In Süddeutschland gibt’s metalmässig nicht nur das allseits bekannte und beliebte Bang Your Head!!! Festival. Seit 2014 existiert auch das kleine „Ranch Festival“, anfänglich in Balingen und jetzt im gut 10 km entfernten Hechingen. Das Billing der dritten Ausgabe mit Hochkarätern wie Brainstorm, Mystic Prophecy oder auch Almanac weckt mein Interesse, zumal auch die Schweiz mit Crown of Glory und Maxxwell verteten ist. Heisst: frei eingeben im Geschäft, Hotel buchen und ab nach Balin… ääh: Hechingen!
Freitag, 21. Oktober 2016
Nach einer mehr oder weniger stressfreien Anfahrt (man muss nur aufpassen, dass man im Raum Balingen gewohnheitshalber nicht abbiegt und im falschen Hotel landet…) und dem Gepäckablad im kalten Hotelzimmer heisst es erstmal: Fussmarsch. Die WOM Diskothek ist gute 20 Minuten vom Hotel enfernt und es ist schon recht frisch, da freut man sich bald auf eine wärmere Umgebung. Im Club angekommen ist noch nicht viel los – und es ist auch da nicht wirklich warm. Die Schwaben wollen offenbar überall Heizkosten sparen…^^
Der erste Eindruck im WOM ist zwiespältig. Eigentlich sieht das alles recht cool aus: anständige (Tanz-)Fläche für die Zuschauer vor einer zwar eher kleinen Bühne. Und sonst viele gepolsterte Sitzgruppen, eine grosse Bar und diverse Bartische. Dies sollte sich schlussendlich allerdings zu einem Stimmungskiller entpuppen… In einem Nebenraum ist ein kleines Tattoo Studio und der Merchandise Stand; das Schweizer Label „Souls of Rock“ hat ebenfalls einen riesigen Stand gleich daneben. Ein Restaurant für VIP’s gibt’s noch, da dürfte das Angebot abwechslungsreicher sein als für die zahlende Kundschaft: diesbezüglich gibt’s vor dem Eingang die Varianten „Grillwurst im Brötchen“ oder „Steak im Brötchen“. That’s it – sonst nichts! Für die Getränke muss man sich zudem eine Bonkarte kaufen, aber man kriegt am Ende wenigstens das nicht benötigte Geld wieder zurück. Positiv zu erwähnen wäre noch die Tatsache, dass die Bierbecher zwar vom Bang Your Head!!! Festival sind, aber glücklicherweise wird da KEIN Fürstenberg reingemacht. Glück gehabt!
Wenn man sich dann sonst drinnen noch etwas umschaut, fällt einem sehr schnell auf, dass eine Renovation dringend nötig wäre! Klar – es muss ja nicht purer Luxus sein, aber Löcher in den Böden, abgewetzte oder kaputte Polstersitze, suspekte und offene Verkabelungen, an einigen Lampen und Spots hängen noch Spinnweben – das ganze macht einfach nicht den allerbesten Eindruck. Aber dafür tragen die Veranstalter des Festivals wohl keine Verantwortung, also sehen wir einfach mal darüber hinweg. Gespart wird indessen auch an einem anderen Ort: Die Festivalbändchen sind aus dem Jahr 2015…
Die Angst um die Qualität meiner Fotos, die ich in diesem dunklen Laden schiessen soll, erweist sich später dann als völlig unbegründet, denn die Lichtverhältnisse sind erstaunlich gut, und sogar Mystic Prophecy kann man heute prima auf Chip bannen! Wenn ich da an den Auftritt im Hall of Fame denke… Auch die Soundqualität ist bei allen Bands im grünen Bereich, lautstärkemassig dürfte es hingegen manchmal etwas weniger sein. Doch das ist dann eher am zweiten Tag ein Thema.
