Ein starker Symphonic Metal-Abend im Hall Of Fame!
Insbesondere Xandria haben mit diesem Auftritt bewiesen, dass sie definitiv zu den besten Vertretern dieses Genres gehören. Was es mit Frontdame Dianne van Giersbergens Augenaufschlag auf sich hat und wie die Schweizer Vorgruppe Deep Sun abgeschnitten hat, erfahrt ihr wie gewohnt im nachfolgenden Konzertbericht.
Hall Of Fame zum Zweiten. Nach dem gestrigen Tendonitis-Konzert pilgern meine Freundin und ich heute abermals nach Wetzikon. Auf der metallischen Speisekarte stehen Xandria und Deep Sun. Auftritte von Symphonic Metal-Bands lasse ich mir sowieso nur sehr selten entgehen. Ich bin zwar Anhänger diverser Stilrichtungen unserer genialen Musik, aber Symphonic Metal würde ich durchaus zum engeren Favoritenkreis zählen. Über die Verpflichtung von Deep Sun freue ich mich sehr. Die Schweizer Truppe war mein Wunschkandidat für den von Xandria offerierten Support-Slot. Diese beiden Bands passen sicherlich hervorragend zusammen.
Kurz nach acht Uhr treffen wir am Ort des Geschehens ein. Der Grillbetrieb läuft bereits seit einer Stunde. Bei diesen angenehmen Temperaturen gönnen sich einige Konzertbesucher noch einen Happen Fleisch und dazu ein kühles Blondes. Dieses hole ich mir jedoch im Innern bei Bar-Chefin Jessi ab. Die Tradition «menschliche Blondine gibt mir flüssige Blondine» soll schliesslich weitergeführt werden. Auch ein kleiner Abstecher zum Merch-Stand liegt noch drin. Textiltechnisch haut mich allerdings nichts aus den Socken. Somit geht’s ab zur Bühnengitter-Front. Dank einem Besuch bei Fielmann am Nachmittag kann ich die die beiden anstehenden Auftritte in bester HD-Qualität – sprich mit sauber geputzter Brille – geniessen. Aus den Boxen dröhnen ein paar Songs der finnischen Monster-Truppe Lordi. Ob wir diese Truppe wohl auch einmal im Hall Of Fame erleben werden? Es wäre sicherlich ein ganz spezielles Konzerterlebnis.
DEEP SUN
Punkt 21 Uhr betreten Deep Sun die Bühne. Da Tobias Brutschis Schlagzeug in der Mitte steht, müssen die übrigen Bandmitglieder mit begrenzten Platzverhältnissen zurechtkommen. Mit viel Bewegung ist somit wohl nicht zu rechnen. Auf die Aargauer Symphonic Metal-Truppe bin ich übrigens dank meines Engagements bei Metalinside aufmerksam geworden. Zur aktuellen Platte der Truppe – «Race Against Time» findet ihr auf Metalinside.ch ebenfalls ein entsprechendes Review.
Los geht’s mit einem Track der Debütplatte «Flight Of The Phoenix» aus dem Jahre 2013. «Forbidden Love» trumpft direkt mit zwei Markenzeichen der Band auf: den markanten Keyboard-Melodien von Monsieur Tom Hiebaum und Sängerin Debora Lavagnolos mächtigem Sopran-Stimmchen. Parallelen zu Songs der älteren Nightwish-Platten sind durchaus erkennbar. Selbstverständlich bleibt Stimm-Göttin Tarja Turunen trotzdem unerreicht. Auch Deboras Outfit sticht einem sofort ins Auge. Mit dem orientalischen Look wirkt sie wie eine Prinzessin aus «1000 und eine Nacht». Für ihre Verhältnisse ist Debora heute Abend allerdings mit eher niedrigem Schuhwerk unterwegs. Die hohen Haken scheinen wohl im heimischen Schrank geblieben zu sein.
