Neue Deutsche Härte im Z7
Wir schreiben Donnerstag, 12. Oktober 2017 und befinden uns im Kanton Basel-Land, genauer gesagt im Z7 in Pratteln. In der ehemaligen Lagerhalle ist heute wieder einmal Party angesagt. Wie wir Metalheads wissen, handelt es sich beim Z7 aber nicht um einen Mainstream-Club mit Musik ab MP3 in schlechter Qualität und mit unangenehmen Besuchern. Im Gegenteil, heute auf dem Programm: Die deutschen NDH-Musiker Nord, Ost, Süd und West von Hämatom!
Bei der Anfahrt merken wir: im Vorverkauf haben wohl nicht allzu viele Leute ein Ticket gekauft. Es gibt nämlich keine Wegweiser in Richtung Kiesplatz. Auch der Shuttle-Bus steht geparkt vor der Halle. Wir parkieren also in der Nähe des Z7 und betreten die Location. Tatsächlich sprechen mehrere Indizien für ein Konzert im kleineren Rahmen. Die äusseren WCs sind geschlossen und ein Teil der Fläche in der Halle ist mit Gittern abgesperrt, des Weiteren ist die linke Bar geschlossen. Wir begeben uns zum Merch-Stand. Diesen zu bewundern, dauert bei Hämatom bekanntlich ein wenig länger als bei anderen Bands. Statt zwei oder drei Shirts sind wohl gegen 15 verschiedene erhältlich und das kostenlose «Hämatom Insight» liegt natürlich ebenfalls auf. Insgeheim hoffe ich aber, eventuell während dem Konzert eines der geworfenen Shirts fangen zu können…
Lucky Bastards
Also, ab an die rechte Bar, Getränk holen, und los ins Getümmel. Die Vorband, die Schweizer Lucky Bastards, sind kurzfristig eingesprungen. Dies ist wohl auch der Grund, dass sie mit ihrem Punk ‘n’ Roll stilistisch nicht ganz zu diesem Abend passen. Trotzdem scheinen die Leute die Band zu feiern (wenn auch mehr als ein wenig Kopfschütteln nicht drin liegt, Pits sind keine zu erwarten). Highlights des Auftritts sind wohl das ganz am Anfang gespielte Ramones-Cover «Blitzkrieg Bop» und die Ansage ihres Songs «Leck Mich». Auch wenn dieser Song den Titel mit einem Hämatom-Song teilt, gehen die beiden Bands textlich auseinander. Fanzit zur Vorband: Ganz okay, aber keineswegs phänomenal.
Hämatom
In der Umbauphase wird ein weisser Vorhang vor die Bühne gehängt. Der Vorhang und meine Erfahrung von anderen Hämatom-Konzerten lassen mich vermuten, dass es wieder einmal eine nicht nur musikalisch gute, sondern auch absolut sehenswerte Show geben wird. Und ich werde Recht behalten! Zum «Wir sind Gott»-Intro ab Band posieren die vier Bandmitglieder jeweils hinter dem weissen Vorhang und lassen sich durch ein einige Sekunden scheinendes Licht auf dem Vorhang abrichten. Die Silhouetten wirken gross und bedrohlich, die Effekte werden hier richtig eingesetzt. Der Vorhang fällt und der erste Song ist – wer hätte es gedacht – «Wir sind Gott». Mit dem Titelsong ihres aktuellen Albums, mit welchem Hämatom die bisher grössten Erfolge erzielten, starten die Deutschen ein fulminantes Hit-Feuerwerk. Weiter geht es mit einem tanzfreudigen Song: «Tanz aus der Reihe». Tatsächlich lädt dieser Song zum Bewegen ein. Ist am Anfang nur die Pit-Region aktiv, dehnt sich das Gehüpfe und Geschubse schnell in alle Richtungen im Z7 aus. Die Aktivität im Publikum bleibt hoch und so ist es auch kein Wunder, dass es in der Halle schnell sehr warm wird.
Mit diversen älteren und neueren Songs setzen Hämatom ihr Set fort. Von älteren Songs wie «Auge um Auge» und «Eva» bis hin zu den neuesten WSG-Perlen «Made In Germany» und «Offline» ist alles zu finden – ausser Tracks von der EP «Nein», welche unter anderem mit den Märchenvertonungen doch anständige Klassiker wären. Auch vom Album «Wut» kommt leider nur das obligatorische «Leck Mich», welches wie so oft am Ende des Sets gespielt wird und regelrecht ausartet. Gespielt wird also sowohl Alt als auch Neu, die Tendenz geht aber klar in Richtung neue Songs.
Dies wird mir allerdings erst auf der Heimfahrt bewusst, denn während dem Konzert bleibt keine Zeit für irgendwelche Gedanken bezüglich Setlist. Von A bis Z wird durchgefeiert und viele Effekte und Einlagen sorgen dafür, dass es nie langweilig wird. Die T-Shirt schiessende Kanone darf dabei natürlich nicht fehlen! Ebenfalls vor Ort sind Statisten, welche die Bühne stürmen und mit Shirts und Stickers um sich werfen. «Mein Fleisch und Blut» und «Togesagt Doch Neugeboren» werden akustisch zum Besten gegeben, bei Letzterem folgt sogar eine A-Capella-Einlage mit Nord und dem Publikum. Bei «Halli Galli» geht die im Song thematisierte Party ab, verwirklicht mit viel zu bunten Lichtern, Konfetti und Luftballonen. Bei «Säulen des Wahnsinns» wird die riesige Hämatom-Fahne geschwungen und das Stroboskop ist an diesem Abend sowieso im Dauereinsatz. Wie bereits erwähnt, gibt es beim letzten Song «Leck Mich» noch ein ausgedehntes Vor- und Nachsingen, welches allerdings nicht so lange ist wie an bereits erlebten Konzerten. Gut so, auf diese Weise wird die Band nicht nur auf diesen einen Hit reduziert!
Fanzit
Gewohnt gesellschaftskritisch feiert die Band zusammen mit dem Publikum den Abend im Z7. Hämatom trumpfen mit vielen Effekten und diversen Einlagen und spielen ein Set, auf dem wohl für jeden etwas zu finden ist. Insbesondere Fans des WSG-Albums kommen auf ihre Kosten, denn fast alle Songs dieser Scheibe finden den Weg auf die Bühne. Meine persönlichen Highlights an diesem Abend waren «Fick das System», «Eva», «Offline» und «Totgesagt doch Neugeboren». Der heutige Abend hat tatsächlich Potenzial zum Konzert-Highlight des Jahres. Wenn Hämatom so weiterfahren, können sie ihre WSG-Tour bald mit einem krönenden Abschluss beenden. Schliesslich kommt bereits Ende Januar ihr neues Album «Bestie der Freiheit». Kleiner Tipp: Release Show am 3. Februar 2018 im Dynamo in Zürich nicht verpassen!
Setliste Hämatom Z7 2017
- Wir sind Gott
- Tanz aus der Reihe
- All you need is love
- Seelenpiraten
- Made in Germany
- Leichen pflastern unsern Weg
- Ahoi
- Zu wahr um schön zu sein
- Säulen des Wahnsinns
- Fick das System
- Hollywood brennt
- Feuerwasser
- Auge um Auge
- Ikarus Erben
- Mein Fleisch und Blut
- Eva
- Offline
- Kids (2 Finger an den Kopf)
- Halli Galli
- Totgesagt doch Neugeboren*
- Alte Liebe rostet nicht*
- Leck mich*
*Zugaben