Tanz mit Wölfen und Vampiren
Die Portugiesen von Moonspell luden an diesem Freitagabend zum Tanz mit Wölfen und Vampiren. Der Headliner enttäuschte nicht. Das war eine überaus überzeugende Show. Mit dieser Kadenz konnten die beiden Schweizer Support-Acts leider nicht ganz mithalten. Sämtliche Details entnehmt ihr wie gewohnt den nachfolgenden Zeilen.
Abermals geht eine intensive Arbeitswoche zu Ende. Jetzt freue ich mich auf das doppelte Metal-Verwöhn-Programm an diesem Wochenende. Veranstalter Meh Suff! nistet sich sowohl heute als auch morgen Abend im Zürcher Dynamo ein. Der April zeigt sich von seiner hässlichen Seite mit Schneeregen und Kälte. Da flüchte ich liebend gerne ins Warme.
Heute Abend ist die portugiesische Gothic Metal-Institution Moonspell zu Gast. Auf diese Truppe bin dank der 2008er-Platte «Night Eternal» so richtig aufmerksam geworden. Songs wie «Scorpion Flower», «Moon In Mercury» oder «Spring Of Rage» haben mich umgehend in ihren Bann gezogen. Mit der laufenden Tour zelebrieren die Herren ihr 25-jähriges Bestehen. Ich freue mich überaus auf mein erstes Live-Intermezzo mit Moonspell. Fernando Ribeiro und Co. müssen den heutigen Abend allerdings nicht alleine bestreiten. Unterstützung erhalten sie von der helvetischen Metal-Front – und dies gleich doppelt. Da ich weder Schammasch aus Basel, noch Blood Runs Deep aus St. Gallen kenne, steht wieder einmal das Gegenseitige Kennenlernen im Vordergrund.
Kurz vor acht Uhr ist der Dynamo Saal noch beängstigend leer. Aus den Boxen dröhnen ein paar Songs der ungarischen Doom Metal-Truppe Stereochrist zur Einstimmung auf die bevorstehenden Darbietungen. Wie man den Diskussionen im Saal entnehmen kann, sind viele effektiv nur für den Headliner da. Deswegen abermals an dieser Stelle mein Appell an euch: Gebt doch den Vorgruppen jeweils auch eine Chance! Ich habe damit bisher mehrheitlich sehr gute Erfahrungen gemacht und regelmässig coole Bands kennengelernt.
BLOOD RUNS DEEP
20 Uhr – Zeit für den ersten Act des heutigen Abends. Die Ostschweizer von Blood Runs Deep servieren uns eine ordentliche Dosis Doom Metal. Der Gesang von Stefan Vida bewegt sich dagegen eher im Gothic und Death Metal Bereich. Die Songs der Truppe bestehen jedoch überwiegend aus instrumentalen Parts. Jeder einzelne der vier Herren scheint trancemässig in sich gekehrt zu sein. Einzig Drummer Simon Christ grinst ab und zu in die Menge. Eventuell sind dies Auswirkungen ihrer Musik. Melancholisch, schwer, depressiv – so fühlen sich die Blood Runs Deep-Hymnen an. Das wirkt stellenweise etwas lahm. Auf der Gegenseite muss man jedoch wissen, dass Doom Metal nun einfach einmal so zu klingen hat. Somit kann man den Jungs diesbezüglich eigentlich keinen Vorwurf machen. Und wer über Themen wie Suizid singt, ist mit der Wahl dieses Metal-Genres sicherlich nicht auf dem Holzweg.
Geschwächt von meiner Arbeitswoche bin ich offensichtlich heute Abend schlichtweg nicht wirklich aufnahmefähig für Musik dieser Art. Deshalb haut mich die ganze Sache auch nicht wirklich aus den Socken. Auch der Rest des Publikums verhält sich bis anhin eher zurückhaltend. Soundtechnisch läuft’s ebenfalls nicht ganz einwandfrei. Der Bass klingt teilweise etwas gar «chrosig». Könnte aber auch an meiner Position liegen. Ich stehe unterhalb der Box auf der rechten Bühnenseite.
Nach gut 40 Minuten neigt sich der Auftritt von Blood Runs Deep seinem Ende entgegen. Ich werde der Truppe sicherlich nochmals eine Chance geben. Heute Abend hat es zwischen uns aus den oben erwähnten Gründen allerdings noch nicht gefunkt. Schauen wir einmal, ob Schammasch das Publikum später unsanft aus seinen Träumen reissen kann.
SCHAMMASCH
Nein, der Bandname hat nichts mit Schamhaaren zu tun. Ein Kollege aus der Romandie formuliert es dann schon passender. Das klinge doch wie «ça marche!». Die korrekte Antwort führt uns aber in die akkadische beziehungsweise babylonische Mythologie. Šamaš – so die eigentliche Schreibweise – figuriert darin als Sonnengott. Aber genug der Erläuterungen. Befassen wir uns nun mit dem Auftritt der Basler.
Die Outfits der Truppe – insbesondere bei Frontmann C.S.R – sehen aus wie eine Mischung aus Assassin’s Creed und orientalischem Design. Man könnte es gar mit den Polen von Behemoth vergleichen. Soundtechnisch geben Schammasch schon einmal etwas mehr Gas als ihre zuvor spielenden Landsleute von Blood Runs Deep. Da sind einige Stampfer und Dampfwalzen-Hymnen dabei. Drummer B.A.W krächzt ebenfalls ab und an in sein Mikro. Das Publikum erlebt hier definitiv eine sehr spezielle Spielweise des Black Metal. Gelegentlich schleichen sich klar gesungene Passagen ein und auch das Tempo wird nicht konstant hochgehalten. Schammasch setzen eindeutig auf Atmosphäre.