Vielleicht liegt es an meiner Position auf der linken Bühnenseite und direkt unterhalb der Box, aber die Soundqualität wirkt irgendwie teilweise nicht sonderlich berauschend – schade. Das Mikro von Gitarrist Pascal Töngi ist zu leise eingestellt. So kann er Debora am Gesang leider nur dürftig unterstützen. Das Publikum scheint sich daran allerdings nicht wirklich zu stören und feiert mit vollem Einsatz mit.
Songtechnisch berücksichtigt die Truppe ihre beiden Alben «Flight Of The Phoenix» und «Race Against Time» etwa gleichermassen. Auf der Setliste erblicke ich als Zugabe schliesslich die Nightwish-Hymne «End Of All Hope». Unglücklicherweise beendet die Truppe bereits nach «Good Old Times» ihren Auftritt. Dumm gelaufen. Zu gerne hätte ich gehört, wie die « Deep Sun’sche» Interpretation eines Nightwish-Klassikers klingt. Und wenn wir schon bei fehlenden Songs sind – das komplett in deutscher Sprache gesungenen «Des Königs Krieger» hätte ich ebenfalls sehr einmal live erlebt. Vielleicht erfüllt sich mein Wunsch bei einem nächsten Deep Sun-Konzert. Die Band ist ja momentan – mit Ausnahme des heutigen Abends – auf der «Swiss Metal Alliance Tour» unterwegs.
XANDRIA
Der Headliner des heutigen Abends darf sich über ein gut gefülltes Hall Of Fame freuen. Allerdings herrschen (noch) keine Sauna-Verhältnisse wie zuletzt beim Gig von Battle Beast am 1. April (siehe dazu das Review von Kaufi). «Episch, bombastisch, gefühlvoll und mitreissend», das sind meine Worte zur neuen Xandria-Platte «Theater Of Dimensions». Die dazugehörige Albumkritik findet ihr ebenfalls auf unserer Homepage. Somit ist meine Vorfreude auf das nun folgende, metallische Theater riesig.
Zu den Klängen von «Where The Heart Is Home» betreten Hünen-Drummer Gerit Lamm, Piraten-Kopftuch-Gitarrist Philip Restemeier, Basser Steven Wussow und der zweite Gitarrist Marco Heubaum schliesslich die Bühne und beginnen sogleich zu spielen. Wer fehlt? Exakt – Frontmädel Dianne van Giersbergen. Und da ist sie auch schon. Im wunderschönen, schwarzen Kleid stöckelt sie elegant zur Bühnenmitte. Der hervorstehende Kragen ist allerdings etwas gewöhnungsbedürftig und jetzt nicht unbedingt eine Outfit-Bereicherung. Die arme Dianne kann damit ja nicht einmal richtig Haarpracht herumschwingen. Dafür überzeugt sie stimmlich – und wie! Ich habe Hühnerhaut. Ein bärenstarkes Sopran-Stimmchen. Tonleitern-Klettern leichtgemacht. Das ist dann doch nochmal ein ganz anderes Niveau als zuvor bei Deep Sun. Wie bei Symphonic Metal-Bands nicht unüblich hat sich auch bei Xandria das Personal-Karussell regelmässig gedreht. Mit Dianne ist die Band allerdings seit 2013 definitiv im Besitz einer genialen Frontdame. Hoffentlich bleibt sie der Truppe noch lange erhalten.
Heute Abend steht allerdings nicht ausschliesslich die neuste Xandria-Platte im Fokus. Mit Songs wie «Unembraced», «Euphoria» oder «Stardust» schenkt die Band auch ihren älteren Werken eine angemessene Aufmerksamkeit. Besonders laut wird das Publikum dann bei der Über-Hymne «Ravenheart». Dank dieser märchenhaften Nummer aus dem Jahre 2004 sind wohl viele auf Xandria aufmerksam geworden. Damals stand noch Lisa Middelhauve hinter dem Mikrofon. Aber auch Dianne handhabt die Interpretation dieses Klassikers ohne Schwierigkeiten. «Ihre» Version von «Ravenheart» ist übrigens auf der 2015er-EP «Fire & Ashes» zu hören.
