Metal Crash – ein neues Festival feiert sein Debüt
Kaufi: Ungefähr im geografischen Zentrum Deutschlands liegt Giessen. Eine Stadt, die man hierzulande kaum kennt und die wohl auch sonst ziemlich im Schatten der Metropole Frankfurt am Main steht. Doch genau hier gibt’s am ersten Oktobersamstag die Premiere des Metal Crash Festivals. Die Macher haben sich ein Billing zusammengebaut, welches vor allem Fans des Power Metals in Entzücken versetzen sollte. Keine Frage: Da muss man doch hin! Also: Kollegin Tanja treffen und ab nach Deutschland!
Unsere Fahrt nach Giessen hat aus verschiedenen Gründen bereits für Aufregung gesorgt. Die DB ist nicht die SBB – das dürfen wir auch heute wieder mal feststellen. Abgesehen davon, dass unser Fahrplan im Vorfeld komplett umgekrempelt wurde und sämtliche Reservationen nichtig sind, so fällt ab Karlsruhe auch grad noch unser Zug nach Giessen aus. Aber man kennt ja die DB und eine Alternative ist schnell gefunden – und damit sind wir schlussendlich sogar noch vor der ursprünglich geplanten Ankunft am Ziel… Also zuerst rasch ins Hotel, ein Bierchen an der Bar (ich) und ein Schläfchen (Tanja), dann geht’s auf in die Hessenhalle.
Man hört, dass es einen grossen Andrang auf Fotopässe gegeben haben soll. Vielen Kolleginnen und Kollegen der schreibenden und knipsenden Zunft scheint also das Programm auch zuzusagen. Wird dementsprechend ein grosser Event sein. Denkt man. Tja – falsch gedacht… Im Verhältnis zur Zuschauerzahl ist die Anzahl der Fotografen riesig! So gross übrigens, dass man in zwei Staffeln in den Graben geht. Gruppe 1 macht die ersten zwei Songs, Gruppe 2 die nächsten beiden. Funktioniert aber ausgezeichnet, und auch bei zwei Songs gibt’s sicher genug gutes Material. Sofern das Licht dann stimmt – doch das ist wieder ein anderes Thema. Tanja, was meinst Du sonst so zum Drumherum?
Tanja: Ich sehe das sehr ähnlich wie Kaufi. Ich finde es sehr schade, dass so wenige Zuschauer gekommen sind, bei dem Line-Up hätte ich wirklich mehr erwartet. Das tut mir dann für die doch sehr starken Bands ziemlich leid. Die Venue ist jetzt ehrlich gesagt nicht so meins – zu kalt und karg für meinen Geschmack – aber die Organisation ist top, soweit ich das halt beurteilen kann. Absolut grandios finde ich, dass die Zeiten fast schon militärisch genau eingehalten werden. So müssen wir denn auch nicht lange warten und 30 Minuten nach Einlass geht es schon los mit der ersten Band: Mercury Falling.
Mercury Falling
Tanja: Als Opener hat man ja meist einen etwas schweren Stand: Viele Leute kommen erst später, einige sind erst angekommen und wollen sich zuerst noch mit der Bar bekannt machen (Anm. Kaufi: Schuldig im Sinne der Anklage…) und die andern sind noch nicht so richtig in Konzertstimmung… Das bekommen denn auch Mercury Falling zu spüren. Die Halle ist geschätzt zu einem Viertel voll, das Publikum zeigt kaum Begeisterung, nur gelegentlich wird mal mit dem Kopf etwas mitgewippt. Ich gebe zu, dass ich die Jungs nicht kenne, und sie auch nicht meine neue Lieblingsband werden, aber sie legen einen äusserst soliden Auftritt hin, den man meines Erachtens ruhig auch etwas mehr würdigen könnte.
Positiv zu vermerken ist auf jeden Fall noch der echt geil gemischte Sound. Da stimmt jetzt einfach alles. Im Lauf des Abends wird es für mich zu laut, und ich muss meine treuen Ohrstöpsel aus dem Hallenstadion (die besten gratis Ohrstöpsel überhaupt) zu Hilfe nehmen. Aber zu Beginn des Abends finde ich das alles erstaunlich perfekt… Da habe ich also schon bei grösseren Bands bedeutend schlechtere Mischqualität gehört.