Der Saal scheint sich plötzlich gefüllt zu haben. Ich kann etliche Headbanger im Publikum ausmachen. Die Leute sind aufgewacht. Wie zuvor Blood Runs Deep scheinen auch Schammasch keinen grossen Wert auf Dialoge mit den Fans zu legen. Das wirkt ziemlich «Rammstein-mässig». Ich verlange ja keine dreistündige Diskussion über das Wachstum der «Helianthus annuus». Aber die minimalen «hoi», «tschüss» und vielleicht noch die Ansagen der Songs dürften sicherlich im Bereich des Möglichen liegen.
Auch die Jungs von Schammasch würde ich mir definitiv wieder einmal ansehen. So langsam kann ich den Hype der Metal-Presse verstehen. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass sie live nochmals eine Schippe drauflegen können. Vielleicht funktioniert dann beim nächsten Mal auch das Mikro von C.S.R ein wenig besser. Sein Gesang war teilweise etwas zu leise.
MOONSPELL
Um halb elf wird es dann abermals laut im Saal. Die Headliner betreten die Bühne. Vor allem einige Damen in der ersten Reihe kreischen sich regelrecht die Seele aus dem Leib. Sänger und Vampirfürst Fernando Ribeiro scheint da doch einige Herzen schwach werden zu lassen. Mir sticht dagegen Pedro Paixão ins Auge. Er ist mit einem massiven Keyboard am Start, das vom Design her geradesogut zu Tuomas Holopainen von Nightwish gehören könnte. Ebenfalls auffällig ist sein Steampunk-Zylinder. Gitarrist Ricardo Amorim setzt dagegen auf den «Hipster-Vollbart». Im Bühnen-Hintergrund prangert das «Auge des Re» – ein Symbol aus der ägyptischen Mythologie.
Moonspell lassen sich bezüglich ihres Jubiläums nicht lumpen. Die spezielle Setliste besteht beinahe komplett aus Songs des 1996er-Silberlings «Irreligious». Mit «Opium» und «Awake!» geht’s sogleich fulminant los. Fernandos raue Stimme klingt genauso wie auf CD. Im Fall von Moonspell ist das überhaupt nicht negativ zu werten. Das Publikum spricht er jedes Mal mit «People of Zurich, Switzerland» an. Ab und an muss der Roadie rasch auf die Bühne und irgendwelche Dinge richten. Dies erledigt er allerdings jeweils blitzartig und verschwindet dann direkt wieder in den Schatten.
Selbstverständlich kommen auch die Show-Elemente nicht kurz. So betrifft Fernando beim Track «Herr Spiegelmann» die Bühne mit zwei kleinen Spiegelchen in der Hand. Damit reflektiert er mit spitzbübischem Grinsen im Gesicht das Scheinwerferlicht in die Masse hinein. Beim darauffolgenden «Full Moon Madness» steht dann schliesslich kollektives Wolfsgeheule auf dem Programm. Das Publikum macht gut mit.
Für den Zugaben-Block kommt das Debüt-Album «Wolfheart» aus dem Jahre 1995 ebenfalls noch zum Handkuss. Die drei nun folgenden Songs stammen allesamt von dem Erstlingswerk der Portugiesen. Gestartet wird mit der Moonspell-Überhymne «Wolfshade (A Werewolf Masquerade)». Eine sehr druckvolle Geschichte. Für das anschliessende «Vampiria» schmeisst sich Fernando rasch in Schale und kehrt mit rotem Umhang auf die Bühne zurück. Von diesem Graf Dracula hätten sich wohl einige Damen im Saal nur allzu gerne in den Hals beissen lassen. Das grosse Finale beschreiten die Portugiesen mit «Alma Mater». Danach nehmen sich die sich die fünf Herrschaften noch Zeit, um den Leuten in der ersten Reihe ausgiebig Handshakes und High-Fives zu verteilen und sich zu bedanken. Coole Geste!
FAZIT
Gemäss Veranstalter waren heute Abend nur circa 160 Nasen anwesend. Für Dynamo-Verhältnisse ist das in Sachen Publikumsaufmarsch eher schwach. Die Bands liessen sich davon allerdings nicht beirren. Insbesondere Moonspell boten eine hammermässige Show. Die beiden Schweizer Truppen konnten mich nur teilweise überzeugen. Jetzt nach Hause ins Bett. Morgen werden dann Peter Tägtgren und seine Mannen von Pain auf dieser Bühne stehen. See you there!
Setliste – Blood Runs Deep
- The Posttraumatic Anthem
- Cleansed
- Tomorrow
- Attmoos
- These Thoughts About Suicide
- From Here To Nowhere
Setliste – Schammasch
- Consensus
- Golden Light
- Diluculum
- Metanoia
- Black But Shining
Setliste – Moonspell
- Opium
- Awake!
- For A Taste Of Eternity
- Ruin And Misery
- A Poisoned Gift
- Raven Claws
- Mephisto
- Herr Spiegelmann
- Full Moon Madness
- Wolfshade (A Werewolf Masquerade)*
- Vampiria*
- Alma Mater*
*Zugaben