Die Spielfreude ist absolut erkennbar. Vor allem die männlichen Bandmitglieder blödeln immer wieder herum. Anders als ihr Support-Act haben sie dazu allerdings auch die ganze Bühne zur Verfügung. Als Chef-Unterhalter entpuppt sich der gute Steven. «Wir sind ja hier unter uns, nicht wahr? Unsere Holländerin versteht eh nur Bahnhof», meint er beispielsweise breit grinsend in Richtung Dianne. Diese hat darauf nur ein leicht irritiertes «What?» zu entgegen. Mit dieser Aktion sichert sich Steven die Gunst des Publikums und hat die Lacher fortan auf seiner Seite. In Sachen Klatsch-Aufforderung kann er Dianne – die inzwischen den lästigen Kragen ihres Kleides abgelegt hat – allerdings nicht das Wasser reichen. Hier hören die Fans ausschliesslich auf sie. Allfällige Rebellen zieht sie schliesslich mit ihrem verführerischen Augenaufschlag in den Bann. Jep, das beherrscht sie tadellos. Wer kann diesen süssen Kuller-Äuglein schon wiederstehen?
Mit «We Are Murderers (We All)» findet gar einer meiner absoluten Lieblingssongs des neuen Xandria-Silberlings einen Weg in die heutige Setliste. Auf CD unterstützt Björn Strid von Soilwork die Truppe mit seinen aggressiven Growls. Leider gab es für ihn wohl keinen Platz im Tour-Gepäck und somit ist er heute Abend nicht am Start. Deswegen muss Steven seinen Part übernehmen. Und er löst das – zusammen mit Unterstützung des Publikums – gar nicht mal so schlecht. Bestnoten gibt’s sowieso für die Soundqualität. Einfach top! Und das, obwohl ich ziemlich genau an derselben Stelle wie zuvor beim Deep Sun-Auftritt stehe. Keine Ahnung, wieso die Aargauer mit Soundproblemen zu kämpfen hatten. Bei Xandria funktioniert alles reibungslos.
Mit «Cursed» beenden die deutschen Symphonic Metaller und ihre niederländische Frontdame schliesslich den offiziellen Teil ihres Sets. Lange verstecken sie sich danach allerdings nicht hinter der Bühne. Das Publikum hätte gerne noch eine Zugabe. Xandria kommen dieser Bitte gerne nach und hauen mit «Burn Me» nochmals einen Track der neuen Platte raus. Zaher Zorgati von der tunesischen Progressive Metal-Band Myrath (gemäss meiner besseren Hälfte auch bekannt als «Prince Of Persia-Metal») tritt darin als Gastsänger auf. Das hätte er meinetwegen auch gerne heute Abend auf der Bühne des Hall Of Fame tun dürfen. Vielleicht ein andermal. Den Schlusspunkt setzen Xandria schliesslich mit dem starken «Valentine» vom 2012er-Silberling «Neverworld’s End».
FAZIT
Ich bin definitiv für mehr Symphonic Metal-Events im Hall Of Fame. Der heutige Abend hat gezeigt, dass sich die Location dazu hervorragend eignet. Insbesondere Xandria waren überragend und haben ohne viel Trara eine fulminante Show abgeliefert. Dianne ist eine hammermässige Sängerin. Aber auch «unsere» Debora muss sich mit ihrem Stimmchen keinesfalls verstecken. Ich kann Anhängern der symphonischen Klänge sowohl Xandria als auch Deep Sun nur wärmstens empfehlen.
Setliste – Deep Sun
- Intro
- Forbidden Love
- Deep Sun
- The Believer
- Walking Dead Man
- Heroes
- Race Against Time
- Riders Of Death
- Flight Of The Phoenix
- Good Old Times
Setliste – Xandria
- Where The Heart Is Home
- Call Of Destiny
- Unembraced
- Euphoria
- Forsaken Love
- Stardust
- Ravenheart
- Come With Me
- Death To The Holy
- Nightfall
- The Undiscovered Land
- We Are Murderes (We All)
- Voyage Of The Fallen
- Cursed
- Burn Me*
- Valentine*
*Zugaben