Leider komme ich nicht an die Setlist ran, da mich doch ca. 3 Meter Bühne und eine Absperrung aus Lautsprechern davon trennen und ich nicht sicher bin, wie gut ein Ausflug meinerseits auf die Bretter, die die Welt bedeuten, ankäme…
SpiteFuel
Kaufi: Oh, so ein Ausflug hätte Dir sicher etwas Applaus gebracht! Möglicherweise auch einen Hallenverweis – das wäre dann aber echt schade gewesen! Hingegen muss ich zugeben, dass ich von Mercury Falling nicht viel mitbekommen habe. War mehrheitlich am Rumquatschen… Doch damit ist es jetzt vorbei! Es kommt eine Band, auf die ich mich heute besonders freue: SpiteFuel! Die Jungs aus Heilbronn haben zu Beginn des Jahres ein saugeiles Album rausgehauen und der Nachfolger ist auch bereits in der Mache. Gitarrist und George-Lynch-Verehrer Timo hat heute seine „Wicked Sensation“ Klampfe zwar nicht dabei, aber sein gelb/schwarzes Arbeitsgerät – im Style seines Idols gehalten – sieht auch stark aus. Mit „Purified“ starten Fronter Stefan Zörner und seine Jungs ihr Set. Irgendwas tönt ganz zu Beginn zwar etwas schräg, aber dieser Eindruck verflüchtig sich sehr rasch. Nach zwei, drei Minuten stimmt alles – einfach alles! „Devil’s Darling“ wird zum ersten Höhepunkt, auch „Tainted“ – einer von zwei Songs aus Zeiten der Vorgängerband Strangelet – wird tüchtig abgefeiert. SpiteFuel haben mit dem Album aber jetzt auch genügend eigenes Material. „By My Hand“ ist klasse, „Whorehouse Symphony“ ebenso und bei „Never Surrender“ feiern die Fans tüchtig mit. Das mächtige „Sleeping With Wolves“ bildet den Abschluss eines wirklich starken Auftritts – der mit einer intensiven Version von Motörhead’s „Ace Of Spades“ noch eine Ehrenrunde erhält. Hui, wie ich mich jetzt schon auf die Show am Ice Rock freue!
Setliste SpiteFuel
- Purified
- Devil’s Darling
- Tainted
- Whorehouse Symphony
- Privilege Of Power
- By My Hand
- Never Surrender
- Sleeping With Wolves
- Ace Of Spades
Rebellion
Tanja: Rebellion überraschen mich äusserst positiv, vor allem die Stimme von Sänger Michael Seifert tut es mir sofort an. Sehr schön zu sehen ist ausserdem, dass die Truppe wohl ihren Fanclub mitgebracht hat… jedenfalls chantet eine kleine Gruppe innerhalb der kleinen Anzahl Zuschauer fröhlich und unerlässlich den Namen der Band nach jedem Song. Kurz nach Beginn wird sogar immer wieder der Bassist angefeuert – was vom Sänger mit einem humorvollen „Passt auf, sonst gibt’s ein Bassolo und das wollen wir nicht.“ honoriert wird.
Ich kenne auch diese Band nicht, aber die Songs gefallen mir sehr gut, und der starke Auftritt der fünf Jungs lässt nichts zu wünschen übrig – die Spielfreude ist ganz klar zu spüren und greift auch aufs Publikum über. Wahrscheinlich liegt das aber auch am unermüdlichen Fanclub, dessen Euphorie ansteckend ist. Was nicht heissen soll, dass die Band allein nicht zu begeistern vermag – es ist ein wahres Brett, das hier dem Publikum entgegengeschleudert wird und ich werde mir auf jeden Fall mal auf YouTube ein paar ihrer Songs reinziehen. Persönliches Highlight ist hier für mich ganz klar der Coversong „Rebellion“ von Grave Digger – und endlich weiss ich auch, woher die Band ihren Namen hat. Für mich persönlich top, so kann der Abend weitergehen!
Auch hier konnte ich leider keine Setlist in meinen Besitz bringen… vielleicht versuche ich es nächstes Mal aus der ersten Reihe mit einem netten Lächeln für den Roadie…
Mystic Prophecy
Kaufi: Als vierte Band stehen Mystic Prophecy auf dem Tagesbefehl. Die Truppe um Frontmann und Hutträger R.D. Liapakis hat nicht nur massig gute Alben rausgebracht, auch an der Live-Front sind die mittlerweile eine richtige Macht. Ich sehe zudem das erste Mal Evan K. an der Gitarre, der 23-jährige ist erst seit Kurzem dabei und ersetzt Laki Ragazas, der aus persönlichen Gründen die Band im Sommer verlassen hat.
