Solider Symphonic Metal vom Stamm der Helvetier
INTRO
Die aargauische Symphonic Metal-Band treibt seit 2006 ihr Unwesen in der lokalen Szene. Damals hörte die Truppe noch auf den Namen «1 Hour». Etliche Mitgliederwechsel und auch eine Namensänderung prägten den weiteren Weg und die Entwicklung der Band. Heute kennen wir die Truppe unter dem Namen «Deep Sun». Das aktuelle Line Up besteht aus den folgenden Persönlichkeiten: Debora Lavagnolo (Gesang), Angelo Salerno (Bass), Eros Di Prisco (Gitarre), Tobias Brutschi (Schlagzeug), Pascal Töngi (Gitarre) und Tom Hiebaum (Keyboard). Im September des vergangenen Jahres veröffentlichte die Truppe ihren zweiten Silberling. Mit «Race Against Time» streben die Aargauer Musiker danach, sich nach den nationalen Erfolgen auch auf dem internationalen Parkett zu etablieren. Ob dieses Vorhaben gelingt, soll die nun nachfolgende Albumkritik zeigen.
DAS ALBUM – «Race Against Time»
Der Titeltrack ist für die Album-Eröffnung zuständig und bietet sogleich alles, was eine gelungene Symphonic Metal-Nummer ausmacht. Unbestritten auffällig ist dabei die fantastische Stimme von Frontröhre Debora. Sackstark, was die gute Dame so alles aus ihrem Sopran-Organ herausholt. Auch Toms «tröpfchenartige» Keyboard-Klänge passen optimal ins Song-Bild. Die Melodie erinnert mich stark an Songs der älteren Nightwish-Alben («Angels Fall First», «Oceanborn» und «Wishmaster»). Ein durchaus gelungener Auftakt, den uns «Race Against Time» hier bietet. Wie wird das Rennen wohl weitergehen?
«Riders Of Death» besticht durch ein optisches Intro, das einen gedanklich direkt in die Schlacht reiten lässt. Debora erhält während des Songs immer wieder männliche Unterstützung. Die kräftige Stimme brüllt uns «Fight!», «Ride!» und noch ein paar andere Aufforderungen entgegen. Leider konnte ich die Identität des Herrn nicht lüften. Ein durchaus schnelles Nümmerchen, dass sicherlich auch live eine Wucht sein wird. Die rund vier Minuten Spielzeit vergehen während des Hörens wie im Flug.
«à propos» Spielzeit. Mit lediglich 02:46 Minuten auf der digitalen Uhr entpuppt sich der nächste Track als kürzestes Werk der Platte. «The Believer» hätte meinetwegen gerne noch ein bisschen länger dauern dürfen. Die Nummer kommt nämlich sehr solide daher und fällt dann allerdings einem etwas zu abrupten Ende zum Opfer.
Nach den doch eher rasanten Songs kommt dann mit «Good Old Times» eine ruhige Nummer daher. Balladen-Zeit? Denkste! Nach gut 50 Sekunden deuten die feinen Keyboard-Klänge eine massive Temposteigerung an. Und ab geht die Post! Ja, auch dieser Song gehört für mich zwingend in die Setlists von künftigen Auftritten. Das Publikum würde es Deep Sun sicherlich danken und fleissig die Mähnen schütteln. Deboras Stimme kommt übrigens sowohl mit den langsameren als auch den schnelleren Passagen äusserst gut zurecht, chapeau!
Auch bei «Dreaming Leprechaun» werde ich das Gefühl nicht los, diese Melodie schon einmal irgendwo gehört zu haben. Kopieren Deep Sun hier einfach nur schlichtweg Material von bestehenden Genre-Grössen oder handelt es sich viel eher um den Versuch, seinen eigenen Stil in ein doch eher ausgelutschtes Metal-Genre einzubringen? Es lässt sich wohl nicht vollends beurteilen. Versteht mich nicht falsch, ich bin ein grosser Anhänger des Symphonic Metal. Nichtsdestotrotz ist es in dieser Stilrichtung extrem schwierig das Rad neu zu erfinden. Wie auch immer… Ohne Zweifel überragend ist – und da wiederhole ich mich sehr gerne – Deboras Stimme. Töne scheinen bei ihr vor allem in den höheren Lagen keine Grenzen zu kennen.
Bei «Nostalgia» ist dann definitiv Balladen-Zeit. Solche in gemässigtem Tempo komponierten Stücke dürfen sowieso auf keiner anständigen Symphonic Metal-Platte fehlen. Hauptsächlich begleiten uns Piano-Klänge und Gesangskehlchen Debora durch den Song. Zuhören, zurücklehnen und geniessen. Eine kleine Entspannung zu Beginn der zweiten Albumhälfte ist selten verkehrt.