Vanish
Um 17h beginnt der musikalische Teil des Abends. Sechs Bands stehen auf dem Programm, das Publikum wird also gefordert. Als Vanish beginnen, ist davon allerdings nichts zu sehen. Zu Beginn hat es mehr Fotografen als Zuschauer vor der Bühne! Lokal sicher keine unbekannte Band, die Stuttgarter spielen seit 14 Jahren zusammen und konnten in dieser Zeit die Bühne auch schon mit Bands wie Brainstorm, Freedom Call oder Kissin‘ Dynamite teilen. Insofern erstaunlich, dass hier so wenig los ist. Und so übersteht der Fünfer die undankbare Aufgabe als Opener, erntet aber von einem Dutzend Leute anständig Applaus nach 40 Minuten.
Emerald Sun
Nur gerade mal 12 Minuten Umbaupause! Rekord des Tages und des Weekends… Zeit für Emerald Sun. Eine Neuentdeckung für mich – und was für eine! Hui, das ist meine Baustelle: Fantasy Power Metal! Sänger Stelios „Theo“ Tsakirides erinnert stimmlich zudem ab und an auch mal an Andi Deris. Die Griechen machen das richtig gut und plötzlich hat es auch Leute vor der Bühne, was der Band natürlich gut gefällt. Etwas Humor darf auch nicht fehlen, denn ausser dem Sänger (welcher in Deutschland aufgewachsen ist, wenn ich das richtig verstanden habe) ist keiner der deutschen Sprache mächtig. Und so erklärt Gitarrist Paul Georgiadis die wichtigsten deutschen Wörter, wenn man einen Fünfjährigen zuhause hat: „Apfelschorle!“ „Bob der Baumeister!“ Very Metal indeed…
Musikalisch überzeugt mich vor allem das geile „Speak of the Devil“ und mit dem fast thrashigen „Screaming in the Storm“ endet nach 50 Minuten ein saugeiler Auftritt. Man hätte die CD’s und T-Shirts im Anschluss auch käuflich erwerben können – wenn man nicht den grössten Teil der Euros im Hotel gelassen hätte…
Setlist Emerald Sun
- Scream out loud
- Black Pearl
- We won’t fall
- No more Fear
- Metal Dome
- Where Angels fly
- Dust and Bones
- Speak of the Devil
- Screamers in the Storm
Crown Of Glory
Technische Probleme ziehen die nächste Umbaupause nun grausam in die Länge. Geschlagene 50 Minuten dauert es, bis die Schweizer Crown of Glory endlich loslegen können. Die Verspätung zwingt die Band dann sogar dazu, die Setlist einen Song zu kürzen. Doch auch wenn das Warten offensichtlich an den Nerven zerrt und auch wenn die Probleme alles andere als behoben sind, so zeigen die Luzerner keine Schwächen und zocken einen saugeilen Gig vor einem enthusiastischen Publikum. Die Jungs haben fraglos eine treue Fangemeinde, die ihnen offenbar überall hin folgt – was natürlich dann ein Garant für gute Stimmung ist! Dies wird bei „One fine Day“ auch optisch untermalt, als sogar „Konfettikanonen“ zum Einsatz kommen… Fronter Heinz Muther ist einmal mehr der absolute Blickfang, eine richtige Rampensau. Sagenhaft, wie der Kerl mit seinen kurzen Haaren die Rübe schüttelt – anderen wäre der Nacken abgefallen..!
Songtechisch bin ich mit Crown of Glory nach wie vor nicht sehr bewandert. Aber das Highlight des Tages ist – zumindest in meinen Ohren – „The Ravens Flight“, während bei den beiden letzten Songs „The End of the Line“ und „The Calling“ wieder das unsägliche Umhängekeyboard zum Zuge kommt. Die Stimmung ist deshalb allerdings nicht schwächer, aber optisch… Egal: nach gut 45 Minuten werden die Schweizer mit grossem Applaus und (leider erfolglosen) „Zugabe“-Rufen verabschiedet. Stark!
