Pleasure To Kill!
Die Götter der Gewalt legten das ausverkaufte Z7 am Sonntag in Schutt und Asche. Kreator kamen aber nicht alleine. Mit Sepultura, Soilwork und Aborted waren gleich drei laute Support-Acts mit von der Partie. Alles Weitere folgt nun wie üblich in den nachfolgenden Zeilen.
Sonntagabend. Herr und Frau Schweizer sitzen gemütlich auf dem Sofa und ziehen sich die neuste Tatort-Folge rein. Dies gilt allerdings nicht für die Kleinstadt Pratteln im Kanton Baselland. Eine schwarzgekleidete Masse strömt in Richtung Kraftwerkstrasse 7. Die sich dort befindende Halle wird am heutigen Abend einmal mehr zum Paradies für Anhänger der lauten und harten Musik. Nackenmuskulatur und Gehörgänge können sich auf eine gehörige Dosis Metal gefasst machen. Neben den Thrash-Veteranen Kreator werden ebenfalls noch die brasilianischen Grab-Monster Sepultura, Schwedens Melodic Death Metal Export Soilwork und die belgische Abrissbirne Aborted auf der Bühne stehen.
Etwa um sechs Uhr treffen wir beim Z7 ein. Seit einer halben Stunde sind die Pforten geöffnet. Nach Abholung des «Journi-Stempels» an der Abendkasse geht’s subito hinein ins Halleninnere. Glücklicherweise bleibt uns ein grosses «Ansteh-Ghetto» erspart. Die meisten Metalheads stehen bereits drinnen herum oder befriedigen draussen ihre Nikotin-Sucht. Das ausverkaufte Z7 und ich sind ehrlichgesagt nicht gerade die besten Freunde. Allerdings lässt es sich bis jetzt noch ziemlich gut aushalten. Beinahe problemlos banne ich mir einen Weg zu «meinem» Pfosten. Mit der passenden Flüssignahrung ausgestattet warte ich gespannt auf die erste Darbietung des Abends. Dazwischen werde ich immer wieder in Gespräche mit altbekannten Gesichtern verwickelt. Das wird ohne Zweifel ein intensiver Abend.
ABORTED
Um zwanzig vor sieben schreiten dann schliesslich Aborted auf die Bühne. Umgehend legen sie mit vollem Einsatz los. Die knüppelharte Mischung aus Death Metal und Grindcore bringt die Nackenmuskulatur gehörig ins Schwitzen. Aborted machen keine Gefangenen und überrollen das Publikum förmlich. Im Gegensatz zu vielen anderen Konzerten scheint die anwesende Meute bereits zu diesem Zeitpunkt mehrheitlich wach zu sein. Allerdings lässt Aborteds laute und wuchtige Musik auch kein Nickerchen zu. So fliegen munter Haare durch die Gegend. Ein kleiner «Circle Pit» und eine «Wall Of Death» sind ebenfalls bereits erkennbar. Allerdings hat die Durchführung in beiden Fällen noch Verbesserungspotenzial.
Seit ihrer Gründung im Jahre 1995 hat die belgische Truppe schon etliche Besetzungswechsel miterlebt. Einziger Überlebender des sich dauernd drehenden Wechsel-Karussells ist Frontmann und Sänger Sven de Caluwé. Gewohnt aggressiv und gnadenlos brüllt der Glatzkopf in sein Mikrofon. Leider scheinen die Tontechniker keine Fans von ihm zu sein. Svens Stimmchen ist nämlich während des gesamten Auftritts viel zu leise eingestellt. Das «Epileptiker-Licht» ist der wahrgewordene Albtraum eines jeden Fotografen. Ich als Amateur bringe da kaum brauchbare Bilder zustande. Bleibt zu hoffen, dass mein Metalinsider-Kollege Röschu im Fotograben mehr Glück hat.
