Queensrÿche – ein Quickie im Z7
Sängerwechsel in einer Band sind meistens nicht sehr optimal. Schliesslich ist der Frontmann meistens DAS Aushängeschild, die Visitenkarte schlechthin. Aber manchmal kann es auch gut sein und eine Truppe weiterbringen. Zumindest was die Live Auftritte angeht, trifft dies sicher auf Queensrÿche zu – seit dem Einstieg von Todd LaTorre konzentrieren sich die US-Amerikaner wieder auf ihre Stärken.
Zwar sind in den letzten drei Jahren auch noch zwei neue Alben erschienen, doch wenn’s um die Bühne geht, dann dominiert der alte Stoff. Ich erinnere nur zu gerne an den sensationellen Gig am Bang Your Head!!! Festival (siehe Review) letztes Jahr!
Vor einem Jahr waren Queensrÿche noch Support von Dream Theater, jetzt kommen sie zurück ins Z7 als Main Act. Mit den erwähnten Gigs im Hinterkopf und dem Wissen, dass es nur gut kommen kann, geht’s an diesem schönen Sommerabend los in die Nordwestschweiz. Die erste Überraschung vor Ort: es sind erschreckend wenige Zuschauer da. Am Schluss dürften es wohl maximal 500 Nasen gewesen sein und man fragt sich schon, was die Leute von dieser Show abgehalten hat. Vorprogramm? Sonntag, 20 Uhr? Preis? Wohl ein Mix von allem… Doch eines ist sicher: der Headliner hätte mehr Besucher verdient!
Archer Nation
Apropos Vorgruppen: böse gesagt sind die an diesem Abend nur Beigemüse. Ich treffe auch relativ spät ein, und die erste Band ist schon fast fertig. Auch Nummer zwei interessiert mich eigentlich nur am Rande, doch hoppla: Archer Nation ziehen die Aufmerksamkeit sofort auf sich! Das Trio besticht mit coolem Metal, hart an der Grenze zum Thrash. Zwar haben die Kalifornier nur gerade 30 Minuten Spielzeit (als ZWEITE Band notabene!), doch die nützen sie voll aus und geben dem Publikum mächtig eins auf die Glocke. Die nur spärlich anwesenden Zuschauer lassen sich teilweise sogar anstecken – das mag etwas erstaunen, schliesslich ist das stilistisch schon etwas anderes als der anschliessende Headliner. Insgesamt ein sehen- und hörenswerter Auftritt und eine kleine positive Überraschung.
Queensrÿche
Dennoch – Queensrÿche sind die Band, die heute jeder sehen will! Doch dann gibt’s für die Fotografen zuerst mal eine unerfreuliche Mitteilung. Die Kameras müssen nach drei Songs raus. Also richtig raus! Aus der Halle! Nix mit irgendwo an der Bar deponieren oder so… Order von der Band! Oder vielleicht halt vom Management – jedenfalls äusserst ärgerlich. An dieser Stelle grad noch Danke an den Kollegen Dani von Schwarzeliste, dass ich nicht bis zu meinem Auto wandern musste!
Aber konzentrieren wir uns besser auf die Musik. Mit „Guardian“ vom aktuellen Album „Condition Hüman“ startet der Abend. Auch wenn dies eine eher treibende Nummer ist – der Unterschied zu den Klassikern ist dennoch riesig: „Operation: Mindcrime“ und „Best I can“ zeigen dies in aller Deutlichkeit im Anschluss auf!
Die Band ist hochmotiviert und neben Todd LaTorre ist vor allem Gitarrist Michael Wilton ein Blickfang. Wenn er seine Matte mal nicht im ganzen Gesicht hängen hat, kann man sogar ein seliges Grinsen entdecken, der Mann hat Freude an der Arbeit, keine Frage.
Eine faustdicke Überraschung bildet „Damaged“ – mit einem Song vom „Promised Land“ Album hätte ich nicht gerechnet! Zwar gibt’s da deutlich bessere Stücke, aber dennoch erfreulich, dass auch diese Scheibe mal wieder berücksichtigt wird. Doof einfach, dass ich den grössten Teil hier verpasse – weil Kamera muss ja ins Auto…
Mit „Killing Words“ und später „Screaming in Digital“ sind zwei Nummern vom 86er Werk „Rage for Order“ im Programm. Auch hier: sehr erfreulich, dass man auch mal solche Songs live erleben darf, grossartig! Aber ob man deswegen dann das dazugehörende US-Tourshirt für 40 Stutz erwerben soll, das muss jeder selber wissen…
Das göttliche „The Mission“ vom besten Album aller Zeiten ist einfach nur Wahnsinn! Da fällt sogar das vielumjubelte und lautstark mitgesungene „Silent Lucidity“ fast etwas ab.
Todd erklärt, dass vor 26 Jahren und einem Tag „Empire“ erschienen ist – der Titeltrack ist nun einer von insgesamt vier Songs dieses Meisterwerks.
„Eye9“ ist nochmals eine Neuheit, und das ist es dann mit Songs aus dem 21sten Jahrhundert. Das 2013er Comeback Album wird sogar komplett ignoriert, ab jetzt gibt’s nur noch Klassiker!
Der Kontrast könnte nicht grösser sein – dem eher lahmen „Eye9“ folgt DER Song überhaupt: „Queen of the Reich“! Dass ein werter Kollege der schreibenden und fotografierenden Zunft diesen Song nicht erkennt resp. mit „Prophecies“ verwechselt, ist eigentlich unverzeihlich – schliesslich ist es DAS Highlight des Abends!
„Jet City Woman“ und das ebenfalls geniale „Take hold of the Flame“ beenden nach läppischen 60 Minuten den regulären Part der Show. Das kann’s ja wohl nicht sein, oder? Mal abwarten, was die Zugaben so zu bieten haben. Da ist zuerst mal das erwähnte „Screaming in Digital“ und ich bin endgültig auf dem Nostalgietrip angekommen. „Eyes of a Stranger“ behält mich da, doch dies ist es dann bereits. Nach gut 70 Minuten ist es vorbei. Ähm – Hallo? Wir reden hier von Queensrÿche! Eine Legende, die einen Backkatalog hat, der für Stunden reichen würde! Und die Zuschauer kriegen läppische 70 Minuten? Das geht gar nicht! Das heute ist eine Headlinershow, kein Festivalauftritt! Da kommen die Fans NUR aus einem Grund und können nicht mit 70 Minuten abgespiesen werden! Sehr schwach…
Das Fanzit – Queensrÿche
Bevor dies hier jetzt in einen Verriss mündet: die 70 Minuten sind jedoch absolut sehenswert gewesen! Top Musiker, alle fünf wirkten sehr sympathisch und spielfreudig, die Setlist ist grossartig (wenn auch logischerweise zu kurz) und „Queen of the Reich“ live ist einfach nicht zu übertreffen! Und ich werde mir die Band gerne wieder ansehen – ich hoffe dann allerdings auf ein längeres Vergnügen…
Setlist Queensrÿche
- Guardian
- Operation: Mindcrime
- Best I can
- Damaged
- Killing Words
- The Mission
- Silent Lucidity
- Empire
- Eye 9
- Queen of the Reich
- Jet City Woman
- Take hold of the Flame
- Screaming in Digital*
- Eyes of a Stranger*
*Zugabe