Setlist Crown of Glory
- Storm
- Inspiration
- Savior
- Morpheus Dream
- The Raven’s Flight
- One fine Day
- The End of the Line
- The Calling
COP UK
Als nächstes stehen COP UK auf dem Programm. Hardrock, Glam Metal – sowas in der Art sollen die spielen. Wäre eigentlich meins – aber vielleicht sind’s erste Müdigkeitserscheinungen, kombiniert mit dem Wissen, was da noch kommt. Das Intro „March of the Empire“ aus Star Wars ist natürlich cool, aber irgendwie komme ich hier nicht auf Touren. Auch wenn Sänger Dale Radcliffe optisch an Steel Panther Drummer Stix erinnert (man fragt sich unwillkürlich, ob die Haare unter dem breiten Stirnband echt sind…), mich packt’s nicht, und somit ist etwas Pause und rumhängen angesagt. Viele der Anwesenden sehen das offenbar ähnlich und so haben die Jungs aus Sheffield deutlich weniger Publikum als ihre Vorgänger. Aber die Spielfreude lassen sie sich trotzdem nicht nehmen, gut so.
Setlist COP UK
- The Core
- Body and Soul
- My Blood
- I think I can save you
- Kiss of an Angel
- Catch me if you can
- Stranger than Fiction
- Halo
- Love is to die for
- One in a Million
- Blown away
- Accidents happen, even here
Mystic Prophecy
Meine Meinung zu Mystic Prophecy ist hinlänglich bekannt: verkannt und unterbewertet, obwohl die Band konstant starke Alben raushaut. Um es vorweg zu nehmen: heute legt die Band gegenüber „meiner“ letzten Show in Wetzikon nochmals einen Zacken zu! Dies liegt vor allem auch an Gitarrist Markus Pohl, der heute wieder richtig Vollgas geben kann und nicht als „Keyboarder“ fungieren muss wie vor einem Monat! Auch wenn er nach der Show sagt, dass er immer noch Probleme hat – man sieht ihm jedoch nichts an!
Dann ist es heute nett, dass man die Band auch mal gut im Licht hat, so realisiert man nämlich, dass hier alle mächtig Spass haben. Drummer Tristan Maiwurm ist unglaublich cool, der jagt Doppelbassgewitter in den Laden und sitzt dabei da, wie wenn er Jazz spielen würde. Joey Roxx am Bass hat ebenfalls mächtig den Plausch – vielleicht auch darum, weil viele Landsleute hier sind…? Das Gitarren Duo Markus Pohl und Laki Ragazas liefert sich ein ums andere Mal Duelle und über allem steht der souveräne Fronter und Kapellmeister R.D. Liapakis.
Die Setlist verbindet Altes und Neues, wobei schon erstaunt, wie homogen das alles ist – bei vielen Bands will man oftmals eher die alten Songs hören. Hier trifft das so nicht zu, auch wenn natürlich „Evil Empires“ oder „Satanic Curses“ immer Highlights sind. Aber das sind auch Nummern wie „The Cruzifix“, „We kill! You die!“, die neue Hymne „Metal Brigade“ oder das alles überragende „Ravenlord“. Für einmal wüsste ich kaum etwas auszusetzen an der Setlist, zumal glücklicherweise auch auf das unsägliche Cover „Sex Bomb“ verzichtet wird. So ist der einzige Wermutstropfen, dass „The Devil is back“ über die Klippe springen muss, obwohl auf dem Papier aufgeführt. Doch schlussendlich ist das verschmerzbar, denn Mystic Prophecy zeigen hier einen saugeilen Gig und werden mächtig abgefeiert. Zurecht!
Setlist Mystic Prophecy
- Kill the Beast
- Savage Souls
- The Cruzifix
- Killhammer
- War Panzer
- To Hell and back
- We kill! You die!
