Avantasia im Z7 – eine «Warm-Up Show» der besonderen Art
Wenn Tobias Sammet Konzerte mit Avantasia ankündigt, dann sind ausverkaufte Hallen an der Tagesordnung. Auch im Z7 ist es wieder so – wenn auch für einmal nur an einem Abend. Doch der hatte es fraglos in sich!
Avantasia Konzerte im Z7 sind immer eine spezielle Geschichte. Jedes mal wenn Tobi mit seinen stets hochkarätigen Gästen auf grosse Rundreise geht, lockt er so viele Zuschauer an, dass ein Abend nicht genug ist. Doppelshows – zudem mit mindestens drei Stunden Spielzeit – sind der Standard. Doch an diesem Abend ist einiges anders. Es ist nur ein Gastspiel angesagt. Wer an Gästen mit dabei ist, ist (zumindest mir) nicht gross bekannt – einzig die Abwesenheit von Michi Kiske wurde im Vorfeld kommuniziert. Vorgruppen sind erneut kein Thema, doch der angekündigte Beginn um 20.45h sorgt (nicht nur) bei mir für das eine oder andere Fragezeichen. Nun gut – Avantasia sind ja auch nicht auf einer richtigen Tournee. Genau genommen spielen sie nur gerade zwei Festivals dieses Jahr: Barcelona Rock Fest und Wacken. Ah – und ein Hallenkonzert. Im Z7. Was doch einiges über den Stellenwert des Konzerttempels auch bei den Musikern aussagen dürfte… Trotz den erwähnten „unbekannten Faktoren“ ist die Fahrt in die Nordostschweiz natürlich Pflicht! Nicht nur für mich, sondern auch für die Metalinsider Dutti und Tanja sowie viele, viele weitere Bekannte und Metalheads – schlussendlich heisst es auch jetzt wieder „ausverkauft“!
Die frühe Türöffnung sorgt für eine aussergewöhnlich lange Wartezeit, die angekündigte Startzeit scheint sich zu bestätigen. Doch als um 20.50h die Hallenlichter ausgehen, ist das vergessen: Zum Intro „Also Sprach Zarathustra“ werden Drummer Felix Bohnke und Keyboarder Miro Rodenberg stürmisch begrüsst, ihnen folgen die Gitarristen Oli Hartmann und Sascha Paeth sowie der Mann am Bass, Andre Neygenfind. Auch die Background Sänger Herbie Langhans und Amanda Sommerville beziehen ihre Stellung – und mit den Klängen des Openers „Mystery Of A Blood Red Rose“ tritt auch der Hauptprotagonist Tobias Sammet unter riesigem Jubel auf die Bühne. Um es vorweg zu nehmen: dies bleibt der einzige Song, bei dem Tobi die Rolle des Sängers alleine übernimmt. Denn ab „Invoke The Machine“ (dem einzigen Song der „Mystery Of Time“-Scheibe) geht’s los mit der Verstärkung: Pretty Maids Frontmann Ronnie Atkins darf als erster ran und auch beim folgenden „Twisted Mind“ teilt er sich die Arbeit mit Tobi.
Das grossartige „The Scarecrow“ beschert den Fans den nächsten Gast, welcher ebenfalls frenetisch begrüsst wird: Jorn Lande! Kollegin Tanja kreischt mir vor Freude in die Ohren und ich staune derweil einmal mehr darüber, was für ein fantastischer Sänger der Norweger effektiv ist. Toll, dass er hier wieder an Bord ist! Und auch er darf grad doppelt ran, denn mit „Promised Land“ geht’s weiter, dies sollte aber leider der einzige Song von „Angels Of Babylon“ bleiben. Beim anschliessenden „Dying For An Angel“ darf sich Oli Hartmann am Mikrofon austoben und er steht seinem Vorgänger in prakitsch nichts nach. Oli würde sich bei manch einer Band prima als Frontmann machen!
Immer wieder sorgt natürlich Tobi mit seinen Ansagen für Stimmung. Mal auf Deutsch, dann wieder auf Englisch – und den Fans aus Frankreich teilt er mit, dass er deren Sprache nicht mächtig ist. Zwischendurch entdeckt er sogar einen Fan, der offenbar tatsächlich aus Seattle eingeflogen ist! Er frotzelt, dass diese Show „nur das Warm-Up für Barcelona“ ist – die Reaktionen sind entsprechend..! Dann fragt er sich, ob das Z7 Publikum mit den Spaniern mithalten kann. Es kann: Zumindest einmal überschreitet der Jubel der Fans die 115dB Marke auf dem Lautstärke-Radar. Tobi fordert daraufhin grad mal 180dB… Doch schlussendlich kennt man Sammet ja – und so ist auch klar, dass dieses Konzert zwar sicher eine Spur von „Warm Up“ hat, aber es ist ebenso klar, dass Avantasia die ganze Geschichte dennoch sehr ernst nehmen und dass sie den Fans wirklich etwas bieten wollen!