Das Ärgerliche zuerst: Die Band wird vom Lichtmensch völlig im Dunkeln gelassen. Kaum Frontlicht, die Fans haben fast keine Chance die Gesichter der Musiker zu sehen. Dass dies dann auch kaum brauchbare Bilder gibt, liegt auf der Hand. Schade eigentlich… Nun gut – lassen wir das beiseite und konzentrieren uns auf das Wesentliche! Mystic Prophecy sind von den heute anwesenden Kapellen sicher die härteste, immerhin wagen sie in ihren Songs auch immer mal wieder Ausflüge Richtung Thrash Metal. „Burning Out“ als Beispiel findet auch den Weg ins heutige Programm und wird sehr gerne von den paar hundert Fans angenommen. Sonst präsentieren uns die Süddeutschen einen bunten Mix aus alten und neuen Titeln. Neben Klassikern wie „Evil Empires“ stehen heute dennoch vorwiegend die letzten zwei Alben „Killhammer“ und „War Brigade“ im Fokus. Warum auch nicht? Titel wie „The Crucifix“, „To Hell And Back“ oder natürlich die Hymne „Metal Brigade“ sind absolute Live Granaten, die für mächtig Stimmung sorgen! Garniert mit der bekannten Spielfreude ergibt das einen weiteren saustarken Auftritt, den die Fans erleben dürfen. Wer zwischendurch mal auch etwas genauer auf die Musiker achtet, bemerkt denn auch herrliche Kontraste: Während Markus Pohl an der Gitarre kaum eine Sekunde stillsteht, seine Haare fliegen lässt und die ganze Show mit ungeheurer Energie bestreitet, sitzt Drummer Hanno völlig cool da und trommelt auch das teilweise schnelle Zeugs, wie wenn’s das Einfachste auf der Welt wäre.
Das Ende der Show kommt näher, das geniale „Ravenlord“ ist immer ein untrügliches Zeichen dafür. „Mit War Panzer“ (einer der wenigen Songs, der mich persönlich jetzt nicht so zu packen vermag) und dem standardmässigen Black Sabbath Cover „Paranoid“ verabschieden sich Mystic Prophecy von den Fans. Mit dem Wissen, dass sie ihren Ruf als hervorragende Live-Band soeben weiter zementiert haben!
Setliste Mystic Prophecy
- Kill The Beast
- S avage Souls
- The Crucifix
- Killhammer
- Lords of Pain
- To Hell and Back
- We Kill! You Die!
- Hate Black
- Metal Brigade
- Evil Empires
- Burning Out
- Ravenlord
- War Panzer
- Paranoid
Kissin‘ Dynamite
Tanja: Auf Kissin‘ Dynamite bin ich extrem gespannt – Kaufi hat mich den ganzen Hinweg immer wieder darauf hingewiesen, dass die Band mega toll sei. (Anm. Kaufi: Wirklich? Sowasaberauch…) Nun gut, mein Kollege und ich haben ja doch in einigen Punkten einen sehr ähnlichen Geschmack, also muss da ja was Wahres dran sein? Richtig? Richtig.
Eigentlich soll ich die Band fotografieren (demokratisch wie wir sind, wechseln wir uns ab), aber nach viermal Knipsen – Speicherkarte voll. Also schnell raus, Kaufi reinschicken und ich schau mir das Spektakel aus der Entfernung an. Sofort fällt auf, dass die Band eine Wucht ist. Und zwar wirklich eine bläst-dich-weg, in-your-face Wucht, ums auf Neudeutsch zu sagen. Ich denke, Kaufi kann mehr zur Setlist sagen und eventuelle Vergleiche ziehen zu früheren Auftritten. Für meinen Teil möchte ich aber festhalten, dass für mich Kissin‘ Dynamite die klaren Gewinner des Abends sind, und dass dies auf jeden Fall nicht der letzte ihrer Auftritte ist, den ich mir angesehen hab. Was die Jungs da abliefern ist ein wahres Feuerwerk an Energie und Spielfreude, gepaart mit echter Professionalität und Präzision. Hut ab dafür.
