Als Vollblut-Metalinsider ruht man auch am siebten Tage nicht. Und deshalb besuchte ich am Sonntagabend den Komplex Klub in Zürich um meine Gehörgänge einer massiven Ladung Thrash und Speed Metal auszusetzen. Ein richtig lauter Wochenendausklang.
Während sich die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung vor dem Fernseher in der warmen Stube versammelt, um sich Sendungen wie die Tagesschau oder den Tatort anzusehen, kämpfe ich mich durch den Regen Richtung Zürich-Altstetten. Vom Bahnhof aus geht es zu Fuss zum Komplex 457. Offenbar habe ich mir den Flyer nicht sauber angeschaut, denn die dort stattfindende Veranstaltung sieht irgendwie so gar nicht nach Metal-Konzert aus. Bin ich falsch? Nein, nicht ganz. Es gibt nämlich noch die Location im unteren Teil des Gebäudes – den Komplex Klub. Und genau dort werden heute Abend gleich vier Bands für ordentlich Stimmung sorgen.
Hinter dem Event steckt der Schweizer Veranstalter Iron Force Production. Und das Programm des Abends kann sich definitiv sehen lassen: Mortillery, Evil Invaders, Skull Fist und Suicidal Angels. Da lacht das Metaller-Herz.
Die Location kenne ich nur sehr schlecht. Vor ein paar Jährchen habe ich in diesem «Keller» einmal ein Halestorm-Konzert erlebt. Wenn sich heute viele Seelen hierhin verirren, könnte es eine ganz schweisstreibende Geschichte werden. Deshalb gönne ich mir zur präventiven Regulierung des eigenen Flüssigkeits-Haushalts erst einmal ein erstes Bierchen und platziere mich neben der Säule links vor der Bühne. Dort hat man gute Sicht auf die Bühne und findet sich nicht plötzlich ungewollt inmitten einer Wall Of Death oder eines Circle Pits wieder.
Im Moment ist der Klub aber noch sehr spärlich gefüllt. Sonntagabend bleibt wohl doch ein eher unbeliebter Zeitpunkt für Konzertbesuche. Wer möchte schon freiwillig verkatert und kaputt in die neue Woche starten? Richtig, die hier und heute anwesenden Metalheads.
Für mich zählt dieser Abend wieder einmal zur Kategorie Horizonterweiterung. Ich kenne nämlich keine der heute auftretenden Bands. Deshalb bin ich schon sehr gespannt auf all die anstehenden Darbietungen.
Im Hintergrund läuft pausenlos Musik von Motörhead. Ach, ich vermisse Lemmy…
MORTILLERY
Um 19.30 Uhr gibt es dann zum ersten Mal Action auf der Bühne. Die kanadische Thrash Metal-Band Mortillery kümmert sich um die Eröffnung der heutigen Konzertreihe. Zwei Mädels – Gesang und Bass – und drei Herren – zwei Gitarristen und ein Drummer – bilden das Line Up der Truppe.
Eindrücklich, über was für ein Stimmorgan die kleingewachsene Cara McCutchen verfügt. Weiblicher Gesang ist im Thrash Metal immer etwas speziell. Aber hier passt die ganze Sache gut zusammen. Die aggressiven Schreie sitzen und fördern tatsächlich die ersten Headbanger im Publikum zutage. Zudem ist das Mädel mit ihrer langen Mähne durchaus ein Blickfang.
Gegen Ende des halbstündigen Sets wirkt Cara dann allerdings ein wenig heiser. Für eine längere Spielzeit scheint die Kraft ihrer Stimme noch nicht ganz zu reichen. Wuschelkopf-Gitarrist Alex Gutierrez hilft ihr gelegentlich an den Vocals aus.
Mir hat die Band sehr gut gefallen. Schliesslich lasse ich mich auch nur in der Metal-Welt freiwillig und ohne Widerspruch von einer Frau anschreien. Hoffentlich ist die Truppe bald wieder einmal in unseren Gefilden unterwegs.
PS: Für Fotografen sind die Scheinwerfer im Komplex Klub eine echte Herausforderung. Alle unerwünschten Farbtöne werden einem da entgegengeschleudert. Ich als Amateur kann mit meiner lieben Digicam sowieso direkt einpacken. Trotzdem hoffe ich auf ein paar gelungene Schnappschüsse und Videos.