Showtechnisch beschränken sich Aborted auf gelegentlich emporsteigende Rauchsäulen. Viel mehr ist auch nicht nötig. Die brutalen Songs sichern der Truppe so oder so eine headbangende Masse. Rein genretechnisch sind die Belgier sowieso die härteste Band des heutigen Abends. Dass als Outro dann plötzlich Michael Jacksons «The Way You Make Me Feel» aus den Boxen erklingt, stellt dies bezüglich jedoch einen ziemlichen Kontrast dar. Dieses kleine Spässchen sei den Belgiern an dieser Stelle allerdings gegönnt.
SOILWORK
Kurz vor halb acht steht bereits die nächste Gruppe auf der Bühne. Soilwork aus Schweden erfüllen die Halle nun mit ihren Melodic Death Metal-Klängen. Angeführt von Sänger Björn Strid servieren uns die Jungs ein dreiviertelstündiges Konzert-Menü. Bereits beim zweiten Track folgt die über Soilwork-Hymne «Nerve». Auch ich bin ein grosser Fan dieses Songs der 2005er-Platte «Stabbing The Drama». Björns Fähigkeit rasch zwischen Growls und klarem Gesang zu variieren kommt hier jeweils besonders gut zur Geltung. Allerdings hätte auch sein Mikro ruhig noch etwas besser justiert sein dürfen. So kann er leider seine Stimmgewalt nicht vollends entfalten. Dadurch lässt sich die Truppe jedoch nicht beirren und gibt wie zuvor Aborted ziemlich Gas. Mir persönlich haben Soilwork bei ihrem Headliner-Gig im vergangenen Juli – ebenfalls in dieser Halle – noch etwas besser gefallen. Heute kommen sie nicht ganz an diese Show heran.
Die beiden Gitarristen Sylvain Coudret und David Andersson sind in bester Spiellaune. Unermüdlich hauen sie ein Solo nach dem anderen raus. Dabei tragen die beiden Herren stets ein Grinsen im Gesicht. Björn kümmert sich wie gewohnt um die Kommunikation mit dem Publikum. Vor den letzten beiden Songs ernennt er einen glücklichen Kandidaten zu seinem persönlichen «Circle Pit-Captain». Dieser macht dann auch einen soliden Job und erhält lobende Worte von Björn. Sehr sympathisch.
SEPULTURA
«Sepultura do Brasil!». Damit ist unmissverständlich klar, wer als nächstes auf der Bühne antraben darf. Rasta-Mann Derrick Green und Kompanie. Wobei halt! Frisurentechnisch hat er sich offenbar an seinen zuvor aufgetretenen Sänger-Kollegen Sven und Björn orientiert. Man(n) trägt heute Glatze. Seine enorme Bühnenpräsenz wird dadurch allerdings nicht wirklich beeinträchtigt. Für viele Leute in der Halle stellen Sepultura das erste grosse Highlight des Abends dar. Diese Meinung kann ich jedoch nicht teilen. Sepultura durfte ich schon etliche Male live erleben – vorwiegend an Festivals. Während ihrer Auftritt stosse ich immer auf dasselbe Problem. Mit der Zeit wird mir der Sound der Truppe einfach zu eintönig. Und auch heute Abend werde ich erneut von diesem Problemchen eingeholt. Eine Stunde Sepultura ist mir einfach zu lang. Derrick und Co. geben sich ohne Zweifel Mühe, aber mein metallisches Herz können sie heute Abend nicht wirklich erwärmen. Gerne hätten Sie meinetwegen ihren Slot mit denjenigen von Aborted oder Soilwork tauschen können. Bisher ist dies der schwächste Auftritt des heutigen Abends.
