VOIVOD – Rrröööaaarrr (Thrash Metal – Re-Release)
Wer älter ist als vierzig und keine Platte von Noise Records bei sich im Regal stehen hat, wird wahrscheinlich eine traurige Metal-Kindheit gehabt haben. Das berlinische Haus lieferte nämlich Lärm für jeden Geschmack. Unvergessen bleiben Perlen wie Celtic Frosts „To Mega Therion“, Helloweens „Keeper Of The Seven Keys“ oder Voivods „Killing Technology“. Wir werden die erste von drei Wiederauflagen dieser historischen Band aus Kanada besprechen.
Redet man heute über die Mitte der Achtziger, dann denken einige an eine graue Vorzeit. Gorbatschows Ernennung zum Generalsekretär läutete eine Wende im Kalten Krieg ein, die Entführung des Kreuzfahrtschiffs „Achille Lauro“ brachte erneut die Palästinenserfrage in die Medien und die Raumsonde Voyager 2 näherte sich der Grenze des Solarsystems, zu dem Pluto noch als anerkannter Planet gehörte. Viele Ereignisse verunsicherten zwar, brachten aber auch Schwung in die Kreativität rein. Wut, Kritik und Erneuerungswille waren wichtige Antreiber, auch für Voivod, die 1986 „Rrröööaaarrr“ präsentierten. Diese war ihre zweite Platte, ihre erste für Noise und die letzte die stark vom Punk beeinflusst wurde.
Klappt Ihr das edle Digibook auf, entdeckt Ihr drei Disks. Das remasterte „Rrröööaaarrr“ und eine Live-Show von guter Soundqualität finden Platz auf zwei CDs mit insgesamt dreiundzwanzig Songs drauf. Die beiliegende DVD ergänzt das Angebot mit vier weiteren Audiospuren, mehreren Live-Videos und einer Fotogalerie. Wer hohe Erwartungen an die Bildqualität hat, könnte enttäuscht werden. Die Aufnahmen wurden von VHS-Bändern gerippt, die ihre beste Zeit bereits hinter sich hatten. Trotzdem, die Aufnahmen dokumentieren die damalige Stimmung an Konzerten. Im zwanzigseitigen Booklet erzählen die Mitglieder der Band Anekdoten, die von Fotos begleitet werden.
Reinhören und portofrei bestellen (2cd, 1dvd)
VOIVOD – Killing Technology (Thrash Metal – Re-Release)
Im Jahr 1987 ändert sich für Voivod einiges: Die Band zieht um, wird reifer und mit den Instrumenten vertrauter. Die Zeit ist politisch bewegt und es passieren Katastrophen – Tschernobyl dürfte vielen ein Begriff sein – die zum Kernthema „Killing Technology“ beitragen. „Spinnt denn die Technologie?“, fragen sich Voivod und verarbeiten kurzerhand ihre Eindrücke zu Geschichten. Diese finden in einer hypothetischen post-nuklearen Welt statt.
Noise hat diesen Klassiker digital überarbeitet und bietet ihn nun als fettes Digibook mit mehreren Extras an.
Auf „Killing Technology“ erkennt man noch die britische Metal- und Punk-Grundlage. Die Kanadier interpretieren sie diesmal vielschichtiger und gestalten ihre Lieder spannender als auf den Vorgängerplatten. Sie formen ihr eigenen Stil. Dieses Werk gehört noch heute zu den einflussreichsten im Metal. Moderne Gruppen wie zum Beispiel Khthoniik Cerviiks zählen sie als wichtige Inspirationsquelle auf. Seine Noten sorgen damals für einen Aha-Effekt. Der kommt gerade richtig, denn die Lust auf Neues ist gross.
Wenn die Live-CD wie gewohnt gute Tonqualität liefert, überrascht uns die DVD mit sage und schreibe fünf Videos. Sie wurden während der Tour 1987 aufgenommen, eins davon in Sargans. Erwartet keine Profiarbeit. Bild- und Tonqualität bewegen sich im oberen Bootleg-Bereich, zeigen aber, wie Voivod sich auf der Bühne ins Zeug legten und wie das Publikum sich vom heutigen unterschied. Eine an einem Konzert in Brüssel aufgezeichnete Audiospur rundet das DVD-Angebot ab.
