In Flames machen Theater!
Eine spezielle Show in einer ungewöhnlichen Location. Wie genau der Abend mit den Schweden in «ihrem Raum» abgelaufen ist, entnehmt ihr wie gewohnt dem nachfolgenden Bericht.
Arbeitswochen-Ausklang und Monatsende mit den Melodic Death Metallern von In Flames. Heute Abend führt mich meine Reise ins Theater 11 nach Oerlikon. Für Metal-Konzerte ist dies doch eine etwas ungewöhnliche Location. Mehrheitlich werden hier Musicals oder – welch Wunder – Theaterstücke aufgeführt. Allerdings passt das Theater 11 ins «Beuteschema» der aktuellen In Flames-Tour. Die Jungs kehren den grossen Konzerthallen für einmal den Rücken und treten in Kirchen, Kongresssälen oder – wie heute Abend – in Theatern auf. Für viele Fans ist dies sicherlich eine Überraschung. Aber In Flames haben schon in der Vergangenheit eigentlich immer ihr Ding durchgezogen und sich nicht von aussen beeinflussen lassen. Mit den neueren Werken der Band kann ich leider nicht mehr viel anfangen. Live sind die Schweden jedoch nach wie vor eine Macht. Aus diesem Grund gebe ich Ihnen auch am heutigen Abend abermals eine Chance. Ich hoffe auf wenig «Hipster-Gehabe» und viel Metal.
Eine halbe Stunde Öffnung der Pforten komme ich schliesslich vor Ort an. Etliche schwarzgekleidete Menschen gönnen sich vor dem Eingang noch das eine oder andere «Lunge-Brötli». Im Innern treffe ich gleich auf Metalinside-Kollege Friedemann, der den heutigen Abend in Bildern festhalten wird. Nach einem kurzen Schwatz hole ich mir mein Medienticket ab und bahne mir einen Weg zur Bar. Da ich schon 1-2 Veranstaltungen im Theater 11 erlebt habe (zuletzt «Video Games – Live») finde ich mich ziemlich rasch zurecht. Serviert wird nur Cardinal-Bier. Naja, es gibt definitiv bessere Hopfen-Trünke. Sogleich folgt der nächste Schock: Im Saal sind keine Glasflaschen erlaubt! Na toll, Bier herunterstürzen ist angesagt. Plastikbecher sind nämlich keine vorhanden. Prost!
Dann betrete ich den Theatersaal. Es ist effektiv alles bestuhlt. Good News hat mir einen Platz im oberen Parterre-Bereich zugeteilt mit ausgezeichneter Sicht auf die Bühne (Danke!). Für mich wirkt die ganze Geschichte allerdings viel eher wie ein Kino. Fehlen nur noch Popcorn und die 3D-Brille. Heute Abend müssen wir uns wohl mit einer «Wall Of Chairs» begnügen. Auch das Crowdsurfen könnte sich als schwierig erweisen. Aus den Boxen dröhnt irgendeine Art «Synth-Pop-Müll». Und ich sitze ohne Bier da – na bravo… Aber wir wollen nicht von Beginn weg zu hart sein. Die Location verdient eine faire Chance. Zehn Minuten vor Deadline stürmt schliesslich die grosse Masse in den Saal.
IN FLAMES
Mit leichter Verspätung hebt sich um 20.15 Uhr schliesslich der Vorhang und gibt den Blick auf eine interessant dekorierte Bühne frei. Das sieht vor allem auf der rechten Seite der Bühne wirklich aus wie ein Bandraum oder ein Wohnzimmer. Sofa, Sessel, ein Tischchen, Pflanzen, eine Stehlampe, ein kleiner Kühlschrank und Teppiche. Links thront dagegen das Schlagzeug und lässt hoffen, dass es heute Abend doch auch einmal etwas lauter werden könnte.
Eröffnet wird der Konzertabend von einem Mini-Orchester, dass ein Medley aus In Flames-Songs zum Besten gibt. Das Quartett besteht aus zwei Geigerinnen, einem Kontrabassisten und einem Cellisten. Kann man schon mal so machen. Hinter der Lounge-Ecke steht ein Maler und werkelt an seiner Staffelei herum. Dann wird es plötzlich laut im Saal und das Publikum erhebt sich. Der Grund? Tja, die Protagonisten des Abends sind soeben auf der Bühne erschienen. Frontmann Anders Fridén und seine Kollegen fackeln nicht lange und legen schonungslos mit der bekannten Hymne «Alias» vom 2008er-Silberling «A Sense Of Purpose» druckvoll los. Ein guter und erhoffter Auftakt. So müssen In Flames für mich klingen. Unglücklicherweise kann die Location nicht wirklich mit den anderen Konzerthallen der Region mithalten. Teilweise wirkt das Ganze – insbesondere Anders’ Gesang – etwas gar breiig. Die Schweinwerfer-Show passt, aber teilweise wird man leider trotzdem ziemlich geblendet (zumindest bei den ersten paar Songs). Den Fans ist es egal. Auf den Sitzen hält es sowieso keinen mehr. So schnell hat man also Stehplätze.