Sepultura sind eine der wenigen Truppen, die mir auf Platte besser gefallen als während Live-Shows. Den neuen Silberling «Machine Messiah» finde ich beispielsweise genial. Was mir hingegen ziemlich auf den Sack geht, sind die ständigen Diskussionen rund um Max Cavalera. Diese alten Geschichten sollte man jetzt wirklich einmal ruhen lassen. Es dürfte inzwischen genügend Interviews geben, die eindeutig gegen eine Reunion zwischen Max und Sepultura sprechen. Leider können trotzdem einige Fans immer noch nicht damit abschliessen. Und so schlecht macht der gute Derrick seinen Job am Mikro am Ende auch wieder nicht.
KREATOR
Songs von Judas Priest, Iron Maiden und Metallica stimmen die Halle dann auf den grossen Headliner ein. Wie werden die Thrash Metal-Veteranen abschneiden? Welche Show erwartet uns? Bisher durfte ich Kreator ausschliesslich an Festivals live erleben. In Wacken kann man jedoch nach einem intensiven Konzert-Tag eine Kreator Show um 1 Uhr nachts nicht mehr wirklich geniessen. Heute Abend bin ich dagegen bestens ausgeruht und fühle mich – trotz der drei kräftezehrenden Vorgruppen – überaus bereit für Mille Petrozza und seine Truppe. Mögen die Kreator-Festspiele beginnen!
Um 22 Uhr entzünden zwei maskierte Gestalten je eine Feuerschale auf beiden Bühnenseiten. Mit «Choir Of The Damned» vom 1986er Silberling «Pleasure To Kill» ertönt parallel dazu der standardmässige Live-Show-Eröffnungs-Track aus den Boxen. Dazu erscheinen unter frenetischem Applaus Mille, Sami Yli-Sirniö, Christian «Speesy» Giesler und Jürgen «Ventor» Reil auf der Bildfläche. Und die Herrschaften fackeln nicht lange. In fliessendem Übergang wird direkt «Hordes Of Chaos» auf das Publikum losgelassen. Welch ein furioser Start! Der anwesenden Zuhörerschaft prescht nun ein gnadenloses Thrash-Feuerwerk entgegen. Jürgen knüppelt wie ein Irrer auf seinem Schlagzeug herum während Milles aggressive Schreie die Masse komplett durchdrehen lässt. «Everyone against everyone. Chaos!”. Kreator zeigen bereits in dieser frühen Phase ihres Auftritts, wer heute Abend Chef im Hause ist. Brutales «Geknüpple» garantiert auch der nächste Track «Phobia». Nach diesem Konzert haben sich meine Nackenmuskeln definitiv Ferien verdient.
Die laufende Tour steht primär im Zeichen der neuen Kreator-Scheibe «God Of Violence», die Ende Januar erschienen ist. Mit «Satan Is Real» und dem Platten-Titeltrack selbst kommt das Publikum in einen ersten (Live-)Genuss des neuen Materials der Thrash-Titanen. Qualitätstechnisch müssen sich diese beiden Nummern jedoch keinesfalls hinter den älteren Kreator-Ergüssen verstecken. Das ist schlichtweg Thrash Metal vom Feinsten. Aber selbstverständlich kommen auch die altbekannten Hymnen der Herrschaften nicht zu kurz. Paradebeispiel ist dabei wohl ganz klar «Phantom Antichrist». Passend dazu flackern auf kleinen Videoleinwänden im Hintergrund Ausschnitte des Album-Covers über den Schirm. Den hässlichen Dämon erkennt man sofort. Die Videoleinwände kommen ebenfalls beim drauffolgenden, neuen Song «Fallen Brother» zum Zug. Genau wie im Videoclip sind nun Gesichter der verstorbenen Metal- und Rock-Helden zu sehen. Auffällig sind insbesondere die Antlitze von Cliff Burton und Lemmy Kilmister. Welch ein emotionaler Moment und eine gelungene Hommage von Mille und Co.
