braucht den gesamten Festivalvorrat des Wortes „Motherf****r“ innert knapp einer Stunde auf. Naja…

Gotthard

Derweil wird es bereits richtig voll vor dem Wellenbrecher. Viele, sogar sehr viele Leute präsentieren ihre Gotthard Shirts und ich weiss jetzt schon, dass dies die mit Abstand grösste Crowd sein wird, bei der ich die Tessiner erlebe! Das Bühnenbild mit dem Ami-Schlitten als Drumkit ist altbekannt, als Nic Maeder, Leo Leoni, Freddy Scherrer, Marc Lynn, Ernesto Ghezzi und Hena Habegger mit „Bang!“ in die brütende Sonne heraustreten. Vor allem Hena kann einem leid tun: der trommelt sich eins ab und hat keine Chance auf irgendeine Spur von Schatten!

Die Band freut sich über den grandiosen Empfang der zig Tausend Fans, speziell Leo kriegt sein Grinsen wieder mal kaum aus dem Gesicht. Nic hingegen dirigiert Band und Publikum, macht Spässchen und singt dazu wie ein Gott. Dem Festival angepasst drücken die Schweizer hier erfreulicherweise richtig auf’s Härtepedal, mein vom Vorabend bereits angeknackter Nacken (man ist ja nicht mehr 20…) findet das Headbangen nicht allzu komisch. Egal ob „Get up’n‘ move on“ , das göttliche „Sister Moon“ oder „Master of Illusion“ – Gotthard zeigen einmal mehr eindrücklich, dass sie weit weg von irgendwelchem Weichspüler Sound sind! Und speziell „Right on“ findet mein Nacken nun überhaupt nicht mehr komisch…

Klar, Gotthard haben über all die Jahre auch eine geballte Ladung toller Balladen geschrieben. Heute bauen sie auch tatsächlich noch etwas Ruhiges ein. Allerdings nicht etwa einen Überhit der Marke „Heaven“ oder „One Life, one Soul“, sondern das kurze „The Call“ sorgt für etwas Entspannung. Und mit „Remember it’s me“ geht’s nicht gleich wieder in die Vollen. Allerdings bricht hier die Stimmung im Publikum merklich ein, und es dauert einen Moment, bis Gotthard die x-Tausend Fans wieder aufgeweckt haben. Doch spätestens bei „Starlight“ ist alles wieder ok, singen und feiern ist angesagt. Und Bangen… Mein Nacken…

Der vorläufige Höhepunkt ist bei „Hush“ erreicht. Ehrlich gesagt wär’s mir recht, wenn Gotthard diese Nummer mal aus der Setlist kippen würden. Und am besten grad mit „Firedance“ ersetzen… aber ich geb zu, dass dies ein Song ist, bei dem die Fans wirklich ausrasten. Und insofern ist es aus Bandsicht dann wohl doch richtig, dass sie dieses Cover spielen…

Das Package „Lift u up“ und „Anytime, anywhere“ beendet eine Stunde Hardrock der obersten Güteklasse. Die Fans sind begeistert, die Band ist begeistert und die „Zugabe! Zugabe!“ Rufe sind fast ohrenbetäubend! Der Band sieht man an, dass sie gerne noch einen draufsetzen würden, aber sie werden da von den Veranwortlichen sehr bestimmt von der Bühne gewinkt. Schade!

Und während auf der anderen Bühne jetzt die nächste Band beginnt, nehmen hunderte, nein: tausende Zuschauer die 83 Stufen unter die Füsse und verlassen das Stadion. Mit dem Wissen, dass Gotthard auch heute wieder gezeigt haben, dass SIE die beste Band der Schweiz sind! Und damit weiss ich, dass Pam mir erneut das Geburtstagsgeschenk streicht…

Setlist Gotthard

  1. Let me in, Katie (Intro)
  2. Bang!
  3. Get up’n’move on
  4. Sister Moon
  5. Right on
  6. Master of Illusion
  7. Feel what I feel
  8. The Call
  9. Remember it’s me
  10. What you get
  11. Starlight
  12. Hush
  13. Lift u up
  14. Anytime, anywhere

Den Rest des Samstags lass ich sausen, ein Film als Co-Headliner und Iggy Pop müssen nicht sein, da geh ich doch lieber mit meiner Frau ins Hardrock Café, da ist das bessere Programm…

Sonntag, 29. Mai 2016

Wenn man das Programm neutral betrachtet, dann ist das Billing am Sonntag wahrlich nicht von schlechten Eltern. Zugegeben: ich bin nicht ganz neutral, der Nachmittag ist nicht so meins. Aber ich kämpfe mich durch…

Tremonti

Tremonti ist der erste Act, den ich zu sehen bekomme. Der Alter Bridge Gitarrist ist hier mit seiner Solo Band am Start. Die Kollegen finden das alles grossartig – nur ich kann mit diesem Sound nix anfangen.