- Hate Black
- Metal Brigade
- Evil Empires
- Satanic Curses
- Burning out
- Ravenlord
- Paranoid
Brainstrom
Somit bleibt der Headliner. Auch hier sag ich das nicht zum ersten Mal: dass Brainstorm vor so einer Kulisse auftreten „müssen“, ist unverständlich. Eine der geilsten Live Bands auf dem Planeten, dazu sozusagen ein Heimspiel im Schwabenland – und dennoch sind es erschreckend wenige Zuschauer, die sich da vor der Bühne tummeln. Aber: die haben dafür doppelt und dreimal mehr Spass! Und das überträgt sich auch auf die Band, die auch heute solide und spielfreudig ist, wie eh und je. Gitarrist Todde bestellt bereits nach zwei Songs Jacky Cola. Und als er kurz darauf auch einen trinkt, „meckert“ Andy über die Uhrzeit (es ist bereits nach Mitternacht), was Todde mit einem lapidaren „Es ist nie zu spät für einen Jacky Cola!“ kommentiert.
Die Setlist hat die Band im Vergleich zum Metalacker vor zwei Monaten wieder etwas umgebaut, diesbezüglich vermisse ich vor allem „Recall the Real“. Wenn es zudem sonst eine Schwäche gibt, wäre das im Mittelteil, da packen mich „In the Blink of an Eye“ und „Shiver“ heute nicht so sehr. Doch dies ist Jammern auf hohem Niveau! Todde ordert derweil die nächste Ladung Drinks und kommentiert: „Es ist auch nie zu FRÜH für einen Jacky Cola!“ Das Publikum feiert unverdrossen alte und neue Songs (sehr ausgewogene Setlist, alle Alben seit „Metus Mortis“ sind wieder berücksichtigt), wobei von letzterer Kategorie „We are…“ ein Highlight darstellt. Andy’s schwäbische Ansagen sind einfach klasse und bei der Bandvorstellung geht der Frontmann fast als Comedian durch. „Die Pizza kommt aus China! Steht so bei Wikipedia, also ist es so!“
Wie singfreudig die anwesenden Fans sind, zeigt sich beim Gassenhauer „All those Words“, dem „letzten“ Song. Die Band hat die Bühne längst verlassen, das Publikum singt unbeirrt weiter. Und weiter. Und weiter… das nimmt schon fast Ausmasse wie bei Guardian’s „Valhalla“ an! Die Jungs sind unterdessen zurück, Todde nimmt das Mikro und will eigentlich den Sänger noch vorstellen. Doch er kommt nicht zu Wort, denn noch immer singt das Publikum „All those Words“!
Schlussendlich geht’s dann doch und die Band spielt noch zwei Zugaben. Nach dem Klassiker „Erased by the Dark“, folgt eine faustdicke Überraschung: von „Metus Mortis“ gibt’s „Under Lights“! Eine Nummer, die ich noch nie live gehört habe und ein grossartiges Ende einer erneut geilen Show. Zwar stehen auf der Setlist auch noch „..and I wonder“ sowie „Hollow Hideway“, doch mit dem letzten Ton von „Under Lights“ wird der Strom abgedreht respektive Musik ab Konserve eingespielt. Sehr schade, vor allem „… and I wonder“ hätte ich verdammt gerne mal wieder live gehört! So ist aber nach etwa 95 Minuten endgültig Schluss. Insgesamt würde ich jetzt sagen, dass es auf dem Metalacker einen kleinen Tick besser war, dies liegt aber wohl zu einem grossen Teil auch daran, dass da ein Vielfaches an Zuschauern da waren, die für Stimmung sorgten. Nichtsdestotrotz: Brainstorm liefern auch hier ein fantastisches Konzert, welches deutlich mehr Fans verdient hätte! Oder habe ich das schon gesagt…?
