The Final Countdown – Europe feiern in Zürich
Etwas mehr als 30 Jahre ist es her, seit Europe ihr Album „The Final Countdown“ mit dem gleichnamigen Superhit veröffentlichten. Ein Song, der seiner Zeit voraus war, denn 1986 war das „Millenium“ noch kein Thema, doch der Song wurde schlussendlich wohl DIE Hymne der Jahrtausendwende.
Doch wie viele andere Bands wurden auch Europe irgendwie nur auf diesen einen Titel reduziert. Was wirklich schade ist, denn dass die Schweden mehr drauf haben, wissen viele leider nicht. Aus Nostalgikern besteht zu einem grossen Teil dann auch das Publikum, welches an diesem Abend ins Volkshaus pilgert. Denn Europe haben angekündigt, „The Final Countdown“ in voller Länge zu spielen – und damit ist natürlich das Album gemeint…!
Tax The Heat
Doch bevor es soweit ist, gibt’s mit Tax the Heat noch etwas zum Aufwärmen. Die vier Briten sind das erste Mal in der Schweiz, schauen etwas nerdig aus und kredenzen leichten Hardrock. Nicht sehr spektakulär, aber auch nichts, wo man sofort weghören möchte. Gegen Ende gibt vor allem der Drummer zwischendurch ziemlich Gas und der Applaus nach vierzig Minuten ist doch recht wohlwollend.
Europe
Das Volkshaus ist weit entfernt von „ausverkauft“. Der Balkon ist geschlossen, und auch hinter dem Mischpult hat es viel Platz. Ich schätze mal, dass kaum 1‘000 Leute hier sind. Schon krass, wenn man bedenkt, dass beim ersten Gastspiel in der Schweiz am 31. Januar 1987 das Hallenstadion restlos ausverkauft war… Aber ja – die Zeiten ändern sich. Und sicher sind hier jetzt einige anwesend, die auch vor knapp 30 Jahren in der Halle waren! Wenn man sich so rumschaut, ist der Altersdurchschnitt sicher deutlich Ü40…
Europe bieten heute ein spezielles und in dieser Form sicher einmaliges Erlebnis: zwei ihrer Alben in kompletter Länge, Überraschungen in der Setlist bleiben somit aus. Es gibt dafür eine Zeitreise, die zudem auch auf zwei grossen Videoscreens untermalt wird. Diese Reise startet im hier und jetzt mit dem aktuellen Album „War of Kings“. Ja, ich gebe es zu: ich bevorzuge auch heute noch die „alten“ Europe („Prisoners in Paradise“ ist immer noch DAS Album in meinen Ohren!), auch wenn die neueren Dinge alles andere als schlecht sind. Somit bin ich mit den Songs von „War of Kings“ nicht sooo vertraut und dementsprechend auch gespannt, wie sich das entwickeln wird.
Bereits beim Opener „Hole In My Pocket“ fallen mehrere Dinge auf. Die bereits angetönten Screens sind ein Blickfang, die Lichtshow ist prima und Joey Tempest ist auch mit seinen 53 Jahren eine unglaubliche Rampensau! Der Fronter präsentiert sich zumindest zu Beginn fast als Alleinunterhalter und liefert dabei eine erstklassige Gesangsleistung ab. Mit der Zeit taut dann vor allem Gitarrist John Norum auch etwas auf und hat sichtlich Spass, während er ein paar saugeile Soli zockt. Basser John Levén hingegen bleibt fast unbeweglich an seinem Platz und als er ein einziges Mal auf die andere Seite der Bühne zu John Norum läuft, erschrickt man fast… Keyboarder Mic Michaeli spielt dafür mit Hut und Sonnenbrille, auch ihm ist der Spass anzusehen. Und Nummer fünf im Bunde, Drummer Ian Haughland, gibt den Takt an – im wahrsten Sinne des Wortes!