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VOIVOD – Dimension Hatröss (Thrash Metal – Re-Release)
Die im Booklet abgedruckte Aussage, dass in den späten 80ern nur zwei Bands – Celtic Frost und eben Voivod – die Metalmusik auf den Kopf stellten, ist vielleicht etwas gewagt. Schliesslich waren zum Beispiel auch Coroner wichtige Beschleuniger. Etwas Werbung in eigener Sache ist gerechtfertigt. Schliesslich bietet uns Noise recht schöne Wiederauflagen, die es sich lohnt, näher anzuschauen. Schlagzeuger Michel Langevin bezeichnet „Dimension Hatröss“ als etwas völlig anders. Wer die Aufnahme auf sich wirken lässt, erkennt, dass sie auch für heutige Verhältnisse sehr progressiv und experimentell ist. Und wieder waren es die Nachrichten über Gewalt und Terror, die Voivods Texten inspirierten.
Bartóks und Strawinskys Werke beeinflussten Voivods Kompositionsprozess. Es ist also verständlich, dass „Dimension Hatröss“ alles andere als linear und leicht verdaulich wurde. Dave Mustaine hatte mit Megadeth gezeigt, dass Thrash-Metal auch anders gespielt werden kann. Voivod trieben es mit einer trockeneren und manchmal abstrusen Spielweise noch weiter. Sie experimentierten zum Beispiel mit Industrial-Klänge und schienen die Schmerzgrenze des „angepassten“ Metallers ausloten zu wollen.
Auch dieses schöne Digibook verwöhnt uns mit dreiundzwanzig Spuren auf zwei CDs verteilt, die von verschiedenen Extras auf DVD ergänzt werden. Die Tonqualität des bisher unveröffentlichten Live-Mitschnitts auf der zweiten CD garantiert Hörgenuss pur und gibt bestens die damalige Stimmung wieder. Die Videos auf der DVD scheinen Amateuraufnahmen zu sein, sind aber von mehr als passabler Qualität. Die Sicht auf das Geschehen variiert von gut bis sehr gut mit Ausnahme des zweiten Dokuments. Dieses wurde aus der Zuschauermasse gefilmt. Ihr kennt es ja: Hinter einem grossen Mann am Konzert stehe immer ich. Die Disk wird mit der „Dimension Hatröss“-Demo aufgepeppt.
Was hatten Geldnot mit Celtic Frost zu tun und was war schon damals mit dem 2005 verstorbenen Gitarristen Piggy los? Im Booklet findet Ihr interessante Geschichten, die viele Antworten liefern.
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VOIVOD – Build Your Weapons – The Very Best Of The Noise Years 1986-1988 (Thrash Metal)
Noise hält noch etwas für uns parat: ein Voivod-Best-of. Wer kann davon profitieren? Hörer die Voivod nicht kennen und sich eine Übersicht verschaffen möchten, gehen hier auf Nummer sicher. Zwanzig Voivod-Gassenhauer sind auf zwei CDs chronologisch angeordnet und werden als schickes Digibook geliefert.
Während das Mehrwert der besprochenen Wiederauflagen erkennbar ist, stehe ich dieser Sammlung skeptisch gegenüber. Als ehemaliger Einkäufer optischer Medien weiss ich, wie schwer es ist, passende Produkte zu finden, die den Kunden zum Kauf animieren. Heute wird es oft mit billigen Packages versucht, den einbrechenden Verkaufszahlen entgegen zu wirken. Fünf Silberlinge werden in Pappschuber gezwängt und als „Anthologie“ in einer mehr oder weniger aufwändig gestalteten Pappschachtel für ein paar Franken verkauft. Bei dem immer schwieriger werdenden Markt, frage ich mich also, warum presst man ein Best-of, das überflüssig ist, weil die Songs bereits auf den edlen Neuauflagen zu finden sind?
Die DVDs die mit den schönen Re-Releases geliefert werden, enthalten auch Audiospuren. Wäre es für den Käufer vielleicht spannender gewesen, wenn er diese anstelle von „Build Your Weapons“ als CD hätte kaufen können?
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