Ein überaus gelungener und kulturell vielfältiger Konzertabend im Metal-Tempel Z7. Gleich vier Bands aus den unterschiedlichsten Ecken der Welt sorgten für beste Unterhaltung. Religion, Herkunft, Gesinnung – all das spielte überhaupt keine Rolle. Feiernde, durch Musik vereinte Metalheads im kleinen Kreis. So sollte das metallische Familienleben eigentlich immer aussehen.
Auch in der Woche meines Geburtstages komme ich nicht komplett ohne Konzerte aus. Da die kleine Feier «en famille» aber erst am Donnerstag stattfinden wird, kann ich mir heute Abend einen Abstecher nach Pratteln problemlos erlauben. Heute steht wieder einmal das Mini Z7 auf dem Programm. Diese kleine Version der Prattelner Konzertfabrik ist mir inzwischen sehr ans Herz gewachsen. Die intime Atmosphäre ermöglicht ganz spezielle und einzigartige Konzerterlebnisse.
Ungebildet beziehe ich meinen Platz vor der Bühne. Weshalb? Tja, heute Abend kenne ich wieder keine der Bands. Von Orphaned Land und Imperial Age habe ich zwar schon gehört, aber damit hat sich’s dann auch schon. Horizonterweiterung, ich komme! Als Einstimmungssound dringen die Klänge von Katatonia in meine Gehörgänge. Bei vier Bands hoffe ich natürlich insgeheim darauf, dass ich nicht zu früh in Richtung Bahnhof abhauen muss. On verra.
CRISÁLIDA
Den Anfang machen die Chilenen von Crisálida vor sehr wenig Publikum. Das übliche Los der ersten Band eines solchen Konzertabends. Wirklich Stimmung kommt bei der Darbietung der Truppe aber nicht auf. Sängerin Cinthia Santibañe tanz wie ein in Trance versetztes, aufgescheuchtes Huhn auf der Bühne herum und stellt dadurch ein eher undankbares Foto-Sujet dar. Zudem fürchte ich mich wenig vor ihrem irren Blick.
Gegen Ende des Sets übernimmt Gitarrist Javier Sepúlved dann die Vorstellung der Band. Offenbar ist er der einzige mit passablen Englischkenntnissen. Die Vorstellungsrunde gestaltet er jedoch durchaus sympathisch.
Beim letzten Song geht urplötzlich die Post ab. Mitreissende Gitarrensoli und fetzige Drums sorgen für die ersten Headbang-Momente des Abends. Schade… Wenn die gesamte Show so stark gewesen wäre, hätte dies eine richtig coole Sache werden können. Leider bin aber mit Crisálidas Spielweise des Progressive Metal trotzdem nicht wirklich warm geworden.
IMPERIAL AGE
Nach Chile heisst die nächste Reisedestination des Abends Russland. Und mit Imperial Age hat «Mother Russia» einen überraschend – in mehrfacher Hinsicht – geilen Symphonic Act zu bieten. Jep, die Band darf mich inskünftig definitiv zu ihren Fans zählen.
Sofort stechen mir Keyboarderin Jane «Corn» Odintsova und Sängerin Anna «Kiara» Moiseeva ins Auge. Heisse Geräte! Da ist Dutti sofort Feuer und Flamme. Die sexy Outfits der beiden Damen wissen zu beeindrucken. Jane klimpert in monströsen Hacken auf ihrem Instrument herum. Respekt, dass sie mit diesen High Heels eine Show ohne Probleme durchspielen kann. Anna besticht dagegen mit ihrem hübschen Kleid mit auffälligem Beinschlitz. Aber auch Alexander Osipov – ebenfalls als Keyboarder unterwegs – fällt in seiner Zarenuniform auf. Erinnert mich irgendwie an die Band Almanac.
Keine Angst, der Schreiberling lässt sich selbstverständlich nicht durch das Aussehen blenden. Auch auf musikalischer Eben hat die Truppe definitiv etwas zu bieten. Mit Jane, Anna und Alexander steuern gleich Mitglieder Vocal-Parts bei. Insbesondere Annas Stimme rückt sich dabei ins Rampenlicht. Mit ihrer roten Mähne könnte sie glatt als russische Simone Simons durchgehen. Alexander zaubert teilweise sogar ein paar leichte Growls und Screams aus den Tiefen seiner Kehle – Respekt!
Dieser Symphonic Metal gepaart mit klassischen Elementen trifft genau meinen Geschmack. Und auch das Publikum scheint mit den Russen zufrieden sein. Inzwischen sind nämlich ein paar Leutchen mehr anwesend. Imperial Age würde ich mir jederzeit wieder ansehen. Allenfalls liegt aber beim nächsten Mal ein Auftritt auf der grossen Bühne drin. Mit sechs Musikern kann es auf der Spielfläche des Mini Z7 nämlich schon einmal ziemlich eng werden.
