Die drei grössten Rock-Bands der Schweiz geben sich die Ehre
Die Rede ist von Shakra, Krokus und Gotthard. Mit der altehrwürdigen Festhalle auf dem BEAExpo-Gelände in Bern wurde aus meiner Sicht in Sachen Grösse die richtige Location für diesen Anlass gewählt. Obwohl ich im Vorfeld einmal mehr ein Fragezeichen zur Akustik habe. Denn die Halle mag zwar gut für Events wie Michael Mittermaier oder für eine Lesung sein, für Rock oder Metalsounds ist die Halle aber nicht konzipiert. Aber lassen wir heute die Vorurteile mal zu Hause und gehen wir erst mal vor Ort.
Vor dem Konzert / Lagebericht
Soeben angekommen traue ich meinen trüben Augen nicht: Ich wusste, dass das Konzert in Bern restlos ausverkauft war. Nachdem das zweite Konzert (am Samstagabend in der Samsung Hall in Dübendorf) bereits lange davor Sold out war, war damit zu rechnen, dass auch Bern dies für einmal schafft. Aber was ich nun sehe verschlägt einem eingefleischten Rock- und Metalhead trotzdem mal kurz die Sprache. Massen, ja richtig gelesen MASSEN bewegen sich Richtung Festhalle, die ankommenden Trams platzen aus allen Nähten, der Vorplatz der Festhalle ist vollgepumpt mit freudig erregten Gemüter, welche sich auf die bevorstehende – hoffentlich legendäre – Nacht freuen.
Treten wir aber mal ein und bestaunen den riesigen Merchandising-Stand, welcher schon vor dem Konzert äusserst gut besucht ist. Also anstehen macht mal keinen Sinn und weiter geht’s in die Halle selbst.
Ich muss voraussenden, dass ich schon gefühlte 1 Million Mal in dieser Halle war. Aber der heutige Anblick schlägt alles bisher erlebte. Zuerst scheint es kaum möglich überhaupt in die Halle vorzudringen, so gefüllt ist diese (wohlgemerkt; Shakra hat noch nicht begonnen) schon. Ich sehe meine Aussichten auf einen guten Platz schwinden. Trotzdem gelingt es mir durch das Menschenlabyrinth weiter nach vorne vorzudringen um einen optimalen Platz für die zu schreibende Review zu ergattern. Nochmals wandern meine Augen durch die Halle: Ich sehe Kinder und Erwachsene aus jeder Altersgruppe bis hin zum Greis, welchen ich auf satte 70 Jahre schätze. Ich sehe gut gestylte Typen und auch Herren im Schwinger Hemd. Ich glaube ganz Bern und Umgebung ist heute in die Festhalle gepilgert um dabei zu sein. Kein Bauerndorf scheint zu weit weg zu sein um heute die Reise nach Bern anzutreten. Und ich fühle es, viele der Zuschauer sind mit einer dieser Bands irgendwie verbunden. Manche noch nicht so lange, andere wohl schon von Beginn an oder mindestens über Jahrzehnte. Es ist der Event dieses Wochenendes in Bern (die Fasnacht mal ausgenommen). Es wird dunkel in der Halle, es ist genau 19.00 Uhr und eine Welle der Begeisterung rauscht durch die Reihen. Shakra werden den Abend mit ihrem Set eröffnen.
Shakra
Die Emmentaler haben heute natürlich ein Heimspiel, das ist klar. Es gibt wohl kaum jemanden in Bern, welcher Shakra nicht kennt, das kommt den Rockern natürlich von Anfang an zu Gute. Die Stimmung ist bereits ausgelassen, wahrscheinlich trägt dazu auch das Bier bei, dass Massenweise in die Kehlen geschüttet wird. Es ist eine Art Volksfest heute und in der Halle ist es bereits so warm wie am karibischen Strand. Mit „Hello“ starten die Jungs angeführt von Mark Fox in ihr Set. Shakra ist definitiv wieder Shakra seit Mark zurück in der Band ist. Dass er immer noch polarisiert ist klar. Viele mögen den etwas „durchgestylten“ Typ Mensch nicht. Aber der Typ hat eben etwas, wovon andere träumen können: Eine Rockröhre schlechthin. Das Timbre der Stimme passt halt einfach perfekt in die Hard-Rock Welt. Die Musik hallt erstaunlicherweise extrem gut abgemischt und druckvoll durch die grosse Halle. Die Akustik scheint heute Abend kein Thema zu werden. Es passt einfach perfekt. Vielleicht trägt auch dazu bei, dass die Halle heute wirklich gefüllt ist. Aber lassen wir die Thesen, ich bin ja kein Professor der akustischen Front.
„High Noon“ wird natürlich auch gespielt. Der Titelsong des neusten Albums wird locker mitgesungen und es wird nach jedem Song tosend applaudiert. Schön das Shakra auch den Evergreen „Ashes to Ashes“ mit in die Setlist einbezogen hat. Einer der ganz grossen Hits der Shakra-Zeit. Mit „Rising High“ geht die knappe halbe Stunde, welche Shakra (nur) zur Verfügung hat bereits zu Ende. Ein extrem kurzer Slot, aber irgendwie verständlich, denn es stehen ja noch Krokus und anschliessend Gotthard in den Startlöchern. Fanzit: Solid gespielt, Stimmung angeheizt, Heimvorteil genutzt und gute Miene verbreitet. Das heit dr guet gmacht Jungs!
