Als Orden Ogan für die diesjährige Karibikrundfahrt – besser bekannt als „70‘000 Tons Of Metal“ – bestätigt wurden, war meine Freude riesig. Die Sauerländer gehören zweifellos mit zum Besten, was in den letzten Jahren neu aufgetaucht ist. Für Metalinside nahm sich Gitarrist Tobias Kersting auf dem grossen Schiff Zeit, um mal den aktuellen Stand der Dinge abzuchecken.
Metalinside.ch (Kaufi): Gratulation zuerst mal zum geilsten Shirt des Festivals! Das ist wirklich der Hammer! Und Gratulation zu einer grossartigen ersten Show mit sehr vielen Leuten.
Tobias Kersting: Danke! Ja, es hat uns auch überrascht… wobei: was heisst „überrascht“? Man weiss ja nie… In der Region hier, in den USA, sind wir ja noch nicht richtig präsent gewesen. Bis auf das ProgPower in Atlanta. Aber man bekommt natürlich auch Reaktionen via Facebook und so mit. Wir haben uns damals dann schon etwas erhofft und es waren dann auch ein paar da vom ProgPower und ja, man hofft schon, dass es so läuft wie es schlussendlich gelaufen ist, aber man weiss es natürlich nicht. Also von oben sah es schon richtig gut aus!
MI: Ich kenne einige Leute, die finden Orden Ogan langweilig – warum weiss ich nicht – aber nach dieser Show sagten sie „Heute waren Orden Ogan RICHTIG gut!“ Spricht sicher für euch, wenn ihr solche Leute überzeugen könnt…
TK: Ja, das ist natürlich sehr cool!
MI: Du hast grade gesagt, dass ihr nicht das erste Mal in den USA seid?
TK: Genau. Allerdings ist es nur das zweite Mal. ProgPower war das erste Mal. Das ist so ein, sagen wir mal: Spartenfestival, wo Bands eingeladen werden. Das ist alles sehr familiär und die Fans kommen dann wirklich auch wegen diesen Bands. Da bleiben auch alle Leute dann wirklich da, da geht keiner raus, weil er eine Band nicht sehen möchte. Heisst die Leute sind auch total heiss auf die Bands, die da spielen. Wir haben schon länger versucht mal dahin zu kommen und 2014 hat’s dann geklappt. Und das war auf jeden Fall richtig, richtig gut!
MI: Erste Eindrücke auf diesem Schiff?
TK: Gross! (lacht) Also ich persönlich war noch nie auf so einem Riesenkahn. Man versucht sich das irgendwie vorzustellen, aber dass es so riesig ist, ist schon der Hammer! Man kann immer durch die Gegend laufen und was Neues entdecken. Das erste was man sich merkt ist natürlich wo man Essen bekommt! Aber es ist alles schon richtig cool! (grinst)
MI: Ist dies das geilste Festival, das ihr je gespielt habt?
TK: Auf jeden Fall das ungewöhnlichste!
MI: Ihr wart noch nie auf der Full Metal Cruise?
TK: Nee. Das ist unsere erste Cruise, direkt danach spielen wir Wacken Winter Nights. Das ist aber auch keine Cruise, sondern nur das Wacken Winter Festival.
MI: Was? Irgendwo in den Alpen?
TK: Ne ne, das ist schon in Wacken, aber in einer Halle, ein Indoor Festival. Es ist halt schon ganz was Spezielles irgendwie. Wacken war natürlich auch ein Erlebnis, generell grosse Festivals sind halt immer geil. Doch das ist etwas völlig einzigartiges, was spezielles, was man nicht alle Tage so erlebt.
MI: Wikipedia sagt… (Tobi grinst schon!), dass ihr schon seit 20 Jahren aktiv seid. Aber ich glaube, das kann man so nicht sagen. Ich hab die DVD von Euch gesehen, und ich würde schätzen, man kann ab dem Debut Album zählen, also ab „Vale“, 2008. Was sind denn in diesen knapp zehn Jahren denn jetzt die absoluten High- und die absoluten Lowlights gewesen?
