Die Piraten entern den Gaskessel – und zwar mit Rum, Beer, Quest and Mead!
Was gibt es Schöneres, als das Ende der Woche mit einem Metal-Konzert zu zelebrieren? Richtig, nichts! Aus diesem Grund nehme ich am 08.10.2017 die Reise nach Bern in den Gaskessel auf mich, um dort dem Konzert der Party-Piraten von Alestorm beizuwohnen.
Schon vor dem mit Graffiti übersäten Gaskessel, einem ehemaligen Gastank, treffe ich auf eine riesige Menschenreihe. Hmm, komisch… Türöffnung war doch um 19:30 Uhr und es ist schon fast 20 Uhr… Ich stelle mich an und unterhalte mich mit anderen Besuchern, welche sich ebenfalls über die lange Schlange wundern. Diese scheint wohl durch ein nicht ganz naheliegendes System beim Einlass verursacht zu sein: Bevor man durch die Sicherheitskontrolle in den «Chessu» darf, muss man sich zuerst an der Abendkasse das Handgelenk stempeln lassen – auch mit Vorverkaufsticket. Dadurch steht man also, auch wenn man bereits ein Ticket hat, zweimal an: an der Kasse und beim Einlass.
Troldhaugen
Kaum bin ich im Gaskessel, wünsche ich mich dann aber auch schon wieder nach draussen. Ich habe nichts dagegen, den ersten Teil der Vorband Troldhaugen verpasst zu haben. Auf der Bühne sehe ich vier spasmatisch zuckende Herren, welche zu Hip-Hop mit E-Gitarren rumhüpfen und denen es wohl völlig piepe ist, dass sie sich dabei so richtig lächerlich machen. Bin ich da am richtigen Konzert? Ich weiss ehrlich nicht, ob ich lachen oder weinen soll, denn die Band ist eindeutig zu viel des Schlechten. Das Publikum ist allem Anschein nach auch geteilter Meinung. Während die Piraten-Fans und eher trve angehauchten Metaller noch auf der Schwelle kehrtmachen, bildet sich in der Mitte nach einigen Songs doch noch ein Party Pit. Dieser besteht wohl vor allem aus den Bananenente-Alestorm-Fans und Personen, die schon mindestens drölf Bier intus haben. Lange Rede, kurzer Sinn: musikalisch unbrauchbar, absolut peinlich, und trotzdem die absolute Stimmungskanone. Prädikat: speziell.
Æther Realm
Nach einer kurzen Umbau-, WC- und Bier-hol-Pause sind dann Æther Realm an der Reihe. Die aus North Carolina stammenden Melodeath-Musiker sind zwar nicht so ausgefallen wie deren Vorgänger, überzeugen aber mit ihrem soliden Gedröhne. Insgesamt sind Æther Realm wohl nicht ganz so spektakulär wie Troldhaugen, können das Publikum aber besser begeistern. Nachdem der Sänger sich einen Triangle Pit wünscht (aber einen Circle Pit geliefert bekommt), ist dann auch schon bald Schluss und die Amerikaner überlassen die Bühne der Alestorm-Crew.
Alestorm
Der Umbau dauert nicht allzu lange, trotzdem wird der Beginn der Headliner-Show noch ein wenig rausgezögert. Der Stimmung des Publikums tut dies aber keineswegs einen Abbruch. Im Gegenteil, mit einer Reihe Queen-Hymnen, welche enthusiastisch mitgesungen werden, wird die Spannung kontinuierlich erhöht. Endlich ist es so weit: Christopher Bowes (Vocals & Keytar), Elliot Vernon (Keyboard), Máté Bodor (E-Gitarre), Gareth Murdock (E-Bass) und Peter Alcorn (Drums) betreten die Bühne und legen mit der Piraten-Hymne «Keelhauled» los. Gleich mit diesem ersten Track zeigen sie, dass es wohl keine besseren Piraten-Gelage gibt als an ihren Konzerten. Mit dem neuen «Alestorm», welches bei den Fans wohl eher als „Rum, Beer, Quest And Mead“ bekannt ist und dem etwas älteren «Magnetic North» führt die Band die Reise durch ihre Diskographie fort.