Anthrax

So. Und auch das Weihnachtsgeschenk von Pam kann ich mir abschminken. Anthrax kommen auf die Bühne. Und ob wohl ich mit „Got  the Time“ sogar einen Song erkenne – mit den New Yorkern werd ich einfach nicht warm. Mich zieht’s zum Bierstand und dann bald auf die Tribüne. Denn auf den grossen Videoscreens werden die Zuschauer vor einem Unwetter gewarnt und sogar gebeten, sich auf die gedeckten Tribünen zu begeben! Der Auftritt von Anthrax leidet sichtlich darunter, denn es sind viele Leute, die einem allfälligen Hagelsturm aus dem Weg gehen wollen. Die Ordner bei den Tribünen sind zudem sichtlich nervös, klar – für sie ist das eine Extremsituation. Aber ich will mir nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn der Hagelsturm WIRKLICH über’s Olympiastadion gezogen wäre… Ich zweifle, dass dann alles immer noch so entspannt abgelaufen wäre…

Setlist Anthrax

  1. Caught in a Mosh
  2. Got the Time
  3. Antisocial
  4. Fight em til you can’t
  5. Evil Twin
  6. Breathing Lightning
  7. Indians

Ghost

Anthrax beenden ihren Auftritt nach etwa 40 Minuten einiges zu früh, dies dürfte jedoch wohl einen Zusammenhang mit dem Wetterumschwung haben. Auf der kleinen Seebühne wird das Programm zudem unterbrochen, doch auf den beiden Main Stages geht es fast planmässig weiter. Von einem gedeckten Sitzplatz aus sehe ich Ghost. Eine Horde Musiker mit Teufelsmasken, die ihre Identität noch geheimer halten als früher Kiss? Ein Sänger, der geschminkt ist wie ein Totenkopf und dazu im Frack mit weissen Handschuhen herumrennt? Really? REALLY? Nun – wenn die Musik stimmen würde, dann kann man über vieles hinwegsehen. Doch in diesem Fall ist auch hier Fehlanzeige. Nein, sowas halte ich kaum aus. Einzige Lösung: Bierstand!

Slayer

So, und jetzt werde ich mir wohl viele Feinde schaffen. Aber es gibt gewisse Dinge, die ich im Leben niemals verstehen werde. Zum Beispiel: wie kann man Slayer gut finden? Zugegeben, ich bin nicht der grosse Thrash-Fan. Aber Metallica, Death Angel oder Heathen finden durchaus den Zugang zu meinen Ohren. Aber Slayer? C’mon man… Eine Stunde sitze ich da und hör mir das immer gleiche Gebolze und Geschrei an. Ein Song tönt wie der andere. Zwischendurch mache ich gar ein Nickerchen… Die einzige Auflockerung ist das Intro zu „Hell awaits“, das erkenne ich sogar. Und sonst? Mein erster Slayer Gig – und hoffentlich mein letzter. Ich weiss, dass einige wohl anderer Meinung sind – aber ich verstehe nicht, wieso da tatsächlich zehntausende Leute die Band abfeiern…

Setlist Slayer

  1. Repentless
  2. DiscipleMandatory
  3. Suicide
  4. You against you
  5. Hate worldwide
  6. War Ensemble
  7. Postmortem
  8. Raining Blood
  9. Dead Skin Mask
  10. Hell awaits
  11. South of Heaven
  12. Angel of Death

Sabaton

Das Unwetter scheint vorbei, doch der Regen kommt. Und mit ihm die schwedische Kriegsmaschine Sabaton. Oder umgekehrt… Pünktlich zum „Final Countdown“ beginnt’s zu regnen. Aber so richtig! Einige tausend Fans lassen sich deshalb trotzdem nicht in die Flucht schlagen und starten eine Party – aber erstaunlich viele verlassen sogar ihre Plätze vor den Wellenbrechern.

Sabaton hingegen ziehen alle Register, Audie thront auf der Bühne, Flammenwerfer spucken Feuer und Pyros werden fast im Minutentakt abgeschossen. Neuerdings sogar mit Geschützen vom Bühnenrand aus… Stimmungsmässig leidet die Show unter dem schlechten Wetter, keine Frage. Ich mag mir nicht vorstellen, wie sehr das Publikum am Rad gedreht hätte, wenn die Umstände anders gewesen wären… Dennoch: die Fans, die dem Wetter trotzen, kriegen genau das geboten, was man von Sabaton erwartet! Nicht mehr und nicht weniger! Thobbe spielt „Swedish Pagans“ an. Joakim trinkt zweimal „Noch ein Bier“, ansonsten verzichtet er auf grossartige Reden, sondern lässt die Musik sprechen. „Gott mit uns“ in der „Noch ein Bier“-Version wird von Chris und Thobbe gesungen, „Soldier of three Armies“ wird mit massenhaft Pyros untermalt und „The Art of War“ ist einmal mehr wohl DER Höhepunkt.