Kaufi: Oh, ich soll was ergänzen? Eigentlich hat Tanja praktisch alles gesagt. Kissin‘ Dynamite sind mittlerweile einfach eine sensationelle Live Band, die unglaublich Spass macht. Kann sein, dass ich das schon mal irgendwann irgendwo erwähnt habe… Ein absoluter Pluspunkt der Schwaben: Sie verändern immer wieder ihre Setliste! Und somit erlebe zumindest ich eine Premiere in Form des Bonustracks des aktuellen Albums „Generation Goodbye“. „Living In The Fastlane“ hat sich offenbar im süddeutschen Raum zu einem Hit entwickelt. Da ich kein Radio höre, kann ich das zwar nicht beurteilen – aber Spass macht die Nummer allemal! Ansonsten ist viel Altbekanntes dabei und das Zugaben-Triple „Six Feet Under“, „I Will Be King“ und „Flying Colours“ gehört zum Besten, was es zurzeit auf den Bühnen dieser Welt zu hören und sehen gibt! Ja – Kissin‘ Dynamite sind die unbestrittenen Tagessieger! Übrigens Tanja: 27. Dezember kommen die Schwaben nach Wetzikon… J
Setliste Kissin‘ Dynamite
- Highlight Zone
- Money, Sex & Power
- DNA
- Running Free
- She’s a Killer
- Love Me, Hate Me
- She Came She Saw
- Somebody to Hate
- Operation Supernova
- Living in the Fastlane
- Sex Is War
- Hashtag Your Life
- Steel Of Swabia
- Ticket To Paradise
- Six Feet Under*
- I Will Be King*
- Flying Colours*
*Zugaben
Primal Fear
Kaufi: Mittlerweile ist es 23 Uhr. Der unglaublich intensive Gig von Kissin‘ Dynamite hat bei einigen bereits die Energiereserven angezapft – oder gar erschöpft: Der Headliner hat augenscheinlich weniger Leute, da verlässt doch der eine oder andere bereits vor dem Finale die Hessenhalle. Irgendwie halt doch etwas schade.
Primal Fear lassen sich von solchen Dingen jedoch nicht abschrecken! Mat Sinner und seine Truppe zeigt sich von einer hoch motivierten Seite, allen voran Muskelprotz Ralf Scheepers. Der Leadsänger geht sehr früh auch auf Kontaktsuche mit den Fans und klatscht die erste Reihe über die Köpfe der Fotografen hinweg ab.
Nun – ich kann eigentlich nichts Schlechtes über den Auftritt der Deutschen sagen. Speziell Scheepers zeigt bei hohen Screams sein Können – beeindruckend, zweifellos! Es ist halt allerdings immer noch so, dass mich viele Songs einfach nicht fesseln. Ja, das letzte Album „Rulebreaker“ gefällt mir zwar recht gut und so ist für mich dann auch „Angels Of Mercy“ das Highlight der Show. Doch bis zum Ende halten wir dann doch auch nicht durch. Wenn ich fies wäre, könnte ich ja sagen, dass Tanja müde ist – doch fairerweise sei erwähnt, dass auch ich ziemlich ausgepowert bin. Also gehen wir zurück ins Hotel, während die standfesten Zuschauer Primal Fear bis zum Schluss die Ehre erweisen. Und ich mach meinen frühen Abgang wieder gut – ich verspreche es! Auf dem Schiff in der Karibik schau ich mir die Show bis zum Ende an…
Tanja: Doch, doch, du kannst schon sagen, dass ich müde bin. Stimmt ja auch. Normalerweise brauch ich das Wochenende, um mich von der Arbeitswoche zu erholen (langes Pendeln ist einfach nie lustig. Nie.), ausserdem bin ich gesundheitlich leicht angeschlagen, und gegen Ende des Abends hat sich ein fieses Rückenweh eingeschlichen und meine Augen machen mich höflich darauf aufmerksam, dass sie sich ausruhen möchten… „müde“ ist noch recht höflich ausgedrückt.
Trotzdem hat das Festival hat Spass gemacht, keine Frage, und ich werde auf jeden Fall in Zukunft ein Auge darauf werfen. Wer weiss, vielleicht sieht man sich wieder, Metal Crash!
Setliste Primal Fear
- Final Embrace
- In Metal We Trust
- Angel in Black
- Rulebreaker
- Sign of Fear
- Seven Seals
- Drum Solo
- Angels of Mercy
- The End Is Near
- Fighting the Darkness
- Nuclear Fire
- When Death Comes Knocking
- Chainbreaker
- Metal Is Forever
- Running In The Dust“
- Rollercoaster“
*Zugaben