Wie gesagt sind mir die neueren Songs nicht so im Ohr, aber vor allem „Days of Rock’n’Roll“ sorgt für gute Laune, nicht nur bei mir. Joey überrascht davor das Publikum, als er in fast perfektem Schweizerdeutsch (!) fragt „Wie goht’s Eu?“ Auch später bringt er nochmals zwei, drei Sätze – aber er gibt lachend zu, dass er keine Ahnung hat, was er da redet…
Mit „War of Kings“ endet nach einer guten Stunde der erste Teil, welcher vom Publikum recht gut aufgenommen wurde. Die Stimmung ist wirklich ok – aber die kann noch besser werden. Und sie wird es…
Auf den Videoscreens werden jetzt die verschiedenen Alben mitsamt den Jahreszahlen eingeblendet – und erstaunlicherweise erntet vor allem „Prisoners in Paradise“ massenhaft spontane Jubelschreie! Doch als „1986“ eingeblendet wird, wird es ohrenbetäubend… Optisch perfekt untermalt beginnt das millionenfach gehörte Intro: „The Final Countdown“ beginnt! Im Volkshaus bricht Euphorie aus, anders kann man diesen Moment kaum beschreiben. Der zweite Megahit „Rock The Night“ wird natürlich ebenso abgefeiert und bei „Carrie“ wünscht man (oder zumindest ich) sich endgültig zurück in die 80er. Denn da gab es noch keine Handys – die werden hier dutzendweise und andauernd hochgehalten. So schlimm hab ich das lange nicht mehr erlebt. Verwackelte und übersteuerte Videoclips und hunderte unscharfer Handybilder werden gemacht – mit dem Resultat, dass ich und viele andere die Show manchmal nur durch Telefonbildschirme sehen können. Aber so ist das halt im Jahr 2016. Tragisch nur, dass es in diesem Fall für einmal die ältere Generation ist, die sich so verhält…
Doch zurück zur Musik. „The Final Countdown“ hat neben den ersten drei Songs natürlich noch viel mehr zu bieten. Seit jeher gehört „Danger On The Track“ zu meinen absoluten Favoriten und dass ich den wieder einmal live erleben darf, ist einfach fantastisch. Auch hier werden zudem Bilder aus der Vergangenheit auf die Screens projiziert: Fotos aus den 80ern, von Konzerten, Fotoshootings aus der ganzen Welt, zusammen mit Fans, Backstage Bilder. Bei „Ninja“ sind es dann richtigerweise Bilder von ihren Reisen nach Fernost. Alles ist perfekt abgestimmt und der Nostalgiefaktor steigt ins unermessliche. „Cherokee“, „Time Has Come“, „Heart Of Stone“: einfach geniessen und jeden Moment aufsaugen! So etwas gibt’s wohl nie wieder…
Seit ich im Besitz von „The Final Countdown“ bin (Album gekauft im Juni 1986) ist „Love Chaser“ mein unbestrittener Lieblingssong. Und somit treibt es mir heute richtig die Freudentränen in die Augen! Nach fast dreissig Jahren auch diese Nummer wieder mal live erleben zu dürfen. Wow… Nostalgie. Pure Nostalgie. Mit eine Wiederaufnahme des Titeltracks beenden Europe nach knapp zwei Stunden ihr aussergewöhnliches Programm und entlassen die Fans in die nasskalte Nacht.
Fanzit
Europe zeigen, dass „The Final Countdown“ nicht auf die drei Superhits reduziert werden darf und dass diese Scheibe als Ganzes auch heute noch eines der besten Werke des Genres ist. Dass man dieses Album so live präsentieren kann und darf, ist irgendwie keine grosse Herausforderung. Doch den Fans gleichzeitig auch „War of Kings“ in derselben Art vor den Latz knallen, das ist schon recht mutig. Ich find das jedoch gut, so bekommen die „richtigen“ Fans auch mal Songs zu hören, die sonst nie (oder nie mehr) den Weg auf eine Setlist schaffen („Love Chaser“…). Nur eine Bitte hätte ich noch: Europe sollen bald zurückkommen und dann „Prisoners in Paradise“ in voller Länge spielen…
Setlist Europe
- Hole In My Pocket
- The Second Day
- Praise You
- Nothin‘ To Ya
- California 405
- Angels (With Broken Hearts)
- Days Of Rock’n’Roll
- Children Of The Mind
- Rainbow Bridge
- Vasastan
- Light It Up
- War Of Kings
- The Final Countdown
- Rock The Night
- Carrie
- Danger On The Track
- Ninja
- Cherokee
- Time Has Come
- Heart Of Stone
- On The Loose
- Love Chaser
- The Final Countdown