Die nächsten Songs kommen dann bereits etwas gemächlicher daher. Einzig bei «Only For The Weak» – welches wir gemäss Andres ja eh schon tausende Male gehört haben – kommt wieder ausgelassene Stimmung auf. Danach folgt der einschläfernde Akustik-Teil. Anders scheint sich mit den Jahren zu einer echten Quasselstrippe entwickelt zu haben. Immer wieder hält er ellenlange Monologe und strapaziert damit die Nerven einiger Fans im Saal. Die komödiantischen Einlagen sind zwar durchaus unterhaltsam, aber mit der Zeit geht einem das Geplapper doch auf den Geist. Da muss sich die Band auch nicht über Publikums-Reaktionen wie «I paid for Heavy Metal» (der Spruch des Abends) oder «Shut up and play music» wundern. Anders lässt sich davon allerdings nicht wirklich beeindrucken. In typischer «I don’t give a fuck»-Manier zieht er sein Programm durch – so wie es In Flames eigentlich immer machen. Outfittechnisch ist der gute Mann ziemlich «hipstermässig» unterwegs. Kapuzenpulli, Basecap, Brille und Monsterbart. Seine kräftige und markante Gesangsstimme hat er glücklicherweise noch nicht verloren – das halte ich ihm zugute.
Während dieses Akustiksets laden die Jungs dann auch ein paar Fans zu sich auf die Bühne ein. Die Mädels und der Herr dürfen in der gemütlichen Lounge-Ecke platznehmen, Bierchen zischen, mit den Bandmitgliedern plaudern und den Rest der Show hautnah verfolgen. Gitarrist Niclas Engelin hält diese Erinnerungen mit einer Polaroid-Kamera fest und verteilt die Schnappschüsse danach im Publikum. Sicherlich ein eindrückliches Erlebnis. Anders erklärt uns dann, das der Künstler – der immer noch fleissig an seinem Werk herumpinselt – an jedem Abend auf der Bühne ein einzigartiges Bild malt. Diese können Fans am Ende der Show jeweils ersteigern und der Erlös wandert dann in die Kasse einer Charity-Organisation – und leider nicht in den «In Flames-Bier-Fonds», wie er mehrmals betont.
Etliche Fans auf den Rängen werden zunehmend ungeduldiger. Sie verlangen nach Metal und Bier. Der erste Wunsch wird bald erfüllt. Fertig Akustik! Jetzt wird’s wieder laut. Und die Schweden zünden in diesem Metal-Teil der Show ein wahres Hitfeuerwerk. Da sind ja die mitreissenden Flammen-Hymnen! «Come Clarity», «Cloud Connected» oder «The Quiet Place» – so gefällt mir das. Nun ist der Saal wieder wach. Zahlreiche Headbanger sind auszumachen. Tja, In Flames können es doch noch. Warum nicht gleich so? Bei künftigen Konzerten will ich das genau wieder in diesem Stil haben. So kennen und lieben wir unsere schwedischen Flammen. Als Zugabe und finaler Song folgt ein Neuling. «Wallflower» stammt von der aktuellen Platte «Battles» und sorgt nochmals für ordentlich Schwung. Tatsächlich versuchen sich dann auch zwei Herren an der «Crowdsurferei». Mit Erfolg. Flamme an!
FAZIT
In Flames machen definitiv immer was sie wollen, damit müssen wir wohl leben. Dabei können die Fan-Nerven durchaus ab und an ein wenig strapaziert werden. Sicherlich war diese «In My Room»-Tour eine äusserst spezielle Angelegenheit. Ich hoffe nun, dass sich die Jungs diesbezüglich nun ausgetobt haben und sich wieder voll und ganz auf den Metal fokussieren werden. Aber bei In Flames weiss man nie. Dafür ist die Truppe schlichtweg zu experimentierfreudig und unberechenbar.
Somit ziehe ich eine gemischte Bilanz vom Auftritt des heutigen Abends. Der Metal-Teil war top – keine Frage. Den Grossteil des Rests hätte man auch in die Tonne knallen können. Orchestrale Unterstützung ist im Metal zudem auch nicht gerade die allerneuste Erfindung. Dafür erlebt man In Flames wohl nicht mehr so bald in solch einer intimen Atmosphäre. Das wusste ich durchaus zu schätzen.
Was ging gar nicht? Hmm, das Bierverbot im Saal. Der Metalhead braucht nun einmal seine Flüssignahrung. Zudem gingen mir einige Fans mit ihren Aussagen nach der Show auf dem Keks. Ein klein wenig Vorbereitung gehört doch vor einem Konzert dazu. Wer nicht gewusst hat, dass heute Abend eine Spezial-Show stattfinden wird, hat seine Hausaufgaben nicht gemacht. Im Eventbeschrieb konnte man dies nämlich problemlos nachlesen.
Setliste – In Flames
- Intro – Medley (Klassisches Streicherquartett spielt ein Medley von In Flames-Songs)
- Alias
- Before I Fall
- All for Me
- Moonshield
- The Jester’s Dance
- Only For The Weak
Acoustic-Part
- Like Sand
- In My Room
- Hurt (Nine Inch Nails cover)
- Through Oblivion
- Dawn of a New Day
Metal-Part
- Come Clarity
- The Truth
- Paralyzed
- Cloud Connected
- The Quiet Place
- The End
- Wallflower*
*Zugabe