Quasselstrippe und powervoller Metal
Dutti: Nach fast genau drei Monaten kehrte Tobias Sammet an diesem Freitagabend wieder zurück in den Schweizer Metal-Tempel. Doch anders als noch Ende Juni standen dieses Mal die Edguy-Hymnen im Vordergrund. Selbstverständlich wurde abermals fleissig geplaudert. Doch auch die musikalische Darbietung vermochte zu überzeugen. Den Anheizer-Job übernahmen die Jungs von The Unity. Im nun folgenden Konzertbericht von Metalinside-Kollege Kaufi und meiner Wenigkeit erfahrt ihr, was sonst noch so alles vorgefallen ist.
Höchste Zeit die Büroräumlichkeiten zu verlassen und nach Pratteln zu reisen. Ja, auch heute erlebe ich wieder einmal einen äusserst wünschenswerten Auftakt ins Wochenende. Im Z7 gastiert gleich die doppelte Ladung Power Metal. Beide Acts sind mir einigermassen bekannt. Den Herrschaften von The Unity bin ich zum ersten Mal am diesjährigen Bang Your Head!!!-Festival begegnet. Damals brachte die Truppe die Masse in der Messehalle ordentlich ins Schwitzen und hinterliess einen guten Eindruck. Nun folgt ein paar Monate später also bereits das Wiedersehen. Die Chef-Position gebührt am heutigen Abend allerdings Herrn Sammet und seinen Kollegen von Edguy. Die laufende Tour steht ganz im Zeichen des 25-jährigen Bestehens der Truppe. In diesem Zusammenhang haben die Fuldaer Power Metaller Mitte Juli die Best-Of Scheibe «Monuments» rausgehauen. Darauf befinden sich neben einer Auswahl der altbekannten Hymnen ebenfalls noch ein paar Raritäten und auch Material für die Zukunft. Ich bin gespannt, welche Songs es in die heutige Setliste schaffen werden.
Der Vorverkauf scheint nicht sonderlich schlecht gelaufen zu sein. Die Veranstalter rechnen mit circa 1’100 Nasen. Damit zählt die Konzertfabrik Z7 allerdings trotzdem zu den wenigen Locations, für die Edguy auf der laufenden Europa-Rundreise keinen «Sold Out»-Triumpf vermelden können. Die Tore der Halle stehen sperrangelweit offen. Damit soll wohl eine allfällige Sauna-Atmosphäre vermieden werden. Rechts vom Eingang befindet sich die Merchandise-Ecke. Uns sticht sofort das Edguy-Shirt mit der Aufschrift «I Eat Pussy» ins Auge. Tja, Edguy stehen nun einmal nicht bloss für die pure Ernsthaftigkeit. Kollege Kaufi lässt sich gleich zu einem Kauf hinreissen (Gilt da etwa die lateinische Redensart: «Nomen est omen»?). (Anm. Kaufi: Ich hab zwar nix gegen ein feines Steak einzuwenden, aber Katzen esse ich nicht. 🙂 Und wer sonstwas gedacht hat: Pfui!).
Die restliche Wartezeit überbrücken wir mit Getränkekonsum und Gesprächen mit den anderen Medienkollegen. Alle sind bei bester Laune. Dani Strub von schwarzeliste.ch ist sogar mit einem grossen Koffer unterwegs. Offiziell soll ja seine Kameraausrüstung dort drin sein. Wir machen uns allerdings einen Spass daraus und erzählen sämtlichen Leuten in der Umgebung, dass wir Tobi so durch die Gegend transportieren. Das Ganze wird fortan zum «Running Gag» des Abends. Aber so langsam ist die gut gefüllte Halle hungrig auf die musikalischen Darbietungen. Von mir aus darf’s gerne losgehen.
THE UNITY
Die metallische Einheit betrifft kurz nach acht die Bühne. Ins Leben gerufen wurde die Truppe durch die beiden Gamma Ray-Musiker Henjo Richter (Gitarre) und Michael Ehré (Drums). Mit Gianba Manenti ist ausserdem ein durchaus talentierter Sänger am Start. (Anm. Kaufi: Der Kollege neigt zur Untertreibung!). Zumindest entsteht bei mir dieser Eindruck nach einem wuchtigen Auftakt in Form des Liedes «Rise And Fall». Die Melodic Metaller haben bisher erst ein Album veröffentlicht, welches somit logischerweise das heutige Programm prägt. Zu hören gibt’s gute Gitarren-Soli und ansprechenden Gesang. Das eingängige Stück «No More Lies» entpuppt sich als solide Mitmach-Hymne. Dummerweise befindet sich die Mehrheit des Publikums noch im Tiefschlaf. Nur vereinzelt fliegen ein paar Haare durch die Luft. Das entgeht auch dem aufmerksamen Gianba nicht. «Are you müde?», fragt er schliesslich mit seinem unterhaltsamen Sprach-Mix in die Runde. Dezentes Gelächter ist die Antwort. Bezeichnen wir die ganze Geschichte doch humanerweise einmal als Schweizer Passivität. Aber da The Unity haben ja noch ein Ass in ihren Ärmeln. Den Weckdienst übernimmt die Gamma Ray-Überhymne «Send Me A Sign». Na bitte, exakt so muss das aussehen. Endlich kommt ein wenig Bewegung in die Bude. Das haben sich die Herrschaften redlich verdient. Mit «Never Forget» beenden The Unity schliesslich ihren dreiviertelstündigen Auftritt. Ein weiteres Wiedersehen ist – zumindest für mich – absolute Pflicht.