VOODOO KUNGFU
Spoiler-Alert: Das mit Abstand «krank-geilste», was ich jemals im Z7 gesehen habe! Von Russland springen wir rüber nach China. Dort sind die Kollegen von Voodoo Kungfu beheimatet. Sänger Nan Li’s Geschichte liest sich wie ein spannender Roman: Permanenter Verweis von einer katholischen Schule, Bandgründung, Ausflüge in die Mongolei und Tibet um die dortige Kultur kennenzulernen, Kobra-Biss (Nahtoderlebnis), Auftritt an grösseren Festivals (z.B. Wacken), Schwierigkeiten mit der chinesischen Regierung, Auswanderung in die USA etc. Diese Lektüre kann ich euch allen wärmstens empfehlen.
Kommen wir nun aber wieder zurück zum Auftritt. Auffallend ist vor allem Bassist Murv, der mit seiner Frisur dem Charakter Son Goku aus dem Dragonball-Universum ähnelt. Aber auch Frontmann Nan Li weiss aufzufallen. Entweder in papageienähnlichem Kostüm oder mit nacktem, stählernem Oberkörper. Und auch auf gesanglicher Ebene ist er eine wahre Wundertüte. Death Metal, Black Metal, Schamanen-Gesang, Gekreische, Geschreie – das Metal-Sänger-All-Inclusive-Paket.
Zum einem späteren Zeitpunkt hantiert Nan Li plötzlich mit einem Zeremonie-Dolch herum und stolziert danach mit blutverschmiertem Gesicht und Oberkörper auf der Bühne herum. Eine imposante und gleichzeitig furchteinflössende Erscheinung.
Zu Anfang weiss die anwesende Zuhörerschaft nicht wirklich, was sie von dieser Band halten soll. Mit der Zeit herrscht dann aber eine fantastische Stimmung in der Halle und Voodoo Kungfu werden frenetisch bejubelt. Eindeutig das bisherige Highlight des Abends. Das Set beenden die Jungs mit ihrer Interpretation der Slayer-Hymne «Reign In Blood».
ORPHANED LAND
Um circa viertel vor zehn übernahmen schliesslich die Headliner des Abends das Zepter. Orphaned Land sind Israels bekannteste Metal-Band und ziehen das Publikum direkt in ihren Bann. Die Kombination zwischen orientalischen und metallischen Klängen weiss zu überzeugen. Teile des Publikums beginnen sofort zu tanzen. Auf der Bühne dirigiert Sänger Kobi Farhi – der verdächtig «Jesus-like» aussieht – das Geschehen.
Soundtechnisch ist eine gewisse Ähnlichkeit zur tunesischen Gruppe Myrath auszumachen. Um 22.30 Uhr muss ich mich dann leider bereits wieder aus der Halle entfernen. Der letzte Zug ruft! Schade… Auch diese Show hätte ich mir gerne noch bis zum Schluss gegönnt. Dank meinem Kollegen Christian Saladin von schwarzeliste.ch kann ich euch aber immerhin die Setlist von Orphaned Land nacheichen (Danke Christian!).
Fanzit
Einmal mehr ein genialer Konzertabend in meiner Zweitwohnung! Ich musste zwar wieder früher gehen, trotzdem habe ich mich aber ab den sehr raschen Bandwechseln gefreut. Dadurch konnte ich auch den Orphaned Land-Auftritt zum Grossteil miterleben. Top-Organisation, liebes Z7-Team.
Wären wir an einem Songcontest, wäre Chile wohl leider mit «Zero-Points» verabschiedet worden. Russland, China und Israel hätten es aber souverän ins Finale geschafft. Diese drei Bands boten wirklich sehr geniale Auftritte.
In den Fällen von Voodoo Kungfu und Orphaned Land treibt es mich aber zur Weissglut, dass diese Bands in ihren Heimatländern immer wieder mit Auftrittsverboten und Zensur-Orgien kämpfen müssen. Religion oder politische Ansichten sollten dem Metal eigentlich keine Hindernisse in den Weg legen dürfen. Der heutige Konzertabend hat nämlich wieder einmal gezeigt, dass wir Metalheads eine einzige, grosse Familie sind. Und genau so soll es auch sein, nicht?
Setliste ORPHANED LAND
- Intro: Kann’an
- All Is One
- The Simple Man
- Let The Truce Be Known
- Barakah + Kiss
- Brother
- Birth + Olat
- Ocean Land
- Sapari
- A Never Ending Way
- El Meod Na’ala
- In Thy Never Ending Way
- In Thy + The Beloveds Cry
- Norra + Ornamentis