Raus aus dem Keller, ab ans Seeufer!
Anlässlich des neuen Albums „This Is The Sound“ von Cellar Darling, über welches ich für Metalinside auch eine Review schrieb, durfte ich die Band in Zürich treffen. Wir machten es uns am See gemütlich und plauderten über das Album, die Zukunft der Band und die der Nebenprojekte. Was Anna Murphy, Merlin Sutter und Ivo Henzi euch zu erzählen haben, lest ihr hier. Viel Spass!
Domi the Stick (Metalinside.ch): Als erstes will ich euch zu eurem neuen Album gratulieren! Ich selber fand es extrem geil, und dazu auch gleich meine erste Frage: Fühlt sich ein solches Albumrelease an wie „das erste Mal“ einer Band oder ist es bei euch inzwischen Routine, da ihr die ganze Erfahrung schon habt?
Ivo: Für mich fühlt es sich definitiv irgendwie wie das erste Mal an. Wir haben zwar schon viele Alben rausgebracht, wir wissen wie das Ganze mit den Reviews und so funktioniert. Wir wissen irgendwie was kommt, aber irgendwie auch nicht. Und das macht uns…
Merlin: Voll Karacho neu! Es ist etwas ganz anderes als bei Elu.
Anna: Vor allem ist es viel persönlicher.
Merlin: Genau, das macht es aus! Einerseits, weil wir jetzt eine kleinere Band sind und von neu anfangen und andererseits, weil es eine andere Musik ist. Elu war super. Wahnsinn! Da war es auch klar definiert. Wir wussten, was wir machten und waren ziemlich selbstbewusst damit. Das neue ist jetzt viel persönlicher. Es kommt viel mehr von uns, wir lehnen uns mehr aus dem Fenster.
DtS: Du hast es gerade angesprochen: neuer Sound. Was macht für euch den Cellar Darling Sound aus?
Ivo: Wir drei!
Merlin: Genau, die Kombination von uns dreien. Es ist wirklich so, auch wenn es vielleicht bei Bands inzwischen ein bisschen ausgelutscht ist, wir haben uns keine Grenzen gesetzt. Wir wollten nicht nicht wie Elu tönen, wir wollten aber genau so wenig wie Elu tönen. Wir haben halt einfach zu 100% unser Ding gemacht und „mit huere vill Glück“ hat das dann funktioniert. Das macht es aus.
DtS: Also seid ihr selber auch überrascht, wie gut die ersten Live-Konzerte angekommen sind?
Anna: Ja, schon. Es war halt nicht wirklich geplant. Bei uns ist alles einfach passiert und irgendwie haben wir uns dabei selber zugeschaut währenddessen. Deshalb weiss man auch nicht, was passieren wird und daher ist es auch umso spannender.
DtS: Zum Album selber: Gibt es einen bestimmten Grund für die Reihenfolge der Songs oder wurden diese einfach wild zusammengewürfelt?
Anna: Wir haben uns schon viel dabei überlegt. Einerseits gibt es aus der Musiker-Sicht Sachen, die sein müssen. Gewisse Songs passen wegen unterschiedlicher Tonart und unterschiedlichem Tempo nicht zusammen, dann ist der Übergang einfach nicht schön und fühlt sich nicht gut an. Einerseits haben wir darauf geachtet, andererseits haben wir einfach aufs Gefühl geschaut. Avalanche zum Beispiel haben wir… (zu Merlin:) das war sogar Fredys Idee…
Merlin: Ja, das der zuerst kommen muss!
Anna: Es war seine Idee, dass der zuerst sein muss. Als er das gesagt hatte, waren wir zuerst erstaunt. Wir hörten uns das dann aber an und da war es für uns völlig klar: Logisch muss das der erste Song sein. Wir haben verschiedene Sachen ausprobiert, die durchgehört, und dann hat sich das so ergeben. Eben, vor allem auch nach Gefühl.
Merlin: Das Gefühl war sicher wichtig. Wir haben viel daran herumstudiert, aber das Gefühl war ausschlaggebend.
DtS: Zum Verständnis für die Leser, wer ist dieser Fredy genau?