Mitreissend ist ebenfalls der ausgiebige Einsatz von Pyrotechnik. In spektakulärer Manier schiessen bei einigen Songs immer wieder Flammensäulen bis an die Hallendecke empor. Die Hitze macht sich sofort auf der Haut bemerkbar. Das Zusammenspiel zwischen Feuer und Musik harmoniert speziell beim Song «From Flood Into Fire» ausgezeichnet. Milles Stimmorgan weist heute Abend keine Schwäche auf. Gekonnt rackert er sich durch die Setlist und erteilt den Fans zwischendurch fleissig «Mosh-Befehle». Mit Sami haben die Deutschen auch einen Finnen in der Mannschaft. Und dieser legt heute Abend regelmässig bärenstarke Soli aufs Parkett. Chapeau!
Der Zugaben-Block hat es dann schliesslich ebenfalls in sich. Mit «Violent Revolution» und «Flag Of Hate» gehen nochmals zwei waschechte Nackenbrecher an den Start. Bei der letztgenannten Nummer schwingt Mille effektiv eine riesige Flagge durch die Gegend. Mit «Pleasure To Kill» findet der überragende Headliner-Auftritt nach rund 90 Minuten ein würdiges Ende. Kreator lassen ein total zerstörtes Publikum zurück. Was für eine hammermässige Show, wow!
FAZIT
Kreator haben heute Abend eindrücklich bewiesen, dass sie auch nach über 30 Jahren im Metal-Business noch längst nicht zum alten Eisen gehören. Das war schlichtweg eine Machtdemonstration. Auch Soilwork und Aborted haben sich – trotz der jeweils zu leise eingestellten Sänger-Mikros – wacker geschlagen. Einzig Sepultura konnten irgendwie nicht vollends überzeugen. Den heutigen Publikums-Aufmarsch mag ich allen Truppen gönnen. Persönlich bin ich – wie bereits erwähnt – jedoch kein grosser Fan des ausverkauften Z7. Während der Umbau-Phasen hätte man ruhig gerne öfters das grosse Eingangstor öffnen können, um die Halle etwas mit Frischluft zu versorgen. Ansonsten war die Veranstaltung definitiv ein voller Erfolg. In dieser Verfassung kann ich Mille und Co. ohne Bedenken weiterempfehlen. Dank einer «motorisierten» Kollegin musste ich mir heute Abend übrigens keine Gedanken bezüglich des letzten Zuges Richtung Zürich machen. Dadurch verpasste ich keine Sekunde dieser genialen Kreator-Show.
Setliste – Aborted
- Divine Impediment
- Cadaverous Banquet
- Meticulous Invagination
- Hecatomb
- Coffin Upon Coffin
- Termination Redux
- Threading On Vermillion Deception
- Bit By Bit
Setliste – Soilwork
- The Ride Majestic
- Nerve
- Rise Above the Sentiment
- Bastard Chain
- The Living Infinite I
- The Chainheart Machine
- Two Lives Worth of Reckoning
- Late for the Kill, Early for the Slaughter
- Stabbing the Drama
Setliste – Sepultura
- I Am The Enemy
- Phantom Self
- Choke
- Desperate Cry
- Alethea
- Sworn Oath
- Inner Self
- Resistant Parasites
- Refuse Resist
- Arise
- Ratamahatta
- Roots Bloody Roots
Setliste – Kreator
- Choir Of The Damned (Intro 1)
- Hordes Of Chaos
- Phobia
- Bells (Intro 2)
- Satan Is Real
- Gods Of Violence Intro (Intro 3)
- Gods Of Violence
- People Of The Lie
- Total Death
- Mars Mantra (Intro 4)
- Phantom Antichrist
- Fallen Brother
- Army Of Storms
- Enemy Of God
- From Flood Into Fire
- Apocalypticon (Intro 5)
- World War Now
- Hail To The Hordes
- Extreme Aggression
- Civilization Collapse
- The Patriarch (Intro 6)
- Violent Revolution
- Flag Of Hate
- Under The Guillotine
- Pleasure To Kill
- Death Becomes My Light (Outro)