Krokus
Nach einer knapp halbstündigen Umbaupause, welche natürlich taktisch geschickt gewählt wurde um auch den aufgebauten Verpflegungsständen die nötige Arbeit zu bescheren, geht es um 20.00 Uhr weiter mit den Legenden aus Solothurn. Das Publikum ist unruhig oder besser gesagt, die Vorfreude scheint extrem zu sein. Ich habe das Gefühl, dass viele der anwesenden Personen diese Band favorisiert. Denn bereits jetzt werden die ersten Klatschsalven durch die Halle gejagt. Die Band hat wohlverstanden noch nicht einmal begonnen (man hat nur kurz ein Gitarrenriff zum Test gehört).
Das Licht erlischt abermals und los geht’s mit der Band, welche den Schweizer Rock über den grossen See getragen, legendäre Alben produziert und viele Menschen in den 70ern und 80ern in ihren Bann gezogen haben. Das unsereins die Band noch kennt spricht für sich selbst. Krokus verkörpert wie keine andere Band den Schweizer Rock und ist für mich die Rot-Weiss Ausgabe von AC/DC. Eröffnet wird das Set mit dem Song „Long Stick Goes Boom“. Marc Storace stolziert gutgelaunt über die Bühne, Fernando von Arb lächelt süffisant währenddessen er seine Gitarre bearbeitet und auch Mister „Meh Dräck“ scheint glücklich auf der Arbeit zu sein. Weiterhin fliegt der Sound in der Halle in überdurchschnittlich guten Sphären um die Ohren und trägt zu einem intensiven Konzerterlebnis bei.
Die Freude mit der die Band heute zu Werke geht überträgt sich relativ schnell auf die Zuschauer, welche wirklich bei jedem neuen Song steil gehen. Meine Ohren überhören aber nicht, dass Krokus heute mehrere Covers in die Setlist eingeplant haben. Wenn ich richtig gezählt habe, waren es deren vier. Ob es hier wirklich keine alternativen Songs gegeben hätte, welche die Geschichte der Legenden mehr illustriert hätten, lasse ich mal offen. Dies wars aber auch schon mit der Kritik. Ansonsten wird einem hier für den Eintrittspreis von 80 Franken definitiv ein Konzerterlebnis der Sonderklasse geboten. Die Setlist könnt ihr weiter unten einsehen. Überraschend: „Bedside Radio“ oder „Screaming in the Night“ scheinen heute keinen Platz im Set gefunden zu haben. Dazu aber später noch mehr. Hervorzuheben ganz klar die Gesangsleistung von Storace, welcher für mich persönlich ein valabler AC/DC Frontsausänger Ersatz gewesen wäre. Trotz mittlerweile gestandenem Alter hat Marc nichts, aber auch gar nichts von seinem Stimmvolumen eingebüsst. Locker hangelt er sich von Textzeile zu Textzeile, von Song zu Song von tiefen Parts zu hohen Schreien. Eindrücklich. Gekonnt spielt sich die Band einmal mehr in die Herzen der Zuschauer. Ehre wem Ehre gebührt. Ein fantastischer Aufritt der Alpenblümler. Der Applaus will nicht aufhören und so erscheint die Band sogar nochmals um noch zwei Tracks auf das glühende Eisen zu schmeissen. Mit „Rock n Roll Tonight“ und „Hoodoo Woman“ hat man auch hier ein perfektes Händchen in der Song Wahl gezeigt. Es sind Songs zum Mitsingen und Mitgrooven. Der furiose Abschluss einer beeindruckenden Vorstellung. Die Herren haben es immer noch drauf (wenn sie nicht gerade ein Cover spielen ;-).
Gotthard
Eine weitere kurze Pause ist angesagt, bevor der 2. Co-Headliner des heutigen Abends auf die Bühne in der Festhalle tritt. Gotthard ist logischerweise mit vielen Emotionen verbunden. Unvergessen bleibt Steve Lee, welcher die Band geprägt hat und wohl bei jedem Konzert seinen Platz auf dem Beobachtungsplatz im Himmel einnimmt. Nic Maeder, welcher den Platz von Steve im Jahr 2011 einnahm ist heute ein wichtiger und passender Teil der „neuen“ Gotthard-Formation. Auch kommt er stimmlich ziemlich nah an Steve ran. Was jedoch – und ich greife diesbezüglich ein wenig vor- auch heute wieder offensichtlich ist / war, dass er trotz Lachen, trotz Nähe zu den Fans, trotz vielen personalisierten Ansagen, nie die Sympathie auslöst, die Steve vermochte. Aber so soll es vielleicht ja auch sein. Aber der Reihe nach:
Die Herren des Innerschweizer Massivs starten mit „Silver River“, gefolgt von „Electrified“ und dem ersten „Kracher“ Hush. Musik, Gesang, Menschenmenge -auch hier passt die Verbindung heute Abend perfekt. Ein Aufschrei geht auch bei „Mountain Mama“ durch die Fans, als Leo Leonie wie gewohnt das Intro zu einem der grössten Hits von Gotthard anstimmt. Zwischendurch versüsst ein „Acoustic-Set“ die anwesenden Zuschauer. Jedenfalls einen Teil davon. Ich selber hätte es lieber gesehen, wenn Gotthard durchgerockt hätten. Aber mit „One Life, One Soul“, „Angel“ oder „Heaven“ regen die Herren auch bei den kühlsten Typen im Publikum Emotionen und der Geist von Steve Lee schwebt wieder in der Festhalle umher.