Anna: Fredy (Schnyder) hat auf unserem Album Piano gespielt. Er hat das Piano aufgenommen und war auch so eine Art Creative Consultant. Wir haben ihm alle Demos gezeigt und sind mit ihm an einem Abend zusammengesessen, haben Inputs bekommen.
Merlin: Wir schätzen alle seine Meinung als Musiker.
Anna: Er ist von Nucleus Torn. Das ist sein Prog Projekt, bei dem ich auch gesungen habe, deshalb kennen wir uns.
DtS: Auf einen Song will ich ganz speziell eingehen. „Hedonia“ ist ja irgendwie eine Art Nachfolger von „De Ruef Vu De Bärge“. Sind weitere…
Anna (unterbricht mich erstaunt): Das habe ich mir gar nie so wirklich überlegt. Ich habe eigentlich nicht bei Elu, sondern bei meiner anderen Band Fräkmündt festgestellt, dass Schweizerdeutsch singen extrem schön ist, was ich nie erwartet hätte, denn ich hasse es Hochdeutsch zu singen. Ich höre auch fast keine Bands, die Hochdeutsch singen. Ich finde es eine grässliche Singsprache, dies ist aber natürlich nur mein persönlicher Geschmack. Ich sage nicht, dass deutsche Bands nicht gut sind.
Merlin: Band-Diss!
Anna: Nein, ich disse keine Bands, es gefällt mir einfach als Sprache zum Singen nicht. Bei Schweizerdeutsch ist das völlig anders, bei „De Ruef Vu De Bärge“ hat es sich für mich auch wieder bestätigt, dass es mir gefällt, so zu singen. Wir haben dann schon am Anfang unserer Bandkarriere gefunden, dass ein Song auf Schweizerdeutsch noch cool wäre. Aber musikalisch ist „Hedonia“ ja total anders als „De Ruef Vu De Bärge“.
DtS: Habt ihr weitere schweizerdeutsche Songs geplant?
Ivo: Bis jetzt noch nicht konkret.
Merlin: Eher im Sinn von „Warum eigentlich nicht?“.
Anna: Genau, wir lassen das mal offen.
DtS: Wir haben gerade zukünftige Songs angesprochen. Gibt es schon Gedanken für ein neues Album? Gibt es vielleicht Songs, die es nicht auf das erste Album geschafft haben oder arbeitet ihr seit den Aufnahmen schon an neuen Songs?
Ivo & Anna: Ja!
Ivo: Wir sind bereits am planen und am Ideen sammeln. Wir sind noch nicht in den Proberaum gesessen und haben konkret daran gearbeitet. Aber ich glaube, in unseren Köpfen formt sich schon langsam was, Ideen sind auf jeden Fall da.
Merlin: Es dürfte nicht allzu lange gehen bis zum nächsten Album.
Anna: Also ich bin an zwei Songs am Arbeiten.
DtS: Toll, ich bin gespannt auf das neue Material! Ihr habt ja einige Musikvideos gemacht. Bei „Challenge“ sieht man eine blonde Frau mit Schwert, später bei „Black Moon“ und „Avalanche“ sieht man sie wieder. Ist das eine Bekannte von euch, die verschiedene Charakter spielt oder ist das irgendwie zusammenhängend?
Anna: Das ist Fabienne (Fellmann). Sie ist eine gute Freundin von mir. In erster Linie ist sie aber professionelle Schauspielerin. Deshalb habe ich sie auch gefragt. Meine, also unsere, Idee war folgende: Kennst du Sia? Sie ist zwar total nicht aus unserem Genre, sie ist eine Pop-Sängerin aus Australien. Sie macht teilweise ziemlich abgefahrenes Zeugs, welches mir aber „uh huere guet“ gefällt. Sie hat in Videos immer ein Mädchen, welches ein konstantes Element in allen Videos darstellt. Das hat mich ein bisschen inspiriert. Unsere Videos sind völlig unterschiedlich, es handelt sich um andere Geschichten, aber es hat immer ein gleichbleibendes Element. Eben, in unserem Fall ist das Fabienne. Das hat sich auch einfach irgendwie ergeben. Sie macht immer mit und nimmt verschiedene Rollen ein. Wenn sie dann mal nicht mehr mitmachen will, ziehen wir Ivo eine blonde Perücke an.