Mitreissende Gitarrenriffs läuten den nächsten Song ein, ehe der opernhafte Gesang von Debora den Hörer sofort wieder in den Bann zieht. Wenn ein Track schon denselben Namen wie die Band trägt, dann sollte sie sich auch darin verwirklichen können. Und genau dies gelingt den Aargauer Musikern mit «Deep Sun». Eine Symphonic Metal-Hymne aus dem Lehrbuch, angereichert mit einer Prise Bombast und «Epicness». Auch die männliche Stimme ist wieder am Start und brüllt fleissig Schlagwörter ins Mikrofon. Ich gehe jetzt einfach einmal davon aus, dass es sich dabei um einen Bandkollegen von Debora handelt.
«For Eternity» haut mich dann hingegen nicht wirklich aus den Socken. Es ist zweifellos eine solide Nummer, aber irgendwie macht es bei mir hier trotzdem nicht «klick». Da kommen die anderen Songs des Albums eindeutig stärker und fesselnder daher.
Beinahe acht Minuten dauert schliesslich der längste Track des Albums. «Des Königs Krieger» besticht wieder durch ein episches Intro und motiviert den Hörer nach der Axt oder dem Schwert zu greifen und sich direkt ins wilde Getümmel zu stürzen. Ach ja, gesungen wird dieses Mal in deutscher Sprache. Eine willkommene und gelungene Abwechslung. So spontan kommt mir gerade keine andere Symphonic Metal-Band in den Sinn, die ihre Texte auf Deutsch interpretiert. Kann man durchaus einmal so machen. Ungewohnt, aber mir gefällt’s. Die Tempo-Zunahme in der zweiten Song-Hälfte weiss zu überzeugen. Vor allem das Wettrennen zwischen Keyboard und Bass ist hörenswert. Auch dieser Song zählt zu meinen Favoriten auf dem Album.
«Dark Ravine» hört sich dann schon wieder verdammt nach Nightwish aus der Tarja Turunen-Ära an. Offenbar scheint irgendjemand von Deep Sun einen guten Draht zu Tuomas Holopainen beziehungsweise seinem Komponier-Stil zu haben. Auch diese Nummer ist nicht schlecht, aber von mir gibt es hier trotzdem nur das Prädikat «Alles schon einmal irgendwie irgendwo gehört».
Und schliesslich folgt mit «Whispering Screams» noch der Album-Abschluss. Eine gefühlvolle Ballade, die einmal mehr durch Piano-Klänge und Deboras Stimme geprägt wird. Mit diesen ruhigen Klängen im Rücken erreicht die Zuhörerschaft schliesslich die Ziellinie der «Race Against Time»-Strecke.
FAZIT
Grundsätzlich solider Symphonic Metal aus unserer CH-Metal-Nation, der sich aber wohl des Öfteren mit Vergleichen zu alten Nightwish-Platten oder gar dezenten Kopier-Vorwürfen auseinandersetzen muss. Allerdings ist es wie bereits erwähnt eine echte Herausforderung, das Symphonic Genre komplett neu zu erfinden und einen ganz eigenen Stil zu finden. Talent und Potenzial sind bei Deep Sun jedoch ohne Zweifel vorhanden. Insbesondere die Stimme von Sängerin Debora ist eine echte Wucht. Sie muss sich definitiv nicht hinter ihren metallischen Sopran-Kolleginnen verstecken. Die Entwicklung der Band wird man definitiv durchaus gerne weiterhin gespannt verfolgen dürfen. Symphonic Metal-Liebhaber können bei «Race Against Time» unbesorgt zugreifen und werden sicherlich ihre Freude an der Platte haben.
Ausserdem besteht bereits bald die Möglichkeit Deep Sun live in Aktion erleben zu können. Die Truppe wird nämlich am diesjährigen Swiss Metal Masters im Casino Wohlen einen Auftritt haben. Interessierte sollten sich somit den 4. Februar fett in ihrer Agenda markieren.
Reinhören und portofrei bestellen
Trackliste DEEP SUN – Race Against Time
- Race Against Time
- The Believer
- Riders Of Death
- Good Old Times
- Dreaming Leprechaun
- Nostalgia
- Deep Sun
- For Eternity
- Des Königs Krieger
- Dark Ravine
- Whispering Screams
Line-up Deep Sun
- Debora Lavagnolo (Vocals)
- Angelo Salerno (Bass)
- Eros Di Prisco (Guitar)
- Tobias Brutschi (Drums)
- Pascal Töngi (Guitar)
- Tom Hiebaum (Keys)