Setlist Brainstorm
- Falling spiral down
- Worlds are comin‘ through
- The World to see
- Firesoul
- Forsake what I believed
- Highs without lows
- We are…
- In the Blink of an Eye
- Shiver
- Shiva’s Tears
- Fire walk with me
- How do you feel
- Blind Suffering
- All those words
- Erased by the Dark
- Under Lights
Bleibt noch zu erwähnen, dass einige der gelieferten Jacky Cola nicht von den Musikern getrunken werden – nach Konzertende drückt man mir auch noch so ein Ding in die Hand. Na toll, danke Harry… Aber das wird auf meinem 25-minütigen Weg zurück ins Hotel grad wieder abgearbeitet! Gute Nacht…
Samstag, 22. Oktober 2016
Wenig Schlaf, Frühstück, erste Ladung Fotos auf den PC laden und nach dem Mittag bei einem Bierchen Bericht schreiben – so vergeht die Zeit, bis es wieder raus in die Kälte geht. Während dem Marsch hält ein Auto mit Aargauer Nummer, der Fahrer sucht den Weg zum Festival und nimmt mich freundlicherweise grad als lebendes Navi mit. Danke nochmals an dieser Stelle!
Spite Fuel
Erste Band des heutigen Tages: Spite Fuel. Danny, die gute Seele vom Metalacker, meint im Vorfeld, dass ich mir die Jungs unbedingt ansehen müsse. Also gut, mach ich das!
Spite Fuel kommen aus Heilbronn und haben heute den undankbaren Job als Opener. Doch im Gegensatz zu ihren „Leidensgenossen“ vom Vortag, stehen doch etwa zwei Dutzend Leute bereit, die sich auf coole 40 Minuten Hardrock und Heavy Metal freuen. Auffallend ist zudem Sänger Stefan Zörner, der äusserst agil und motiviert auf der kleinen Bühne rumspringt und die Leute pausenlos (und durchaus erfolgreich) zum Mitmachen animiert. Der steht definitiv nicht das erste Mal auf einer Bühne… Als erste Band des Weekends wagen es Spite Fuel eine Ballade zu spielen. Oder Halbballade. Oder Powerballade. Oder wie man das nennen will. Jedenfalls ist der erste Teil von „Stillborn“ für meinen Geschmack ZU ruhig, da gefällt mir „Never surrender“ direkt im Anschluss deutlich besser. Das brätscht richtig und macht Spass! Gegen Ende lässt meine Konzentration dann zwar etwas nach, aber dennoch eine Neuentdeckung für mich, mit der ich mich beschäftigen werde. Später am Abend hab ich noch kurz die Gelegenheit, ein paar Worte mit Fronter Stefan zu wechseln, in der Tat ein sympathischer Zeitgenosse.
Stop Stop
Während am Vortag mehr der „ernste“ Metal dominierte, ist heute schwer Party angesagt. Denn die zweite Band treibt alles jetzt noch auf die Spitze: Stop Stop aus Barceloningham geben sich die Ehre. Zweifellos sind die Spanier das Schillerndste, was auf diesem Festival auftritt. Die Haarpracht von Drummer Danny ist schon krass (und die ist echt!), Gitarrist Vega verkörpert den Glam Metal perfekt und Sänger / Bassist Jacob sticht natürlich mit seinem weiss angemalten Gesicht und seinem flauschigen Mikrofonständer heraus. Nebenbei erachten alle Oberkleidung für unnötig, wobei der Fronter in Latzhosen auch in dieser Kategorie den Vogel abschiesst.
Also: die musikalische Stilrichtung ist klar – ein Mix aus Steel Panther und Mötley Crüe. Wobei man dann doch die Einschränkung machen muss, dass das Trio schon noch einen rechten Weg hat, um diesbezüglich zu den Vorbildern aufzuschliessen. Doch sämtliche allfälligen Mankos macht das Trio wett mit einer unglaublichen Party. Wer hier kein Grinsen in sein Gesicht bekommt, muss wohl fast tot sein. Jacob hüpft, springt, ein Zappelphillipp, steht kaum eine Sekunde still, malträtiert seinen Bass und singt nebenbei tadellos. Vor der Bühne befindet sich eine stattliche Anzahl feierwütiger Fans, einige sogar aus Berlin angereist – stilecht mit Stop Stop Klamotten!