Mit „Mexico“ springen wir zurück zum aktuellen Album. Hier beweisen die Schotten unmissverständlich, dass auch die neuen Songs absolute Live-Kanonen sind. Mit «The Famous Ol‘ Spiced», dem Titelsong «No Grave But The Sea» und «The Sunk’n Norwegian» geht es weiter auf der Fahrt über die hohe See. Ruhiger wird es bei «Nancy The Tavern Wench». Beim nur wenige Sekunden langen «Rumpelkombo» wird die Stimmung sofort wieder auf astronomische Höhen getätscht. Sofort kündigt Fronter Chris, der übrigens sowohl zwischen den Vorbands als auch nach dem eigenen Konzert im Publikum zu sehen ist, einen brutalen Song an: Gemeint ist «1741 (The Battle Of Cartagena)», bei dem es dann auch wieder so richtig zur Sache geht. Nach diesem von Speed Metal angehauchten Song, bei dem Elliots Growl-Einlagen so richtig zur Geltung kommen, wechselt der Musikstil. «Hangover», welches wohl nicht nur aus Metal-Sicht um Meilen besser ist als das Original von Taio Cruz, ist an der Reihe und versetzt die Besucher des Gaskessels ins Dauerhüpfen.
Mit «Pegleg Potion» und «Bar Ünd Imbiss» stehen erneut zwei neue Stücke auf dem Programm. Mit «Captain Morgan’s Revenge» und «Shipwrecked» neigt sich der Abend dann langsam aber sicher dem Ende zu. Tatsächlich verschwinden die Musiker ganz kurz hinter der Bühne, melden sich aber bald wieder mit «Drink» zurück. Eine der Hauptthematiken in allen Songs der Band wird also erst in der Zugabe wirklich beim Namen genannt. Das Publikum singt von A-Z lauthals mit und wirkt sogar textsicherer als bei «Hangover». «Fuck You! You’re A Fucking Wanker!»-Chöre werden laut, doch die Piraten überraschen zuerst noch mit «Wenches & Mead». Danach kommt aber tatsächlich «Fucked With An Anchor», bei welchem Chris uns zum Schluss mitteilt, was er für alle von uns empfindet. Wir lieben dich auch!
Fanzit
Wie erwartet mauserte sich dieses Konzert zu einem der besten Konzerte des Jahres. Es war meine erste Alestorm-Headliner-Show (nach mehreren Festivalshows und dem Auftakt bei Sabaton) und auch hier muss ich sagen: Bei vielen Bands sind die Headliner-Shows um ein Vielfaches besser als andere Shows. Dies trifft zu 100% auch auf Alestorm zu. Schon bei den Vorbands war das Fest in vollem Gange, und auch wenn ich bei Troldhaugen nicht besoffen genug war, um sie gut zu finden, kaufte ich schlussendlich trotzdem ihre CDs. Sympathisch sind sie nämlich! Auch Aether Realm überzeugen auf ihre eigene Weise und spätestens bei Alestorm dampft der Gaskessel so richtig. Dass mein Shirt pflutschnass und wohl nur die Hälfte des Schweisses von mir selber ist, verbildlicht dies ein wenig.
Bei «1741 (The Battle Of Cartagena)», welches zu meinen Lieblingsstücken zählt, und den grossen Hits wie «Keelhauled», «Hangover» und «Drink» ist im Publikum einfach kein Halten mehr. Gezeigt wird dies durch einen praktisch nie abreissenden Pit, eine Wall Of Death und eine Ruder-Runde. Ebenfalls eindrücklich: Was ich bei anderen Bands wie HammerFall oder Judas Priest vermisse, schaffen Alestorm ohne Probleme: Das Album ist erst wenige Monate alt und schon jetzt sind die neuen Songs nicht weniger beliebt als die alten. Dies zeigt auch die Setlist! Welche Band kann schon einen neuen Song als letztes Stück bringen? So finden Alestorm einen optimalen Mix aus Alt und Neu, bei dem wohl viel Erhofftes fehlt, aber auch viel Überraschendes gezeigt wird.
Für mich ist klar: Eine Woche später werde ich in Pratteln zu finden sein, und zwar für die nächste Feier der schottischen Piraten!
Setliste Alestorm
- Keelhauled
- Alestorm
- Magnetic North
- Mexico
- That Famous Ol’ Spiced
- The Sunk’n Norwegian
- No Grave But The Sea
- Nancy The Tavern Wench
- Rumpelkombo
- 1741 (The Battle Of Cartagena)
- Hangover
- Pegleg Potion
- Bar Ünd Imbiss
- Captain Morgan’s Revenge»
- Shipwrecked
- Drink*
- Wenches & Mead*
- Fucked With An Anchor*
*Zugaben