EVIL INVADERS
Holla die Waldfee! Die Belgier Evil Invaders legen los wie die Feuerwehr. Wie wilde Hunde, die soeben aus ihrem Zwinger ausgebrochen sind und den Duft der Freiheit in vollen Zügen geniessen. Hochgeschwindigkeits-Gitarren-Soli gepaart mit Frontmann Joes schriller Schreistimme. Speed Metal in seiner reinsten Form. Das macht Laune. Da geht die Post ab. Die Jungs bringen eine unglaubliche Energie mit und machen die Bühne zu ihrem Spielplatz. Herumhüpfen, sprinten und beinahe die Gitarre fallen lassen. Das Publikum bekommt so einiges geboten.
Joe wirkt mit seinem Schnurrbart zwar wie ein Pornodarsteller der 70er Jahre, aber zum alten Eisen gehört er definitiv noch lange nicht. Ausserdem trägt er einen kleinen Patronengürtel um den rechten Oberarm. Kann man mal so machen. Immer wieder feuert er seine «Schrei-Salven» ins Publikum. Die vorderen Reihen sind total am Ausflippen. Beim letzten Song segnet dann sogar sein Mikrofonständer das Zeitliche.
Ein sackstarker Auftritt! Von mir aus hätten die Jungs gerne noch länger spielen dürfen. Diese Meinung teilt auch Mortillery-Frontdame Cara, die neben mir die Show geniesst. Also ich kann euch sowohl Mortillery als auch Evil Invaders absolut empfehlen. Schaut euch unbedingt einmal ein Konzert dieser Gruppen an.
SKULL FIST
Bei der nächsten Band dauert der Soundcheck etwas länger. Der geschätzte Herr Tontechniker ist offenbar immer wieder mit kleineren Details nicht zufrieden. Gegen Viertel nach neun scheint dann aber endlich alles zu seiner Zufriedenheit zu sein. Die Bühne – inklusive 3D-Totenschädel mit brennender Zigarette im Hintergrund – ist bereit für die nächsten Kanadier des Abends: Skull Fist.
Jetzt rastet die Menge komplett aus. Vor allem alle Mitglieder von Mortillery kleben an vorderster Bühnenfront und jubeln ihren Landsleuten frenetisch zu. Offenbar steht da gerade das Highlights des Abends auf der Bühne. Ich scheine aber zu der Minderheit zu gehören, die vom Auftritt der Band nicht gerade sonderlich begeistert sind. Ein solider Mix aus Heavy und Speed Metal, aber nichts aus der Güteklasse «Überragend».
Sänger Brian Stephenson hat nach dem zweiten Song offenbar bereits zu heiss und entledigt sich – zur Freude der anwesenden Damen – seines T-Shirts. Seine Stimme wird dadurch jedoch nicht lauter. Da macht man einen ewig langen Soundcheck und verkackt die Gesangsausgabe dann trotzdem. Ärgerliche Geschichte.
Höhepunkt des Skull Fist-Auftritts ist der sogenannte «Gitarristen-Turm». Dabei setzt sich Jonny Nesta auf die Schultern von Zach Slaughter und dann stolzieren sie zusammen auf der Bühne herum. Glücklicherweise verläuft diese akrobatische Einheit ohne Unfälle.
SUICIDAL ANGELS
Hellas! Um halb 11 ist es Zeit für den Headliner des Abends. Die griechischen Suizid-Engel betreten die Bühne und starten ohne grosse Umschweife ein Thrash-Feuerwerk erster Güteklasse. Das Publikum feiert aber nicht so intensiv wie bei Skull Fist. Mich überzeugen die Griechen hingegen vollends.
Zur Musik der Suicidal Angels kann man bedenkenlos seine Mähne schütteln. Gegen Ende der Show liegt sogar überraschenderweise noch eine «Mini-Wall of Death» drin.
Gegen 23.20 Uhr ist dann Schluss. Meiner Meinung nach kommt das Ende aber ein wenig zu früh. Auch die Griechen hätten gerne noch viel länger weitermachen können. Sie haben den heutigen Headliner-Slot definitiv verdient. Viel mehr möchte ich dazu gar nicht schreiben. Wer nicht dabei gewesen ist, hat wirklich etwas verpasst.
Fanzit
Ein netter Leckerbissen des Veranstalters Iron Force Production. Ich habe vier coole Bands erlebt, von denen mich insbesondere Evil Invaders und Suicidal Angels überzeugen konnten. Auch die Kanadier von Mortillery muss man sich merken. Generell hätte ich allen Bands aber noch ein paar Zuhörer mehr gegönnt. Vielleicht findet der nächste Event dieser Art ja an einem Freitag- oder Samstagabend statt.
Und damit endet meine intensive Konzertwoche. Nun ist zuerst einmal Schlaf nachholen angesagt. Die nächsten Wochen werden nämlich auch nicht allzu viel Raum für Verschnaufpausen bieten.