Als ich die Truppe vor ein paar Wochen an der Rocknacht in Tennwil gesehen habe, spielten sie für meinen Geschmack zu viele Coverversionen. Heute gibt’s in 65 Minuten nur den Klassiker „Proud Mary“ von CCR, gemixt mit AC/DC’s „Thunderstruck“, welches am Ende fast als Thrash Metal durchgeht. Ansonsten setzt die Band erfreulicherweise auf Eigenkompositionen. Mit mittlerweile drei Alben im Rücken sollte das allerdings kein Problem (mehr) sein. Herausstechend sind da das 80er Rip Off „Join the Party“, das durchaus auch von Genre Grössen aus L.A. sein könnte, sowie das abschliessende „Stop Stop“. Jacob besucht da die Leute im hinteren Teil des Clubs, also jene, die es sich auf den Sitzbänken gemütlich gemacht haben, und lädt alle zur Party ein. Herrliche Bilder und zum Schluss wird auch noch so richtig rockstarmässig das Drumset „zerstört“. Naja, zumindest fast… Jedenfalls ein herrlicher Abschluss eines aussergewöhnlichen Gigs.
Über die Band und ihre Herkunft gäbe es noch viel zu erzählen, vieles davon ist im Internet nachzulesen. Man kann jedoch wirklich sagen, dass vor allem Jacob mehr Dreck gefressen hat in seinem Leben als der grösste Teil aller Musiker. Den Spaniern wünscht man zweifellos einen grösseren und grossen Bekanntheitsgrad!
Maxxwell
Zeit für die zweite Schweizer Band auf dem Billing. Maxxwell sind längst keine Unbekannten mehr, zur Zeit sind sie zudem mit Kissin‘ Dynamite auf Tour durch Deutschland. Klar: nach der Partymucke von Stop Stop haben die Luzerner nicht gerade einen leichten Stand. Aber das kümmert den Fünfer überhaupt nicht. Die rocken richtig los, deutlich härter als ich persönlich erwartet hätte. Tja – schuldig im Sinne der Anklage: noch eine Band, von der ich (noch) keine CD’s mein Eigen nenne. Wird sich aber ändern…
Frontmann Gilberto Meléndez feuert das bereits aufgewärmte Publikum an, Hef Häfliger mit Wollkappe zaubert ein paar coole Solos aus seinen sechs Saiten und Drummer Oli Häller schneidet in voller Action Grimassen in Richtung jeder Kamera, die er sieht. Nach den starken „Black Widow“ und „Independent“ folgt mit der Halbballade „Nothing changes my Mind“ ein kleiner Stimmungsdämpfer, das folgende „Trails of Hate“ tönt zudem vom Stil her irgendwie schräg. Doch spätestens mit „Partykings“ kehren die Zuschauer zurück in den „Gute-Laune“-Modus. „Queen of the Night“ beendet nach gut 50 Minuten einen sehenswerten Auftritt.
Setlist Maxxwell
- Heads or Tails
- Slapshot
- Man of Steel
- No Pain no Gain
- Black Widow
- Independent
- Nothing changes my Mind
- Trails of Hate
- Partykings
- Fuck it!
- Queen of the Night
The New Roses
Weiterhin gute Laune garantiert auch der nächste Act: The New Roses aus Wiesbaden. Kick Ass Rock’n’Roll! Mit dem starken aktuellen Album „Dead Man’s Voice“ dürfte das auch kein Problem sein… Auch die neuen Rosen waren vor ein paar Wochen in Tennwil am Start. Dort haben sie mich nicht restlos überzeugen können, dafür spielten sie für meinen Geschmack zu wenig vom neuen Silberling. Doch der Anfang ist schon mal gut: „Thirsty“ bringt sofort Bewegung in die leider auch hier überschaubare Menge vor der Bühne. Fronter Timmy ist bester Laune und überzeugt mit seiner Reibeisenstimme, während Bassist Hardy mit etwas verstruppelter Frisur aussieht, als ob er grad aus dem Bett gekrochen wäre. Ist da etwa „Whiskey Nightmare“ irgendwie schuld daran…?
