Die emotionale Seite des Progs
Es kommt im Musikbusiness nicht selten vor, dass sich Geschwister die Bühne teilen. Bei Anathema scheint es hingegen ein regelrechter Familienbetrieb geworden zu sein. Die Cavanagh-Brüder und die Geschwister Douglas bilden zusammen mit Drummer Cardoso die englische Prog-Rock Band Anathema, die anlässlich ihres 11. Albums „The Optimist“ auf Tour sind. Ihr 48. Konzert absolvierten Anathema in Pratteln und bescheidene 34 weitere Gig liegen dieses Jahr noch vor ihnen. Alle Achtung, das ist eine respektable Leistung. Anathema kamen nicht allein und als Einheizer durften die inzwischen gut bekannten Alcest aus Avignon ans Werk.
Sur le pont… Alcest
Dieses bekannte französische Lied hat nur eines gemeinsam mit Alcest – den Herkunftsort. Das war es denn auch schon, denn Frankreichs bekannteste Vertreter des Post-Rock/Shoegazing Genres sind musikalisch ganz woanders zu Hause. Dafür passen sie umso besser zu Anathema, schliesslich sind beide recht melancholisch unterwegs. Alcest fokussieren sich eher auf instrumentale Elemente und die Vocals haben einen nicht so hohen Stellenwert wie beim Headliner. Dies tut aber wenig zur Sache, denn die Franzosen vermögen Einiges zu leisten und haben sich in der Szene einen respektablen Ruf verschafft.
Konzertanfang und Ende waren unspektakulär und eher bescheiden zurückhaltend. Unscheinbar betrat die Band die Bühne und stimmte als erstes ausgiebig ihre Instrumente. Alles in allem kann man den 1 stündigen Auftritt als ganz gut bezeichnen. Zwar fehlten herausragender Höhepunkte, die einem aus den Socken hievten, dafür liess sich eine kontinuierliche Qualität erkennen, die sich wie ein roter Faden durch die ausgewählten Songs schlängelte. Mittlerweile gibt es Alcest auch schon 17 Jahre und die Professionalität war auch im Z7 offensichtlich. Genauso unauffällig, ja fast verwirrend, verliess die Band die Bühne wieder und so mancher fragte sich, ob nun der Gig zu Ende sei. Dies schien auch Stéphane „Neige“ Paut wahrgenommen zu haben und verabschiedete sich dann noch persönlich vom Z7 Publikum. Eine sympatische Band und ein ebenso sympatisches Publikum zeigten sich zufrieden – was will man mehr?
Das Thema Anathema
Mit sehr langem Intro und einem Vincent Cavanagh, der mimiklos am Bühnenrand in das Publikum starrte, kündigten sich Anathema an. Wenn man die Briten stilistisch beschreiben muss, so sollte man zuerst klären welche Epoche in der Bandgeschichte gemeint ist. Die Band gibt es mittlerweile schon 37 Jahre. Der Musikstil hat sich in den vier Jahrzehnten massiv verändert. Waren Anathema in den Anfängen als Death-Doom-Band unterwegs, wandelte sich ihre Musik zu Gothic Metal und Dark Rock und schliesslich zu Alternative Rock und zum Progressive Rock.
Für die Soundqualität konnte Steven Wilsons Haus-Mischer verpflichtet werden, der vor allem den Drang zu verspüren schien, den Lautstärke-Fader nach oben zu schieben. Teilweise ging die Anzeige über 106db, was für das ungeschützte Ohr eine grosse Belastung ist. Man müsste meinen, dass ein Mitarbeiter vom Meister (Steven Wilson) ebenfalls eine Grösse in seinem Job sein müsste. Leider konnte sich dies nicht bestätigen, denn der Sound war zwar nicht schlecht, aber auch nicht vorbildlich.
Kritisches
Das ändert nichts an der Tatsache, dass Anathema gekonnt aufzeigten, wer im Moment den melancholischen Rock zurecht anführt. Die Band holte das Publikum geschickt in ihre eigene Klangwelt ab. Allerdings musste man bemerken, dass die Darbietung dem Konzert in Barcelona weit hinterherhinkte. Wer Anathema kennt, spürt diese Begeisterung der Band-Members, die sich normalerweise auch auf das Publikum überträgt. Doch an diesem Abend schien irgendwie oder irgendwo der Wurm drin zu sein. So fehlte beispielsweise John Douglas im Line-Up.
Die Band spielte ihr Programm dennoch gewohnt routiniert und durchwegs gut, doch reichte dies nicht aus um beim Publikum Ektase auszulösen. Die Songauswahl wiederspiegelte die Stimmung der letzten Alben und der Gig war entsprechend ruhig, melancholisch und sanft. Mit 18 Songs kamen die Fans jedenfalls auf ihre Kosten und auch wenn frenetischer Jubel ausblieb, merkte man dennoch allgemeingültige Freude im Publikum.
Fanzit
Wenn jemand Emotionen geschickt mit Musik verpackt darbieten kann, dann Anathema. Der sprichwörtliche Funke konnte dennoch nicht bei allen Zuhörern zünden. Besonders hervorzuheben war eindeutig Lee Douglas Stimme, die makellos daherkam. Leider reichte das nicht aus, um das Stimmungsbild des Auftrittes zu verbessern. Ich versuche stets mit einer bescheidenen Erwartungshaltung an Konzert zu gehen und liebe es dafür doppelt, wenn ich überrascht wird. Diesmal blieb eine Überraschung aus, was allerdings nichts über die Qualität des Gigs aussagt.
Setliste Anathema
- San Francisco
- Untouchable, Part 1
- Untouchable, Part 2
- Can‘t Let Go
- Endless Ways
- The Optimist
- The Lost Song, Part 3
- Barriers
- Pressure
- Dreaming Light
- Are You There?
- A Simple Mistake
- Closer
- Firelight
- Distant Satellites
- Springfield
- Back to the Start
- Fragile Dreams