Helvetischer Metal-Angriff auf die grosse Z7-Bühne
An diesem Samstagabend fand eine weitere Ausgabe der von Damir Eskic (Gonoreas/Damir’s Rising Force) organisierten Swiss Metal Attack statt. Austragungsort war einmal mehr das Z7 in Pratteln. Sechs Schweizer Bands durften sich einer breiten Masse präsentierten und versuchten zu beweisen, dass die hiesige Szene mit der internationalen Konkurrenz mithalten kann. Wem das alles gelungen ist und was sich sonst noch Nennenswertes ereignet hat, erfahrt ihr wie gewohnt im nachfolgenden Konzertbericht.
«Support your local Metal-Bands!». Genau dieses Motto soll den heutigen Abend prägen. Auch ich versuche gelegentlich, unserer Schweizer Truppen so gut wie möglich zu unterstützen. Dazu ist natürlich eine Veranstaltung wie die Swiss Metal Attack hervorragend geeignet. Strippenzieher Damir Eskic hat sechs Truppen nach Pratteln eingeladen. Im Gegensatz zu früheren Durchführungen dürfen sich die Musiker dieses Mal jedoch sogar auf der grossen Bühne der Konzertfabrik austoben. Welch eine Ehre! So können sicherlich einige von ihnen endlich in die Fussstapfen ihrer Idole treten.
Um die Spielzeiten wird wieder einmal ein Geheimnis gemacht. Jede Band soll die selben Chancen auf einen entsprechenden Publikumsaufmarsch haben. Allerdings tummeln sich bis jetzt noch nicht sonderlich viele Nasen in der Halle. Trotzdem komme ich in einen kleinen Begrüssungsstress. An jeder Ecke scheinen vertraute Gesichter aufzukreuzen. Fans, Familienangehörige, Medienleute – da wird effektiv die ganze Palette abgedeckt. Ausgestattet mit der passenden Hopfentee-Nahrung platziert sich mein Grüppchen schliesslich vor der Bühne. Bald geht’s los. Die Spannung steigt.
EVOLUCIJA
Punkt 18 Uhr verdunkelt sich der Raum ein erstes Mal. Der erste Act wurde zwar 2007 in der Schweiz gegründet, hat seine Zelte aber seit 2012 in Serbien aufgeschlagen. Die aktuelle Besetzung besteht aus den Ehegatten Ilana (Gesang) und Dragiša Marinjes (Bass), Stevan Miletić und Igor Miladinović (beide Gitarre) und Goran Nikolić (Schlagzeug). Die Band spielt einen Mix aus Gothic und Symphonic Metal. Eine Kombination, die mir grundsätzlich gefallen müsste. Leider vermag das Dargebotene aber trotz epischer Bombast-Elemente nicht vollends zu überzeugen. Man scheint die optimale Soundabmischung zum Teil noch nicht gefunden zu haben. Ilana verfügt zwar zweifelsohne über ein hammermässiges Stimmorgan, aber sie kann das hohe Niveau leider nicht über den gesamten Auftritt hinweg halten.
Das anwesende Mini-Publikum befindet sich offenbar bereits im Winterschlaf. Etwas mehr Engagement hätte ich Evolucija durchaus gegönnt. Aber ehrlichgesagt ist der Opening-Slot ja selten der dankbarste. Ständig strömen weitere Metalheads hinein und man wird immer wieder in Gespräche verwickelt. Deswegen kann ich der Show der schweizerisch-serbischen Combo dummerweise nicht permanent die nötige Aufmerksamkeit schenken. Eventuell lassen sich bei den Berichten der anderen Medienleute etwas ausführlichere Statements zum ersten Auftritt des heutigen Abends finden.
Setliste – Evolucija
- The Portrait
- Wish
- Lonely
- Velvet Cage
- A Rose With No Name
- The Hunt
- Metamorphosis
MIND PATROL
Huch? Hat hier irgendjemand einen Weckdienst bestellt? Denn an Tiefschlaf ist nun nicht mehr zu denken. «Schuld» daran ist der wuchtige Thrash Metal des Luzerner Quartetts Mind Patrol. Nach einem zugegebenermassen etwas kuriosen Flötenintro mit der 20th Century Fox-Melodie besinnen sich die Herrschaften auf ihr eigentliches Handwerk und legen los wie die Feuerwehr. Inspiration scheint für ihre Songs scheint der Vierer von Truppen wie Suicidal Angels, Exodus oder Overkill zu beziehen. Da tummeln sich nämlich einige Nackenbrecher in der Setliste. Am Sound gibt’s ebenfalls nichts mehr auszusetzen.