An der Darbietung der vier Herren ist nichts auszusetzen, die haben Spass, die machen Spass. Aber dass sie erneut „Dead Man’s Voice“ fast ignorieren, ist schon schade. Wenn ich das richtig mitbekommen habe, dann sind gerade mal drei Songs („Thirsty“, „Ride with me“ sowie der Titeltrack) auf der heutigen Setlist zu finden. Es ist ja nicht so, dass das ältere Material schlecht wäre. Aber Songs wie „Not from this World“, „Hurt me once (Love me twice)“ oder „I believe“ wären live sicher auch geil. Und wenn schon Balladen, dann von mir aus „What if it was you“…
Nichtsdestotrotz: heute gefallen mit The New Roses einiges besser als in Tennwil, keine Ahnung woran das liegt. Aber Hauptsache Spass!
Die untenstehende Setlist könnte allenfalls Fehler enthalten, ich bin mit dem ersten Album nicht so vertraut…
Setlist The New Roses
- Thirsty
- Gimme your Love
- Whiskey Nightmare
- My Hate survives
- For a While
- It’s a long Way
- Dead Man’s Voice
- Ride with me
- Devil’s Toy
- Without a Trace
Tri State Corner
Diverse Kollegen schwärmen für den Co-Headliner. Aber ausser dem Namen hab ich in der Tat noch nie einen Ton von Tri State Corner gehört. Das Besondere an dieser Deutsch-Griechischen Koalition ist die Verwendung einer Bouzouki. Das traditionelle griechische Instrument gepaart mit harten Gitarrenklängen? Alles andere als alltäglich!
Songs erkenne ich logischerweise keine, und so lasse ich die 65 Minuten einfach auf mich wirken. Da hat’s echt gutes Zeugs dabei, „Sooner or later“ hab ich mir notiert, aber auch „My Saviour“. Generell gefallen mir die Nummern besser, bei denen das griechische Element nicht so sehr dominiert und eher als Ergänzung genutzt wird.
Im Verlauf dieses Auftritts wird mir die Problematik dieser Location zudem deutlich vor Augen geführt. Während sich vor der Bühne vielleicht 50, 60 Leute aufhalten (unter anderem auch Mitglieder von Emerald Sun) – eigentlich eine jämmerliche Kulisse! (ja, ich wiederhole mich, ich weiss…) – sitzen sehr viele weitere Besucher in den Polstergruppen im übrigen Lokal. Und während da die Band auf der Bühne mal etwas ruhigere Musik macht oder auch in den kurzen Pausen zwischen zwei Songs, realisiert man das Geschwätz überall. Klar: jeder darf machen und schauen, was er will. Aber wenn dies in einem so kleinen Club wohl sogar die Bands mitbekommen, dann ist das schon irgendwie schade.
Lucky, der Sänger von Tri State Corner, lässt sich hingegen nicht beirren, hält selber die eine oder andere kleinere (oder grössere…) Ansprache und singt sich sonst höchst motiviert durch den Set. Das Publikum dankt es mit frenetischem Applaus.
Sicher ist das jetzt nicht die Musik, die ich mir den ganzen Tag anhören könnte, aber ich bin insgesamt doch positiv überrascht. Metal mit griechischen Einflüssen – irgendwie will man da plötzlich wieder mal Ferien auf Rhodos oder so buchen…
Setlist Tri State Corner
- Faster
- Nothing at all
- Free Prison
- Sooner or later
- Sleepless
- Kapia Stigmi
- My own World
- Sudden Turn
- Ela Na This
- My Saviour
- Beside you
- Déjà vu
- Home
Almanac
Um es vorweg zu nehmen: ich mag Almanac! Ich finde das Album „Tsar“ wirklich stark und hab das in den letzten Tagen auch immer wieder mal im Ohr gehabt. Auch das Konzert im Mini Z7 im Frühjahr hat mir prima gefallen. Aber heute? Nein, irgendwas passt heute einfach nicht. Es beginnt mit der krankheitsbedingten Abwesenheit von Brainstorm Sänger Andy B.Franck. Wie sein Kumpel David Readman erklärt, sei er schon am Vortag angeschlagen gewesen – wenn dem so ist (und warum soll man daran zweifeln?), dann hat dies Andy aber verdammt gut kaschiert! Gute Besserung!