Auch das Schlussfurioso ist nicht ohne; Mit „Firedance“ oder auch „Lift u Up“ haben die Jungs immer noch einige heisse Eisen im Feuer. Ohnehin ist es eigentlich wahnsinnig wie unendlich die Setlist sein könnte, wenn Gotthard alle ihre Hits spielen würden. Hier die richtigen Songs raus zu fischen ist schwierig. Ist aber heute Abend definitiv gelungen. Aus jeder Ära der Band sind Songs in der Setlist gelandet. Abwechslungsreich, rockig bis seifig, gut geplant.
Noch ein Wort zur Musik: Die Band macht über das ganze Konzert einen professionellen und eingespielten Eindruck. Die Spielfreude scheint ungebremst, dies überträgt sich auch auf die Zuschauer. Die Musiker von Gotthard wissen wie sie die Geräte bedienen müssen und durch die relativ beständige Besetzung gibt es fast keine Missverständnisse.
Mit „Anytime Anywhere“ beschliessen Gotthard sodann das ordentliche Set. Wellen der Begeisterung branden durch die vollgepumpte Festhalle. Natürlich lassen sich die Herren nicht 2x bitten und erscheinen kurzum wieder auf der Bühne. Aber nicht alleine, Marc und Mandy von Krokus verstärken Gotthard bei der ersten Zugabe „Come Together“, nach diesem Song kommt auch der Rest der Band auf die Bretter und jetzt wird auch das beim Set von Krokus vermisste „Bedside Radio“ zusammen mit Gotthard performt. Ein letzter Song soll es dann noch sein, welcher den Abend endgültig beschliesst und besiegelt.
Noch lange bleiben die Fans in der Halle stehen, der Abend wird noch einmal Revue diskutiert und die Bilder gleiten nochmals vor dem geistigen Auge vorbei. Langsam leert sich die Festhalle und die Bands sind wohl schon fast ready um am nächsten Abend die Samsung Hall in Dübendorf zu rocken.
Fanzit
Das Paket mit Shakra, Krokus und Gotthard hat nicht nur begeistert, sondern Bern in Schutt und Asche gelegt. Nochmals: Die Festhalle habe ich bereits einige Male zu einem Konzert betreten, aber noch nie war sie so voll wie heute. Das Publikum ist an Diversität fast nicht zu überbieten, was ja auch klar ist, bei diesen «Kult»-Bands.
Würde man heute Abend einen Preis für die beste Tagesband verleihen, würde diesen ganz klar Krokus davontragen. Die Herren haben es einfach noch drauf, insbesondere Marc Storace, welcher einfach das perfekte Stimmorgan zum Rest der Musik besitzt. Aber sowohl Shakra als auch Gotthard stehen der Band aus Solothurn nicht viel nach.
Aus meiner Sicht ein faszinierender Abend mit vielen Überraschungen, einem steil gehenden Publikum und einem legendären Rockmonsterpacket, wie es in dieser Art wohl nie mehr auf der Bühne stehen wird. Wer dies nicht erlebt hat, kann sich hoffentlich durch die Texte von Kaufi und mir ein paar Bilder vor die Linse zaubern und den Abend trotzdem ein wenig nachvollziehen.
Setliste Shakra
- Hello
- Raise Your Hands
- High Noon
- Life Is Now
- Ashes to Ashes
- Rising High
Setlist Krokus
- Long Stick Goes Boom
- American Woman
- Jumpin‘ Jack Flash
- Winning Man
- Hellraiser
- Fire
- Rock and Roll
- Tokyo Nights
- Rockin‘ in the Free World
- Heatstrokes
- Easy Rocker
- Rock ’n‘ Roll Tonight*
- Hoodoo Woman*
Setliste Gotthard
- Silver River
- Electrified
- Hush
- Stay With Me
- Mountain Mama
- Remember It’s Me
- Feel What I Feel
- Sister Moon
- What You Get
- One Life, One Soul
- Let It Be
- Angel
- Heaven
- Firedance
- Top of the World
- Lift U Up
- Anytime Anywhere
- Come Together (mit Marc und Mandy von Krokus)*
- Bedside Radio (mit Krokus auf der Bühne)*
- Quinn the Eskimo (The Mighty Quinn) (mit Krokus auf der Bühne)*
*Zugabe