Joke ist zudem begeistert ab den Fans, die trotz der Dauerbewässerung weiterhin Gas geben und meint, dass in Schweden keine Sau bei diesem Regen rausgehen würde. „We’re not Swedish Pagans – we’re Swedish Pussies!“.

Nachdem ich in der zweiten Reihe zusätzlich auch vom Bühnendach her geduscht werde und nass bis auf die Knochen bin, verziehe ich mich für die Zugaben noch in den hinteren Teil. Dort sehe und geniesse ich den obligaten Dreierpack „Night Witches“ / „Primo Victoria“ / „Metal Crüe“, wobei ich also schon mehr Leute hab hüpfen sehen als heute. Ist aber auch verständlich, obwohl der Regen jetzt fast aufgehört hat.

Eine grundsolide Sabaton Show endet nach 70 Minuten, und auch wenn nichts wirklich Neues dabei war: Spass hat’s gemacht! Nur einen Tag später künden die Schweden übrigens die ersten Daten der nächsten Tournee an. Und da werden sie niemand geringeren als die Solinger Stahlschmiede Accept im Vorprogramm haben! Wer hätte vor einigen Jahren gedacht, dass so etwas möglich ist…?

Setlist Sabaton

  1. The March to War (Intro)
  2. Ghost Division
  3. Far from the Fame
  4. Carolus Rex
  5. Swedish Pagans
  6. The Art of War
  7. Gott mit uns (Noch ein Bier Version)
  8. Resist and Bite
  9. Soldier of 3 Armies
  10. Attero Dominatus
  11. To Hell and back
  12. Night Witches
  13. Primo Victoria
  14. Metal Crüe

Iron Maiden

Der Regen hat aufgehört. Zeit für den Headliner und mittlerweile ist es bumsvoll vor der ersten Hauptbühne. Schwierig abzuschätzen, aber ich hätte gesagt, dass mindestens 15‘000 Leute da im Innenfeld stehen. Und die Sitzplätze auf dieser Höhe ebenfalls fast restlos besetzt. Und alle warten schlicht und einfach auf die beste Band der Welt: Iron Maiden!

Mit ziemlich Verspätung beginnt das altbekannte Intro „Doctor! Doctor!“, bevor Eddie auf den Videoscreens die „Ed Force one“ aus dem Dschungel befreit und fast wie ein Papierflieger in die Luft wirft – und los geht’s mit „If Eternity should fail“!, „Speed of Light“ bringt aufgrund des höheren Tempos dann richtig Leben ins Publikum – irgendwie finde ich, dass DIES der bessere Opener gewesen wäre. Die richtige Betriebstemperatur wäre sofort da gewesen. Aber das geht ja auch anders. Bruce Dickinson erzählt von „alten Songs“ und „neuen Songs“. Doch die alten Songs nennt er „Legacy Songs“. Genau von dieser Sorte packen Maiden jetzt einen aus. Und was für einen: „Children of the Damned“! Aber hallo? Dafür gibt’s nur ein Wort: Weltklasse! Lange ist es her, seit ich den das letzte Mal live hören durfte – ganz geil!
Apropos „auspacken“: bei der Ansage zu diesem Song packt eine gut bestückte Dame ihre Oberweite aus, sehr zur Freude des Frontmanns…

Das Bühnenbild passt zum Thema des aktuellen Albums „The Book of Souls“, man wähnt sich in einem Dschungel mit verborgenen Maya Tempeln. Die nächsten Songs stammen von eben diesem Album: zuerst „Tears of a Clown“, dann die überlange Nummer „The red and the black“. Dies ist jetzt auch der einzige Song, der mich nicht richtig packt, was eigentlich erstaunlich ist – denn auf CD find ich den schon sehr geil. Aber das sind schlussendlich Peanuts! Denn es geht weiter mit „Legacy Songs“. Mit passendem Backdrop, Bruce in roter Uniform und mit Union Jack in der Hand – „The Trooper“! Zehntausende feiern und sie kriegen grad noch die nächste Überraschung vor den Latz geknallt: „Powerslave“! Bruce rennt mit einer mexikanischen Wrestling Maske umher und muss aufpassen, dass er nicht Opfer der Flammen wird… Liebe Leute, besser geht es kaum noch, das ist der schiere Wahnsinn!