TK: Lowlights weiss ich nicht. Die beschränken sich immer irgendwie einfach auf einen Moment. Es gibt immer so Sachen, die man gemacht hat – vor allem auch auf die Zeit vor „Vale“ bezogen – die einfach wichtig waren für die Entwicklung der Band. Wenn man die grade so macht, denkt man „Ah, warum??“. Doch im Nachhinein ist es halt doch irgendwie wichtig für die Band und deren Entwicklung. Das muss man im grossen Ganzen sehen. Und Highlights? Da gibt’s eigentlich viel zu viele irgendwie! Jede Platte ist immer ein Highlight. Wenn man da sein neues Werk in der Hand hält, das ist schon einfach genial. Die Reaktionen darauf, das Album den Leuten präsentieren, auf Tour gehen… Die letzten Tourneen waren auch alle genial. Seit der „Vale“ ging’s auch stetig bergauf. Und wir haben auch das Glück, dass wir bislang von richtig derben Crashs verschont worden sind. Wir haben alle auch das gleiche Ziel vor Augen, es ist gut, dass wir alle an einem Strang ziehen.
MI: Ja, und wenn ich das richtig von der DVD in Erinnerung habe, habt ihr ein relativ stabiles Line Up, relativ lange ohne Wechsel.
TK: Nach der „Easton Hope“ sind im Prinzip drei Leute gegangen. Aber der Nils Löffler, unser Bassmann, war auf Tour zur „Easton Hope“ und auch sonst auf vielen Gigs ja schon aushilfsweise dabei, als unser damaliger Bassist keine Zeit hatte. Das heisst, er ist jetzt auch schon länger dabei. Im Prinzip ist dann unser Keyboarder weggefallen und unser Schlagzeuger ist gegangen, weil’s einfach zu zeitaufwendig wurde.
MI: Den Keyboarder habt ihr nicht ersetzt, ihr macht jetzt alles mit Samples.
TK: Ja, wir haben überlegt, aber entgegen allen Unkenrufen beschränken wir uns mit den Samples auf das Nötigste. Es ist auch immer wieder ein Thema, man wird vielerorts irgendwie auch nur darauf reduziert. Wobei – das kann man schon so sagen: es ist ja mittlerweile gang und gäbe! Es wird dann halt immer mal eine Band rausgepickt, auf die man mit dem Finger zeigen kann – aber es ist einfach so (lacht). Wenn man aufwendige Musik machen will, mit grosser Instrumentierung und das will man entsprechend präsentieren, dann muss man das auch umsetzen und dies ist schon ein guter Weg.
MI: „Ravenhead“! Schon eine Weile her!
TK: Schon eine Weile her! (lacht)
MI: Was Neues in der Mache?
TK: Wir sind dabei! Aber es gibt leider noch keine Details… Die Platte ist gerade in der Mache, tatsächlich. Es gibt’s schon ein grobes Release Date, so im Juli wahrscheinlich. Auf jeden Fall noch dieses Jahr und auch nicht mehr so lange. Aber sonst können wir noch nix verraten… (lacht). Ich könnte natürlich sagen „dies wird die beste Platte, die wir je gemacht haben!“ (lacht)
MI: Ja, aber die Frage ist schon – als Musiker willst du ja immer eine NOCH bessere Platte als der Vorgänger abliefern. Ich versteh irgendwo durch dann auch genau deine Aussage „beste Platte ever“. Aber wenn man einen Klassiker hat, der unübertroffen ist, wie will man den denn toppen? Wie will und kann man immer besser werden?
TK: (studiert) Das ist schwer zu sagen. Das Schwierige ist: wer bestimmt den Klassiker…?
MI: Verkaufszahlen?
TK: Ja…
MI: Die Reaktionen der Songs auf einem Konzert? Die Fans, schlussendlich?