Auch Tobi’s Mitteilung, dass Michi Kiske nicht dabei ist, wird natürlich mit (kaum wirklich ernst gemeinten) Buh-Rufen quittiert – was den Fronter nun zu den nächsten Sprüchen animiert. Herbie Langhans kriegt seinen Spot: Bei „Reach Out For The Light“ übernimmt er den Part des ehemaligen und wieder aktuellen Kürbiskopfes. Herbie macht seine Sache auch richtig gut, allerdings kann er mit den ganz hohen Stimmlagen des Originals dann doch nicht ganz mithalten. Aber wer kann das schon?
Zwischendurch kommt auch Magnum-Sänger und Avantasia-Urgestein Bob Catley zu seinem ersten Auftritt. Bei „The Story Ain’t Over“ und beim genialen „Farewell“ teilt sich Tobi das Rampenlicht mit Amanda Sommerville. Bärenstark!
Was jetzt folgt, lässt wohl manches Kinn im proppenvollen Haus auf den Boden donnern. Tobi’s (englische) Ansage über einen Mann, der „mit seinen 80er Werken praktisch jeden inspiriert hat, der heute diese Art von Musik macht“ lässt es zwar erahnen – doch als zu „Seduction Of Decay“ tatsächlich Geoff Tate auf die Bühne kommt, hab auch ich grad etwas Mühe, meine Kauleiste wieder zu schliessen. Das Outfit des Herrn ist auch heute eher speziell (erinnert mich mehr an Bergbauer als an Heavy Metal Sänger), aber die Stimme. Die Stimme! Ganz egal, was bei Queensrÿche alles passiert ist: Der gesanglichen Leistung Tates hat es nicht geschadet, das ist riesengrosses Kino! Er darf danach auch grad noch die Übernummer „Avantasia“ zusammen mit Tobi darbieten. Und spätestens jetzt bemerkt auch der langsamste Mensch im Z7, dass dieser komische Aufbau vor der Bühnenmitte ein schön dekorierter Teleprompter ist. Tate mangelt es (verständlicherweise!) hier etwas an der Textsicherheit, da genehmigt er sich etwas optische Unterstützung… Tut aber dem fantastischen Gesang keinen Abbruch.
„Shelter From The Rain“ mit Bob Catley und Herbie Langhans an den Leadvocals wirkt danach fast etwas lahm. Doch dieser kurze Hänger dauert nicht lange, das nächste Highlight steht an: „Runaway Train“! Ein Titel, der den Weg zurück in die Setlist gefunden hat und bei dem Tobi das Singen mehrheitlich an Catley, Atkins und Lande delegiert.
Dafür gibt’s die nächsten „Unmutsbekundungen“, als der Chef bereits den „letzten Song des Abends“ ankündigt. Viel zu früh! Doch in einem hat der Kerl halt schon recht: wenige Bands spielen als (vermeintlich) letzte Nummer einen Titel, der über 10 Minuten dauert! „Let The Storm Descend Upon You“ (mit Atkins und Lande) beschliesst nach weniger als zwei Stunden bereits den regulären Part. Allerdings auf eine wirklich fulminante Art und Weise!
Als erste Zugabe gibt’s Kommerz: „Lost In Space“. Jeder findet den Song scheisse (naja – FAST jeder), trotzdem herrscht hier immer eine Bombenstimmung! Dass es wirklich kein gewöhnliches Avantasia-Konzert ist, merkt man endgültig, als nach zwei Stunden „Sign Of The Cross“ beginnt, bei dem Tobi traditionell und auf immer wieder unterschiedlichste Weise die Band ausführlich vorstellt. „Der Bassist will heute nicht beim Namen genannt werden, und die Namen der Bassisten interessieren eh niemanden. Hier ist: Unser Bassist!“ Und natürlich ist auch Drummer Felix Bohnke einmal mehr „Zielscheibe“: „Der Mann besteht nur aus Knochen und Muskeln. Und Penis. Um es einfach mal öffentlich zu sagen: Felix – ich liebe Dich!“ Was vom Schlagzeuger mit Handkuss quittiert wird…
Zum Schluss dürfen alle Mitglieder und Gäste nochmals ran, „Sign Of The Cross“ mündet in „The Seven Angels“ und nach 135 Minuten ist das Spektakel endgültig zu Ende. Avantasia hinterlassen ein praktisch restlos begeistertes Publikum.
Im Vorfeld hörte man munkeln, dass es für Tobi nicht ganz einfach gewesen sein soll, ein schlagkräftiges Line-Up zusammenzustellen. Trotz Abwesenheit von Michi Kiske ist ihm dies aber fraglos gelungen! Geoff Tate war in dieser Beziehung sicher mehr als ein „Kiske-Ersatz“. Dass heute „nur“ 16 Songs in gut zwei Stunden gespielt werden, ist untypisch und sicher etwas schade, dennoch gibt es ansonsten an der ganzen Show eigentlich kaum was auszusetzen. Und wenn man bedenkt, dass die Spielzeit in Barcelona dann sogar 120 Minuten beträgt (Tobi: „Da streichen wir fünf Songs und wir labbern dafür etwas mehr!“, dann kann man dieses Konzert sicherlich nicht (mehr) als einfache „Warm-Up Show“ ansehen!