Und gleich wieder zurück zum aktuellen Album: „Death or Glory“ ist die Frage, bevor mit „The Book of Souls“ die nächste überlange Nummer dran ist, wieder optisch ergänzt durch ein passendes Backdrop. Dies ist jetzt auch endlich die Zeit von Eddie! Als überlebensgrosser Magier stolziert er auf die Bühne und versucht mit seinem Beil Wirbelwind Janick Gers zu erwischen, doch der spurtet ihm dauernd zwischen den Beinen durch. Bruce hingegen reist dem Biest anschliessend kurzerhand das Herz raus…

So gut „The Book of Souls“ auch ist – aber Iron Maiden haben noch sooooo viele Klassiker im Repertoire… und genau jetzt ist der Punkt gekommen, an dem ein furioses Best of Konzert beginnt! Und zwar mit dem wohl besten Maiden Song aller Zeiten: „Hallowed be thy Name“! Unbeschreiblich, wie Bruce mit dem Galgenstrick in Händen aus der Todeszelle berichtet…

Direkt im Anschluss folgt „Fear of the Dark“ – mit den heftigsten Publikumsreaktionen des Wochenendes! Tausende und Abertausende singen hier mit – Wahnsinn. Einfach nur Wahnsinn! Aus rein musikalischer Sichte hätte ich zwar nichts dagegen, wenn diese Nummer mal von der Setlist gekippt würde. Aber stimmungsmässig gibt es einfach kaum was geileres, das ist unbestritten! Das obligate „Iron Maiden“, inklusive grossen Eddie und einer geballten Ladung Pyros, beendet nach 90 Minuten ein Spektakel der grandiosen Art.

Und grandios geht’s kurz danach nochmals los: gibt es ein geileres Intro als den Speech zu „The Number of the Beast“? Gibt’s einen passenderen Auftakt zu den Zugaben? Nein. Nein! Eine riesige Teufelsfigur und Flammenwerfer mit Hochkonjunktur untermalen diesen Klassiker, welcher selbstredend von dem nimmermüden Publikum frenetisch mitgesungen wird.

Die zweite Zugabe ist eine weitere faustdicke Überraschung: „Blood Brothers“ vom 2000er Comeback Album „Brave new World“! Seit über 15 Jahren hab ich diesen Song nie mehr live gehört und zumindest in der Schweiz stand der seither nur einmal auf der Setlist…

Und wer jetzt noch „Run to the Hills“, „Running free“, „Sancturay“ oder „2 Minutes to Midnight“ erwartet: Sorry. Heute nicht – denn „Wasted Years“ heisst der Abschluss des Abend, der Abschluss des Wochenendes. Mit einem Backdrop voll von Eddies verabschieden sich die Briten 110 Minuten von einem restlos begeisterten Publikum.

Wer jetzt ein Haar in der Suppe finden will, der wird sicher auch fündig. Klar: vom Aufbau her gleichen sich all die Maiden Shows. Die diversen Backdrops, Eddie zum ersten beim überlangen Song in Konzertmitte, Eddie zum zweiten bei „Iron Maiden“. Der Teufel bei „The Number of the Beast“. Aber so what? Im Gegensatz zu vielen (oder besser gesagt: fast allen!) Bands aus ihrer Generation leisten sich Maiden den Luxus und knallen immer wieder Klassiker aus der Setlist! Und warum? Weil sie es können! Ich erinnere mich an Shows OHNE „Hallowed by thy Name“ oder OHNE „Number of the Beast“… Und genau das ist auch der Punkt, warum man immer wieder an ihre Konzerte geht: sie sind eben doch immer wieder anders! Sie sind halt einfach die beste Band der Welt!

Setlist Iron Maiden

  1. If eternity should fail
  2. Speed of Light
  3. Children of the Damned
  4. Tears of a Clown
  5. The Red and the Black
  6. The Trooper
  7. Powerslave
  8. Death of Glory
  9. The Book of Souls
  10. Hallowed be thy Name
  11. Fear of the Dark
  12. Iron Maiden
  13. The Number of the Beast
  14. Blood Brothers
  15. Wasted Years

Fanzit

Das Rockavaria 2016 ist zu Ende. Und trotz des durchzogenen Samstags kann man ein positives Fanzit ziehen. Die Location ist grossartig, die Organisation ebenso, die Bandauswahl stimmte für die Mehrheit wohl auch… und nicht zu vergessen ist der Mensch, der für den Sound zuständig war! Selbst wenn es hin und wieder vielleicht eine Spur ZU laut war: der Sound war zumindest im Innenraum überall glasklar! Hut ab dafür!

Wenn das Rockavaria auch 2017 stattfindet (mit Volbeat als Headliner, bitte schön!) und da ein halbwegs gutes Programm zu sehen ist, dann werden wir wohl wieder nach München pilgern…


Wie fandet ihr das Festival?

/ 19.06.2016
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