TK: Ja, das kann irgendwie schon so sein. Das kristallisiert sich dann auch im Live Programm heraus, welche Songs da so ankommen. Da haben wir jetzt auch eine Idee, was so ganz gute, starke Live Songs sind. Das hat sich über die Jahre heraus kristallisiert. Bei den kürzeren Sets spielen wir weniger ältere Sachen, aber sonst ist bei den längeren Sachen auch von „Vale“ wieder mal was dabei. Obwohl die Nummern halt etwas anders sind als das, was wir jetzt so machen. Aber sonst… also wenn man von der neuen Platte nicht überzeugt ist, dann läuft was schief! Das heisst, man muss die neuen Sachen die man macht, auch einfach geil finden. Ob man die dann besser findet als das Material davor, das kann man in dem Moment schlecht sagen. Wenn sich das Hochgefühl einstellt weiss man, man hat was richtig gemacht!
MI: „The Book Of Ogan“, eine ziemlich aufwendige DVD, ist kürzlich erschienen. Was war der Grund resp. die Motivation dahinter?
TK: Das war einfach darum, um mal ein Résumé zu ziehen. Es ist schwierig, da den richtigen Zeitpunkt zu finden. Wir haben auch gedacht, das zu einem Jubiläum zu machen, aber das ist auch immer so eine Sache… Irgendwie haben wir da gedacht, dass ist der richtige Zeitpunkt. Und wir wollten auch touren, und da haben wir dann auch eine coole DVD am Start. Einfach aus dem Nichts touren ist auch ein bisschen blöd, „Ravenhead“ war schon ein bisschen her zu dem Zeitpunkt und es hatte sich auch so viel angesammelt über all die Jahre. Irgendeiner rennt ja immer mit `ner Kamera rum oder mit irgendwas und es musste einfach mal raus. Und wir haben noch so viel Material in den Archiven, was wahrscheinlich auch keiner sehen sollte! (lacht)
MI: Als verstecktes Bonusmaterial!
TK: (lacht) Ja, als Easter Easter Eggs! Nun, es war auch das Label, welches mal darüber gesprochen hat und irgendwie dachten alle, jetzt wäre der richtige Moment. Das lief so gut mit Festivals, mit Touren – einfach mal das zu zeigen, auch für sich selber. Du bist da drin, du machst und machst und machst – es ist dann irgendwie auch einfach eine Momentaufnahme. Du denkst so: „Fünf Jahre!“ Was eigentlich gar nicht so viel ist und doch ist so viel passiert!
MI: Auf der „Ravenhead“ hat’s einen Song mit einem Sänger, den ich sehr schätze: Joachim Cans von HammerFall. Die Tour mit HammerFall kam ja im Anschluss – also wie seid ihr überhaupt dazu gekommen, dass er bei Euch mitgemacht hat?
TK: Das war eigentlich ganz einfach. Wir haben ihn gefragt, und er hat’s gemacht! (lacht) Zum Zeitpunkt der Aufnahmen stand allerdings bereits fest, dass wir mit HammerFall touren werden, da haben wir gedacht, dass es noch eine coole Idee wäre. Wir wollen die Alben nicht überladen mit Gästen und so, aber wenn’s grad passt? Und hier passte es, der Song passte. Ist ja auch nur ein kurzer Part. Wir haben uns gedacht, jetzt touren wir schon mit denen und irgendwie hat’s so nach einer klassischen Power Metal Stimme gerufen, also haben wir einfach mal so gefragt! Und er meinte „machen wir“, und schon lief das. Viel einfacher als gedacht!
MI: Ich habe euch auf besagter Tour mit HammerFall in Oberhausen und in Köln gesehen. Vor allem in der Essigfabrik – da war schon was los…!
TK: Oh ja!
MI: Euer Heimspiel, auch wenn Oberhausen wohl noch etwas näher am Sauerland liegt?