Merlin: Ich will noch anfügen, wir haben zuerst Brad Pitt angefragt mit unserer Idee, der wollte dann aber nicht. Aber Fabienne hat zum Glück mitgemacht.
DtS: Sind zum neuen Album noch mehr Musikvideos geplant?
Merlin: Ja, es sind noch mehrere geplant.
DtS: Darf man wissen, um welche Songs es sich dabei handelt?
Merlin: Nein.
Anna: Nicht? Wieso nicht?
Merlin: Weiss nicht, ich habe jetzt einfach mal Nein gesagt.
Anna: Soll es eine Überraschung sein?
Merlin: Ja, wir sind doch mysteriös. Ihr seht es dann, wenn es veröffentlicht wird.
DtS: Ivo, letztes Jahr hast du mit Forest Of Fog eine neue Single veröffentlicht. Läuft dieses Projekt neben Cellar Darling noch oder ist das momentan auf Eis gelegt?
Ivo: Das Projekt ist momentan wieder am Laufen. Bald werde ich das Album fertig machen und hoffentlich noch dieses Jahr herausbringen. Ich habe zwar noch keinen ganz konkreten Plan, aber es ist bestimmt nicht auf Eis gelegt.
Merlin: Das wird das Metal-Album des Jahres!
Anna: Es wird super!
DtS: Darauf freue ich mich! Anna und Merlin, ähnliche Frage für euch zwei! Sind bei euch irgendwelche Nebenprojekte am Laufen oder ist momentan 100% Cellar Darling angesagt?
Anna: Ich schon, ich bin bereits am nächsten Solo-Album am Arbeiten, ebenfalls auch am neuen Fräkmündt Album, das ist ja meine Schweizer-Folk-Band. Weiter mache ich wahrscheinlich noch ein ganz neues Projekt, aber das ist alles noch ein bisschen schwammig. Es passiert einfach, wenn ich Zeit habe. Die Priorität ist Cellar Darling, alles andere mache ich, sobald ich dazu Lust habe.
Merlin: Ich bin ein Mitläufer. Ich spiele bei Ivo Drums, auch auf dem Album. Ich spiele auch bei Anna und natürlich bei Cellar Darling.
DtS: Cool, dann ist also viel neues Material zu erwarten! Wenn man euren Tourenkalender anschaut, konzentriert dieser sich ziemlich auf Westeuropa. Beginnt ihr bewusst bei uns und wollt danach in die weite Welt oder gibt es da einen anderen Gedanken dahinter?
Merlin: Gar nicht! Wir wollen überall, sofort, aufs Mal. Wir arbeiten daran, es ist schwierig. Klar haben wir einen Vorteil wegen unserer vorherigen Karriere, aber es ist schwierig als neue Band Fuss zu fassen.
Ivo: Vor allem natürlich, bevor das Album überhaupt veröffentlicht ist.
Merlin: Auf jeden Fall sind wir in Kontakt mit Personen aus der ganzen Welt, welche wir zum Glück mit Elu kennenlernen durften. Wenn man uns fragt, kann es sofort losgehen! Wo immer man uns spielen lässt, werden wir spielen!
DtS: Ich habe gesehen, ihr habt im Dezember als Vorband von Amorphis und im April in der Schüür ein Meet & Greet mit Akustiksongs gemacht. Ist das ein Elu-Gedanke, weil ihr das damals auch gemacht habt? Wie kam das zustande?
Ivo: Wir haben gemerkt, dass dies gut ankommt. Etwas, das wir auch bieten können.
Merlin: Wir machen das gerne. Wir haben das bei Elu angefangen. Das kam auch von uns aus.
Anna: Das war unsere Idee gewesen.