Aber zurück zu Almanac. Also: Andy fehlt. Dazu hat der Soundmann jetzt wirklich am Regler gedreht, denn es ist so laut wie noch nie an diesem Weekend. Nahe an der Schmerzgrenze, trotz ansonsten insgesamt gutem Sound. Und dann sind da Songs auf der Setlist… Der Beginn mit „Tsar“ und dem saugeilen „Self-Blinded Eyes“ ist ja noch prima. Doch dann folgt „Dies Irae“ mit dem Operngesang von Jeanette Marchewka, das mag ja gut gemacht sein. Mich treibt das jedoch beinahe in die Flucht. Respektive zum Bierstand. „Hands are tied“ und „Children of the Future“ sind erneut hörenswert. „Nevermore“ hingegen ist der Song, der mich auf dem Album auch am wenigsten überzeugt. Und nun wechselt die Band in den LMO Modus. Der kleinen Zuschauermenge mag das gefallen, für mich ist das nix. Und da die früher erwähnten Berliner Stop Stop-Fans im gleichen Hotel nächtigen und jetzt aufbrechen, verzichte ich auf das geile „No more Shadows“ und beende etwas enttäuscht meinen Festival-Besuch. Mit der Hoffnung, dass auf dem Ice Rock im Januar dann der LMO Anteil wieder reduziert wird…
Setlist Almanac
- Tsar
- Self-Blinded Eyes
- Dies Irae
- Hands are tied
- Children of the Future
- Nevermore
- Suite Lingua Mortis III – Innocent
- Suite Lingua Mortis V – No regrets
- No more Shadows
- Empty Hollow
Fanzit
Grundsätzlich: ein tolles Festival und praktisch durchwegs tolle Bands, die ohne Wenn und Aber einen grösseren Besucheraufmarsch verdient hätten! Ich schätze mal, dass kaum 300 Leute da anwesend waren, sehr schade.
Die Location ist wie gesagt nicht das Gelbe vom Ei. Vor allem halt auch, weil man so gemütlich sitzen kann mit Blick auf die Bühne, das drückt zweifellos auf die Stimmung (wobei Sitzgelegenheiten natürlich sonst schon nötig sind!). Die äusserst magere Essensauswahl hab ich auch bereits erwähnt. Dafür war Sound und Licht der Hammer. Ich hätte nicht gedacht, dass ich fast 1‘200 Fotos zum Ausmisten haben werde…
Für mich war’s zudem eine Premiere: das dürfte mein erstes mehrtägiges Festival gewesen sein, bei dem ich alle Bands vollständig geschaut habe! Na gut, die letzten 20 Minuten fehlen, aber das ist jetzt ein Detail am Rande. Von den 12 Bands hat keine einen wirklich schlechten Auftritt hingelegt. Allfällige Enttäuschungen sind dann halt auf den persönlichen Geschmack zurückzuführen. Und weil ich alle Bands gesehen habe, mache ich für einmal noch eine kleine Liste zum Abschluss…
Bester Auftritt des Weekends: Brainstorm und Mystic Prophecy.
Überraschung des Weekends: Tri State Corner
Neuentdeckung des Weekends: Emerald Sun
Grösste Enttäuschung: Setlist von Almanac plus das Fehlen von Andy
Frisur des Weekends: Fraglos Danny von Stop Stop
Mikroständer des Weekends: das pinkig flauschige Ding von Jacob (Stop Stop)
Gitarre des Weekends: fraglos die im Lynch Mob – Wicked Sensation gemalte Klampfe von Timo Pflüger (Spite Fuel)
Einkaufsliste: CD’s von Stop Stop, Maxxwell, Crown of Glory und Emerald Sun stehen da drauf.
Wunschliste CD’s: Mehr von Stop Stop, Spite Fuel und The New Roses