TK: ja, das ist schon alles so unser Gebiet da. Wie haben auch viel gespielt und da merkt man dann schon, dass das so unsere Homebase ist. So das nächste halt, im Sauerland gibt’s ja nicht viel! (lacht) Von da, wo wir herkommen, muss man sich also schon ins Ruhrgebiet orientieren, auf jeden Fall.
MI: Ihr habt da ja eure Kostüme, die alten Lumpen…
TK: (unterbricht) Lappen! Wir nennen sie Lappen! (lacht)
MI: Ok, Lappen! Jedenfalls: das entwickelt sich langsam ja zu einem Markenzeichen. Wird es also wieder was Neues geben mit dem neuen Album? Optisch wieder in eine andere Richtung?
TK: Ja, definitiv! Wir werden uns diesbezüglich treu bleiben, indem wir versuchen uns auch optisch irgendwie herauszustellen. Ich denke, dass ist irgendwie auch wichtig. Es ist so quasi auch eine Tradition mittlerweile. Wir sind ja alle irgendwie auch von Running Wild und so beeinflusst worden, das haben wir irgendwie ja alle gehört. Und um der Band etwas mehr „Profil“ zu geben find ich schon, dass dies wichtig ist. Man kann sich auch in schwarzen Klamotten dahin stellen – das kann auch cool sein. Aber das dem Album noch etwas anzupassen, macht es irgendwie interessanter.
MI: Ist so! Und ihr grenzt Euch damit auch ab zu den anderen Bands.
TK: Es gab da diese Autoreifen-Aktion zu „To The End“. Da haben viele drüber gelacht, wir auch. Aber es war doch so, dass sich das viele Leute gemerkt haben! „Ah, das sind doch die mit den…“ Die Dinger waren sauheiss! (lacht) Alles was jetzt kommt, wird etwas leichter sein… (lacht)
MI: Lange Zeit wurdet ihr im Internet als die neuen Blind Guardian… (Tobi verzieht das Gesicht und beginnt zu lachen) Die Frage kannst Du wohl nicht mehr hören! Aber hast Du eine Idee, warum das so ist? Allzu viele Parallelen zu Blind Guardian sehe ich nämlich nicht…
TK: Vielleicht die Chöre. Aber Chöre haben viele. Vielleicht aus den Anfangstagen, als so Demos kursierten und die Mittelalter Einflüsse noch etwas grösser waren. Klar kann man da dann Parallelen knüpfen und wenn man das so hört denkt man „ach guck mal, der Part da tönt wie Blind Guardian“. Einer sagt Blind Guardian, dann sagt der nächste Blind Guardian. Und so geht das dann halt weiter. Man muss die Band, die neue Band, die wir damals ja noch waren, mit irgendwas vergleichen können. „Wer ist Orden Ogan?“ „Die klingen wie Blind Guardian.“ Und schon hat einer eine Idee. Das Gute ist, dass viele Leute Blind Guardian ja kennen, dadurch interessieren sich dann tatsächlich auch viele Leute dafür.
MI: Gute Werbung!
TK: Ja. Doch sonst sehe ich auch nicht allzu viele Parallelen. Wir sind halt viel rifflastiger und gar nicht so ausschweifend wie Blind Guardian. Die sind ja viel progressiver angelehnt, denk ich.
MI: Vor allem die letzten Alben…
TK: Jaja, genau. Wir sind da schon direkter. In deren Richtung gehen wir ja gar nicht. Wenn mach „Chöre“ mit „Blind Guardian“ gleichsetzen möchte, dann klingen wir 1:1 wie Blind Guardian! (lacht) Aber ich find das sonst irgendwie nicht schlimm.
MI: Zum Schluss noch was völlig Anderes: Heute Abend ist die SuperBowl! Ein Thema?
TK: SuperBowl? (lacht schallend) Nein, gar nicht! Zufällig hab ich heute mal Fussballresultate gelesen, aber sonst? (lacht)
MI: Gut, dann ist auch das geklärt! Tobi, vielen Dank für die Zeit und man sieht sich in der Pyramid Lounge!
TK: Das hoffe ich! (lacht)