Merlin: Also eigentlich vor allem Annas Idee. Diese VIP Meet & Greets sind so ein Ding, es hat sich halt etabliert. Bands müssen Geld verdienen. Sie verkaufen diese Tickets und wir haben dies immer einen „Schiissdräck“ gefunden. Nur für ein Poster und schnell am Tisch vorbeizulaufen und ein Autogramm zu bekommen… Das ist unserer Meinung nach Abzocke. Wir haben die Idee generell aber geil gefunden.
Anna: Es ist vor allem wichtig, dass man den Leuten etwas bietet.
Merlin: Genau, dieses „etwas extra bieten“ ist cool. Wir haben auch immer Freude gehabt…
(Das Gespräch wird kurz unterbrochen, weil Anna und Merlin, die in Richtung See schauen, einen Baby-Schwan entdeckt haben.)
Merlin: Zurück zum Thema, es ist eben auch geil, Leute zu treffen. Es ist wirklich spannend, mit Elu haben wir das in Asien und auch in Amerika gemacht. Wenn eben dieser Autogrammtisch fehlt, kann man auch mit den Leuten „schnurre“, ihnen Hallo sagen. Das ist geil! Deshalb haben wir gedacht: „Warum nicht?“
Anna: Es ist uns auch wichtig, eine gewisse Fannähe zu haben. Es gibt die andere Seite, bei grösseren Bands zahlen die Leute teilweise vielleicht 60 Stutz, um schnell die Hand zu schütteln und ein Autogramm zu bekommen. Das finde ich ehrlich gesagt völlig scheisse. Ich meine, da macht man sich viel wichtiger, als man eigentlich ist.
Merlin: Also ich würde 60 Stei zahlen, um Beyoncé die Hand zu schütteln. Aber sonst?
Anna: Wir möchten das Ganze auf eine persönliche Ebene runterbringen. Es ist jeweils eine gute Gelegenheit. Man spielt rasch einen Song und kann dann mit den Leuten ein Bier trinken.
DtS: Also sind solche Meet & Greets auch in Zukunft geplant?
Ivo & Anna: Ja, auf jeden Fall.
DtS: Die letzte Frage! Wird es an euren Konzerten jemals Elu Songs geben?
Ivo: Nein.
Merlin: Ivo sagt Nein. Wir wollten Inis Mona spielen, aber Ivo sagt Nein.
Anna: Nein, ich wollte nie Inis Mona spielen!
Merlin: Das war auch ein Witz!
Anna: Ich finde, Never Say Never! Anneke Van Giersbergen spielt auch noch Gathering Songs. Ich finde dies ziemlich cool. Ich denke, jetzt werden wir sicher keine Elu Songs spielen. Wir haben ein neues Album und extrem Freude daran. Es gibt gar keinen Platz für Elu Songs. Mein erster Impuls wäre es auch gewesen, Nein zu sagen. Aber man weiss ja nie. Weisst du, vielleicht eines Tages, wenn jetzt alle danach schreien, könnte man ja spontan…
Ivo: Inis Mona spielen! (alle lachen)
Anna: Den könnten wir sicher noch!
DtS: Wollt ihr zum Schluss des Interviews noch etwas anfügen?
Ivo: Danke für das Interview!
Merlin: Es ist geil, dass du dir Zeit genommen hast. Es wird bestimmt geil, für die Leute, die es lesen. Ich hoffe, ihr hört rein ins neue Album!
Anna: Ja, hört auf jeden Fall rein!
Merlin: Shows! Ich hoffe, wir sehen alle an den Shows. Dich, eure Leser, alle anderen Fans…
DtS: Wir werden auf jeden Fall da sein! Auch euch vielen Dank für das Interview und viel Spass auf der kommenden Tour!
Nachtrag Domi the Stick: Zusätzlich zu den Konzerten als Vorband von Evanescence am 08.07. und von Delain am 27.10. (beide im Z7 in Pratteln) sowie dem Montreux Jazz Festival am 13.07. und dem Openair Gränichen am 25.08. wurden nun noch CH-Headliner-Konzerte bestätigt: Am 13.09. rocken Cellar Darling das Kofmehl in Solothurn und am 14.09. geht es dem Dynamo Werk 21 an den Kragen.