Kaufi: Boah, was für ein Auftakt in den Abend! The Unity jassen 45 Minuten ein geniales Power Metal Programm in den gut gefüllten Laden. Aber wie Dutti richtig sagt: Die grösste Mehrheit der zahlenden Kundschaft pennt. Unfassbar eigentlich! Denn Gianba und seine Truppe machen alles richtig. Insgesamt hab ich den Gig damals am BYH!!! noch einen Tick stärker gefunden, aber dieser Eindruck liegt wohl vor allem an den mauen Publikumsreaktionen heute. Das geniale „Never Forget“ bildet einen grossartigen Abschluss einer grossartigen Performance. Michael und Jogi: Nicht vergessen – 70‘000 Tons of Metal! Teilnahme erwünscht! 🙂
EDGUY
Dutti: Kaufi stürzt sich bereits wieder pflichtbewusst in den Fotograben. Ich bewege mich dagegen eher Richtung «Dutti-Pfosten». Allerdings haben beide dasselbe Ziel: Wir wollen Edguy sehen. Da übernehmen Tobi und seine Mitstreiter auch schon das Kommando. Ihnen prescht eine frenetische Applauswelle entgegen. Mit «Love Tyger» vom 2014er-Silberling «Space Police: Defenders Of The Crown» eröffnen die Deutschen ihr Set. Das ist sauberer Power Metal mit gute Laune-Effekt. Tobi hat den Song einst in einem Interview als Hommage an sich selbst bezeichnet. Sein unverkennbares Stimmorgan scheint in Bestform zu sein. Die hohen Töne sitzen jedenfalls.
Nach einem Abstecher in die Vergangenheit («Vain Glory Opera») kündigen die Worte «Ladies and Gentlemen, welcome to the freak-show» die erste wirklich bekannte Nummer an. (Anm. Kaufi: Wie meinen?? „Vain Glory Opera“ soll nicht wirklich bekannt sein??) «Mysteria» versetzt das Publikum regelrecht in Ekstase.(Anm. Kaufi: Wurde auch langsam Zeit!) Auch die Herrschaften auf der Bühne sind hervorragend gelaunt. Insbesondere Basser Tobias Exxel und Klampfenmann Jens Ludwig strahlen munter um die Wette. Und was darf ebenfalls niemals während einer Edguy-Show fehlen? Genau, Tobi’s Gelaber zwischen den Songs. Daran scheiden sich seit eh und je die Geister. Einige finden’s amüsant, während andere sich eher genervt abwenden. Eines ist jedoch glasklar: Man könnte eigentlich bloss mit seinen Aussagen problemlos einen kompletten Bericht verfassen. Bevorzugtes Opfer am heutigen Abend ist der Herr Tontechniker. Gemäss Tobi muss dieser jede Überschreitung der festgelegten Dezibel-Obergrenze aus der eigenen Tasche berappen. Fies wie der charismatische Sänger manchmal ist, lässt er das Publikum darauf gleich ein paar Mal laut schreien. Tja, die nun sichtbaren Werte des Dezibel-Zählers werden den Kameraden am Mischpult wohl oder übel in finanzielle Nöte stürzen.
Machen wir einen kleinen Sprung zur Setliste. Nun hat Schiessbuden-Meister Felix Bohnke seinen grossen Auftritt. Zeit für ein Drum-Solo. Zu hören gibt’s dazu die Titelmelodie der erfolgreichen Fantasy-TV-Serie «Game Of Thrones», was etliche Leute in der Halle abermals jubeln lässt. Anschliessend kehrt die restliche Band auf die Bühne zurück und Tobi bedankt sich beim Mann mit den «haarigen Schimpansenfüssen» für dessen Schlagzeugkunst. Kurz darauf entdeckt er einen Fan aus Irland und quasselt seine nächsten Monologe vorrübergehend in englischer Sprache. Wenig später sind schliesslich die Feuerzeuge (oder Smartphones mit entsprechender Funktion) gefordert. Es wird gefühlvoll. Edguy performen die emotionale Ballade «Save Me». Da kriegen einige Fans feuchte Äuglein. Beim darauffolgenden «Babylon» lassen die Herren am Ende gar noch eine Prise «The Trooper» von den legendären eisernen Jungfrauen einfliessen. Ja, da haben sie sich definitiv bei den Besten bedient.
