Aller guten Dinge sind 10 – Delain beehren das Z7
(Kaufi) Im Januar 2013 bin ich auf der 70‘000 Tons of Metal Cruise das erste Mal auf Delain gestossen. In dreieinhalb Jahren habe ich nun insgesamt neun Konzerte teilweise oder ganz gesehen. Manchmal gut (Kreuzfahrt), manchmal unpassend (eingeklemmt zwischen Battle Beast und Sabaton), aber die Headliner Show fehlte mir noch in der Sammlung. Nach dem Wahnsinnsauftritt am diesjährigen Bang Your Head!!! ist die Vorfreude auf meine persönliche Show #10 und Main Act # 1 riesig.
Als Support sind Evergrey angekündigt, an die hab ich auch keine allzu schlechten Erinnerungen von der obengenannten Schiffsreise, die waren damals auch mit dabei. Eröffnet wird der Abend von Kobra and the Lotus – und die sind der Grund, warum sich auch Metalinside Mastermind Pam wieder einmal ins Z7 verirrt (Anm. von pam: Gut, so selten ist das ja auch nicht)! Bitte schön, ich überlasse das Feld für den Moment…
Kobra And The Lotus
(pam) Die 2009 in Calgary gegründete Band Kobra And The Lotus hatten vor ein, zwei Jahren irgendwie meine Aufmerksamkeit erhascht. Wie genau weiss ich nicht mehr, aber was ich noch weiss und einfach hängen blieb, war die Wahnsinnstimme von Kobra Paige – der attraktiven Frontlady. Mein erster Gedanke als ich sie zum ersten Mal auf Youtube abcheckte war: Die Linda Perry des Metals! Für die vor den 80ern Geborenen: Linda Parry war die Frontlady von Four Non Blondes mit ihrem Überhit Anfang 90er «What’s up». Warum Linda Perry? Die war ja nicht blond … aber beide haben eine extreme voluminöse Stimme und die Stimmlage finde ich sehr ähnlich. Definitiv ein Kompliment an Kobra, denn Linda machte später mit ihrem musikalischen Talent auch Karriere als Songschreiberin für Pink & Co. Aber die Kanadier haben nicht nur eine Frontlady mit einer Hammerstimme, sondern durchaus auch gefällige Songs. Sie spielen hochstehenden Heavy Metal mit gängigen Melodien und starken Riffs. Wer die noch nicht kennt und mal reinhören will youtubelt nach «Soldier» oder «50 Shades Of Evil» oder «Welcome To My Funeral».
Lange musste ich warten, um die Band endlich mal live zu erleben. Dementsprechend musste ich heute auch in den Fotograben. Ich wollte die Band von ganz nah erleben und entdecken. Und meine hohen Erwartungen werden absolut erfüllt. Meine Notiz nach den ersten Songs: «Der heimliche Headliner.» Aber das waren sie zugegebenermassen dann halt doch nicht, weil ihr halbstündiger Auftritt dazu definitiv zu kurz war und wir heute Abend noch zwei weitere Hammerauftritte erleben sollten. Für mich eines der besten Konzertabende im Z7 seit langem. Drei Bands, drei Hammerauftritte. Keine Füller, keine Langweile. Einfach nur geil.
Kobra And The Lotus haben mich vor allem auch mit ihrer Bühnenpräsenz und Stage Acting überzeugt – vor allem Kobra selbst mit ihrem Dauersmile. Sie ist auf jeden Fall der Blickfang und eine geborene Frontlady. Cool auch der Drummer, der bei einem Doublebass-Gewitter noch locker flockig seinen Schädel in Helikoptermanier schwingt. Sehr geil anzusehen. Die beiden Gitarristen liefern sich bei «50 Shades Of Evil» ein Gitarrenduell, bei welchem sogar die beiden Dragonforce-Jungs einpacken können. Geil auch der Bassist, der optisch schon genial wirkt und dem Groove vorgibt. Für mich der beste Support-Act seit langem!