Avantasia überzeugen einmal mehr – und die Fans dürfen sich sicher auf eine Rückkehr in absehbarer Zeit freuen!
Dutti: Nach einem eindrücklichen Auftritt auf den schlammigen Äckern des in Metal-Kreisen nicht ganz so unbekannten Dörfchens Wacken vor drei Jahren erlebe ich heute Abend meine zweite Avantasia-Show. Den obigen Aussagen von Kollege Kaufi kann ich mich absolut anschliessen. In Zeiten in denen Musiker gleichzeitig in mehreren Bands aktiv sind, ist es für Tobias Sammet stets eine riesige Herausforderung die passenden Gäste für Live-Shows seiner metallischen Oper zu finden. Glücklicherweise ist es ihm bis jetzt trotzdem immer gelungen. Und das ändert sich auch heute Abend nicht. Bestnoten von meiner Seite her gibt’s für den Ex-Masterplan Sänger Jørn Lande und Pretty Maids-Frontmann Ronnie Atkins. Beide zeigen beispielsweise bei den Songs «The Scarcrow» und «Twisted Mind» hammermässige Duette mit Kollege Tobi. Das ist ganz grosses Kino! Weshalb eigentlich Konzerte der einzelnen Bands besuchen, wenn man doch während einer Avantasia-Show ein kleines Best-Of der metallischen Sängerschaft ganz bequem an einem Abend auf einer Bühne erleben kann?
Im Erschaffen von Musikstücken ist der gute Herr Sammet zweifelsohne ein Meister seiner Zunft. Auch gesanglich hat der leidenschaftliche Anhänger des FC Bayern München (Anm. Kaufi: das macht Tobi NOCH sympathischer!) einiges auf dem Kasten. Allerdings sitzen die ganz hohen Töne nicht immer perfekt. Aber diese kleinen, kaum spürbaren Fehlerchen kompensiert er mit seinen unnachahmlichen Entertainer-Fähigkeiten. Kaufi hat euch ja bereits ein paar Müsterchen in seinem Bericht aufgezählt. Ich kann euch sonst noch das YouTube-Video «Tobias Sammet — Village boy looking for girl» empfehlen. Eure Lachmuskeln werden es euch danken. Ja, Tobi ist eine Plaudertasche. Zwar nicht ganz so extrem wie Kollege Danko Jones, aber er kann sich da teilweise schon ein wenig reinsteigern. Trotzdem kriegt er jeweils stets wieder die Kurve und lenkt die Aufmerksamkeit des Publikums auf das Wesentliche. «Is there anybody who wants to hear some music instead of speaking?».
Ein weiteres Kompliment gibt’s für die hübsch eingerichtete Bühne. Im Hintergrund sind Ruinen und ein riesiges Backdrop mit dem Cover der aktuellen Avantasia-Scheibe «Ghostlights» zu sehen. In der Mitte wurde eine Treppe platziert auf der die jeweiligen Gäste elegant herunterstolzieren können. Somit herrscht regelmässig Bewegung und Betrieb auf der Bühne. Diese Energie scheint sich auch auf die Masse im Saal zu übertragen. Da wird munter geklatscht, gefeiert und getanzt. Tobi & Friends haben die Fans absolut im Griff.
Abermals ein äusserst gelungener Avantasia-Auftritt. Die immer wieder auftauchenden «Pussy-Metal-Vorwürfe» aus gewissen Ecken kann ich ehrlichgesagt nicht nachvollziehen. Das müssen wohl ziemliche Banausen sein. Auch wenn es schwierig wird, aber für das nächste Schweizer Konzert wünsche ich mir von Herzen eine Live-Darbietung des Songs «Master Of The Pendulum». Selbstverständlich MUSS dann natürlich auch der überragende Marco Hietala am Start sein. Auf Tobi müssen die hiesigen Fans übrigens nicht so lange verzichten. Er wird bereits Ende September mit Edguy wieder in Pratteln zu Gast sein. Kaufi und ich werden Metalinside dann ebenfalls wieder vor Ort vertreten. Streicht euch den 29. September schon einmal fett mit dem Rotstift in euren Agenden an!
Setliste Avantasia im Z7 2017
- Also Sprach Zarathustra (Intro)
- Mystery Of A Blood Red Rose
- Invoke The Machine (mit Ronnie Atkins)
- Twisted Mind (mit Ronnie Atkins)
- The Scarecrow (mit Jorn Lande)
- Promised Land (mit Jorn Lande)
- Dying For An Angel (mit Oli Hartmann)
- The Story Ain’t Over (mit Bob Catley)
- Reach Out For The Light (mit Herbie Langhans)
- Farewell (mit Amanda Sommerville)
- Seduction Of Decay (mit Geoff Tate)
- Avantasia (mit Geoff Tate)
- Shelter From The Rain (mit Bob Catley und Herbie Langhans)
- Runaway Train (mit Bob Catley und Jorn Lande)
- Let The Storm Descend Upon You (mit Ronnie Atkins und Jorn Lande)
- Lost In Space (mit Amanda Sommerville)*
- Sign Of The Cross / The Seven Angels (mit allen Sängern zusammen)*
* Zugaben