Und nun? Ende Feuer? Noch nicht! Die Band verschwindet zwar kurz hinter der Bühne, taucht aber schon bald wieder auf. So können sie ihre Anhänger natürlich nicht stehen lassen. Jetzt sind die Batmans, Supermänner und Spidermans im Raum gefragt. Gespielt wird nämlich das oftmals als Mainstream-Müll verschriene «Superheroes». Trotz zweifelhaftem Ruf nach wie vor eine waschechte Stimmungsnummer. Kann man das überhaupt noch toppen? Klar doch. Edguy hauen zum Finale so locker «King Of Fools» raus und lassen damit die Masse ein allerletztes Mal zur Höchstform auflaufen. Ein geiler und gelungener Konzertabschluss.
Kaufi: In all den Jahren hab ich Edguy und natürlich auch Avantasia diverse Male live gesehen. Tobi Sammet könnte auch problemlos 90 Minuten als Stand Up Comedian auf der Bühne stehen – aber zum Glück macht er dann doch auch ab und zu Musik! Und der Maestro ist auch mächtig gut aufgelegt. Spässchen mit den Fotografen? Hab ich noch nie zuvor erlebt… Wie Dutti zudem schon angetönt hat, hat der Fronter heute mächtig Spass am db-Meter in der Halle. Tonmeister Achim Köhler darf die ganzen Einnahmen der Tour als Bussen bezahlen, weil sich Tobi ein ganz fieses Ding ausdenkt: Immer wenn er „Pratteln“ sagt, soll das Publikum richtig laut werden! Wird früh angetestet, funktioniert… Man glaubt es kaum, wie oft einer alleine „Pratteln“ sagen kann! Genial dann das Publikum: Selbst später im Set, als Tobi ohne Hintergedanken mal „Pratteln“ erwähnt, kreischen die Leute los – die Fans ziehen das bis zum Ende gnadenlos durch. Hammer! Und im Facebook wurden schon (natürlich nicht ernstgemeinte) Sammelaufrufe für Achim Köhler laut…
Doch auch musikalisch gibt es nichts auszusetzen. Eine absolute Göttersetlist mit Perlen wie „Babylon“ oder dem zusätzlich eingefügten „Out Of Control“, mit Hits wie „Superheroes“ und „Vain Glory Opera“, mit den wunderbaren Balladen „Land Of The Miracle“ (bei dem Drummer Felix laut Tobi mit seinen haarigen Schimpansenfüssen auch noch ein praktisch unsichtbares Keyboard spielt…) und „Save Me“ – das alles wird noch überstrahlt von dem schlicht grandiosen „The Piper Never Dies“!
Selbst wenn Sammet natürlich den grössten Teil des Spotlights einheimst, so muss man dennoch seine Mitstreiter erwähnen. Denn Jens, Tobias, Jens und Felix liefern ebenfalls eine absolut erstklassige Leistung ab. Gut, Drumsolos sind nicht meins. Und ich bin zudem wohl der einzige, der „Game Of Thrones“ nicht kennt. Egal – ein zusätzlicher Song wäre mir da immer lieber. Doch schlussendlich ist das selbstredend verschmerzbar! Zu gut ist der Rest des Programms!
FAZIT
Dutti: Bärenstarker Auftritt im Doppelpack. Sowohl The Unity als auch Edguy vermochten zu überzeugen. Beide Acts habe ich hoffentlich nicht zum letzten Mal in Aktion erlebt. Der Support-Truppe hätte ich allerdings ein etwas einsatzfreudigeres Publikum gegönnt. Und falls Kollege Tobi irgendwann einmal in ferner Zukunft sein Plappermaul etwas zügeln kann, liegen dann eventuell auch für Edguy noch ein paar Songs mehr drin. Das ist allerdings Meckerei auf sehr hohem Niveau. Und wie fällt das Resümee von Kollege Kaufi aus?
Kaufi: Um Himmel’s Willen, Dutti! Tobi soll vieles, aber ganz sicher NICHT sein Plappermaul zügeln! Von mir aus kann er noch mehr Sprüche machen und noch mehr Songs spielen – Tobi darf ALLES! Und was mein Resümee betrifft: Die beste Edguy Show, die ich je gesehen habe. Punkt. Ausrufezeichen! Und Irgendwie nervt es mich grade, dass ich nicht noch eine zweite Show der Tour sehen kann… Doch jedenfalls war es ein grossartiger Auftakt in den Konzertherbst!
Setliste – The Unity
- Rise And Fall
- Firesign
- No More Lies
- God Of Temptation
- Close To Crazy
- Calm Before The Storm
- Send Me A Sign
- Never Forget
Setliste – Edguy
- Love Tyger
- Vain Glory Opera
- Mysteria
- Land Of The Miracle
- Lavatory Love Machine
- The Piper Never Dies
- Tears Of A Mandrake
- Drum Solo
- Ministry Of Saints
- Save Me
- Out Of Control
- Babylon
- Superheroes*
- King Of Fools*
*Zugaben