Evergrey
(Kaufi) Zugegeben: mich hat der Opener nicht so überzeugt. Das wird mit Evergrey hoffentlich anders… Die Schweden eröffnen ihren 45 minütigen Gig mit „Passing Through“ vom aktuellen Silberling „The Storm Within“, das tönt richtig gut und im Publikum herrscht sofort gute Stimmung. Natürlich, Tom S. Englund und seine Truppe machen jetzt nicht gerade meine Lieblingsmusik. Eigentlich kann ich mit dem melancholischen und irgendwie auch düsteren Sound im Prinzip nicht allzu viel anfangen. Doch es gibt durchaus den einen oder anderen Track, der mir da schon recht gut gefällt. Dies ist neben dem Opener vor allem auch „In Orbit“. Ein Kollege schwärmt zudem von „Broken Wings“, aber das sehe ich dann etwas anders. Die Band wird zum Leid der Fotografen mehrheitlich in rotem und blauem Licht präsentiert, doch das mindert die Laune der Band oder des Publikums nicht, Evergrey werden hier vom anständig gefüllten Z7 richtig abgefeiert. So verwundert es wenig, dass das geniale „King Of Errors“ (da bin ich mit dem Kollegen nun wieder einig!) ein vielumjubelter Abschluss wird. Manch einer redet im Nachhinein davon, dass diese Band eigentlich Headliner Status hätte…
Delain
Warten ist angesagt. Warten auf den Headliner Delain und die Diskussionen der Knipsergilde drehen sich immer irgendwie um die Frontlady… Nach über einer halben Stunde Umbaupause gehen die Lichter aus und es geht endlich los. Die Niederländer betreten die Bühne und schon da zeigt sich beim Jubel, dass sich Gitarristin Merel Bechtold zu einem enormen Publikumsliebling entwickelt hat. Aber die Augen (und Kameras…) aller Anwesenden sind sofort auf die Sängerin Charlotte Wessels gerichtet, kaum betritt sie die Stage. Ihre Outfits sind immer ein Blickfang – man kann das mögen oder auch nicht. Heute tritt sie jedenfalls in einem offenherzigen, goldenen Glitzerkleid auf. Sieht zumindest deutlich besser aus als das die komische Kleidung auf der Cruise tat…
Doch wer denkt, dass dies jetzt billige Ablenkung von den musikalischen Fähigkeiten sein soll, der sieht sich getäuscht! Die sympathische Dame zeigt schon beim eröffnenden Triple „Hands Of Gold“ / „Suckerpunch“ / „The Glory And The Scum“ zu was sie fähig ist. Die Growls im Opener überlässt sie hingegen Basser Otto Schimmelpenninck van der Oije. Unterstützt wird Charlotte von einer unglaublich tighten Band, die gehörig Druck macht und die Haare fliegen lässt. Hier gilt es auch Gitarrist Timo Somers zu erwähnen, der sich perfekt mit Merel ergänzt und auch immer wieder die Blicke auf sich zieht. Delain ist definitiv mehr als nur Charlotte, das wird mit dem ersten Schritt in die Vergangenheit untermalt. Das geniale „Get The Devil Out Of Me“ ist früh an der Reihe, und es fällt auf, wie hart das tönt. Gleiches gilt kurze Zeit später auch für „Army of Dolls“. Wer hat hier was von Popmusik gesagt? Tja, so kann man sich dann täuschen…
Lichtmässig ist es im Vergleich zu Evergrey ebenfalls eine deutliche Verbesserung, nur dass dafür die Band jetzt zwischenzeitlich etwas eingenebelt wird…
Nach dem Konzert höre ich davon, dass es Leute geben soll, die das neue Album nicht so toll finden sollen. Tja – die haben heute in dem Fall aber richtig Pech! Sieben Songs von „Moonbathers“ finden sich (erfreulicherweise!) auf der Setlist. Titel wie das harte „Fire With Fire“ fügen sich problemlos ein und „Danse Macabre“ direkt im Anschluss kann man sicher auch nicht als schwach bezeichnen, ganz im Gegenteil. Abgesehen vom neuen Material bieten Delain dann einen schönen Querschnitt durch ihre früheren Werke, hier stellt vor allem der Titeltrack von „April Rain“ eine Überraschung dar. Mit „Here Come The Vultures“ und der ersten Zugabe „Mother Machine“ sind jedoch selbstredend auch genügend Klassiker am Start. Wenn man aufgrund des Alters der Songs bereits von „Klassikern“ reden darf…
Eine knappe Stunde ist mittlerweile durch, in der es absolut nichts zu bemängeln gibt, als mit dem alten „Stay Forever“ das Tempo nochmals gedrosselt wird. Und dies im Hinblick auf DAS Highlight der Show. Der Song, der mich überhaupt zu Delain gebracht hat und der Song, den sie auf dem Bang Your Head!!! ausgegraben haben: „The Gathering“! Das ist einfach nur geil, grossartig, wahnsinnig, genial! Da kann das abschliessende „Pristine“ – ebenfalls vom Debut Album „Lucidity“ – einfach nicht mehr ganz mithalten.
Doch im Zugabenblock gibt’s jetzt nochmals richtig eins auf’s Dach. „Mother Machine“ steht am Anfang und einmal mehr lässt Charlotte ihre roten Haare propellern. Ich beneide die Frau, mein Nacken würde sowas Abend für Abend nicht aushalten…(pam: Dann schau dir besser nie Cannibal Corpse Corpsegrinder Fisher an … der hat ja auch einen Nacken wie ein Stier).
Sehr keyboardlastig ist die zweite Zugabe „Don’t Let Go“, eigentlich „nur“ ein Bonus Track auf der „Human Contradiction“-Scheibe. Spass macht’s trotzdem. Und dies trifft natürlich auch auf den letzten Song zu, welcher sich mittlerweile wohl zur Bandhymne gemausert hat: „We Are The Others“ – ein letztes Mal geben Band und Publikum Vollgas, bevor nach gut eineinhalb Stunden das Ende gekommen ist. Minutenlanger Applaus begleitet Delain von der Bühne und zumindest in den vorderen Regionen der Halle habe ich lange nicht mehr eine solch gute und ausgelassene Stimmung erlebt. Konzert Nummer 10, Headliner Konzert Nummer 1 – und es gibt keine Sekunde zu bereuen! Ausser vielleicht, dass ich schlussendlich doch zu früh aus der Halle gehe und mir somit ein Bild mit der Sängerin verwehrt bleibt…
Setlist Evergrey
- Passing Through
- The Fire
- Leave It Behind Us
- Black Undertow
- In Orbit
- Broken Wings
- A Touch Of Blessing
- King Of Errors
Setlist Delain
- Hands Of Gold
- Suckerpunch
- The Glory And The Scum
- Get The Devil Out Of Me
- Pendulum
- Army Of Dolls
- The Hurricane
- April Rain
- Here Come The Vultures
- Fire With Fire
- Danse Macabre
- Sleepwalkers Dream
- Stay Forever
- The Gathering
- Pristine
- Mother Machine*
- Don’t Let Go*
- We Are The Others*
*Zugabe