Die Jungs scheinen sich sichtlich über ihren riesigen «Spielplatz» zu freuen. Insbesondere Basser Emil düst ständig wie ein aufgescheuchtes Duracell-Häschen durch die Gegend. Frontmann Yves wünscht sich eine ähnliche Aktivität auch vor der Bühne und stachelt die Menge ständig an. Sogar diejenigen Leute, die bloss rasch ihre Köpfe zur Eingangstür hereinstrecken, können sich nicht vor ihm verstecken. Er scheint tatsächlich alles im Blick zu haben. Die Ansagen fruchten immerhin teilweise. Ich entdecke ein paar kleinere Circle Pits und etwas später sogar eine Mini-Wall Of Death.
Also dank dieser tollen, mitreissenden Show dürfen mich die Jungs zurecht zu ihren neuen Fans dazuzählen. Und auch sonst höre ich um mich herum nur positive Stimmen. Ich freue mich bereits auf mein nächstes Aufeinandertreffen mit Mind Patrol. Nun ist die Zuhörerschaft definitiv wach und bereit für die kommenden Acts.
Setliste – Mind Patrol
- Intro
- Arising
- Warfare
- Till We Die
- Shizophrenia
- Drinking Song
- Doomsday
FINAL CRUSADE
Für den nächsten Punkt auf der heutigen Traktandenliste wechseln wir in den Heavy Metal. Final Crusade bin ich zuletzt an den diesjährigen Swiss Metal Masters im Casino Wohlen begegnet. Damals boten sie eine solide Show. Und wie sieht’s heute aus?
Sonderlob gibt’s jedenfalls einmal mehr für das kräftige und ausgezeichnet zur Stilrichtung passende Stimmorgan von Sänger Marco Wernli. Die Setliste besteht ausschliesslich aus Stücken des im vergangenen Jahr veröffentlichten Debüt-Werks «Forged With Metal». Stimmungsgaranten sind auf der einen Seite der Titel-Track selbst und auch der Kämpfer-Song «Battelfield». Die Gitarren-Fraktion bestehend aus Kevin Waltert und Aaron Hartmeier besticht währenddessen mit ansprechenden Soli. Nichtsdestotrotz können Finale Crusade nicht ganz mit der Intensität von Mind Patrol mithalten. Bereits Anfang November wird’s zu einem Wiedersehen mit den Brugger-Metallern kommen. Dann werden sie nämlich zusammen mit Damir’s Rising Force und Atlas & Axis das Hall Of Fame in Wetzikon aufmischen.
Setliste – Final Crusade
- Six In Line
- The Enlightening Judge
- The Awakening Of The Spirit
- Forged With Metal
- Battlefield
- Destiny
COMANIAC
Gemäss Speisekarte soll gleich die nächste Portion Thrash Metal serviert werden. Die aus Aarau stammenden Comaniac zählen in der hiesigen Szene längst nicht mehr zu den Unbekannten. Bisher haben sie zwei Studioalben veröffentlicht und duften die Bühne mit namhaften Grössen wie beispielsweise Coroner oder Overkill teilen. Somit dürfen sich die anwesenden Fans wohl auf ein echtes Feuerwerk gefasst machen.
Aber irgendwie scheint die Geschichte mit der Zündung bei mir und meinen Kollegen nicht zu funktionieren. Wir empfinden das Dargebotene leider als nicht wirklich berauschend. Da fehlen sowohl Wucht als auch überraschende Elemente. Ich hätte definitiv mehr erwartet. Wie mir aber kurz darauf ein Comaniac-Experte verrät, fehlen in der Setliste des heutigen Abends die wahren Über-Hymnen. Ich bin jedoch nicht sicher, ob dies allein für den durchzogenen Auftritt verantwortlich ist. Das Rennen um die Thrash Metal-Krone gewinnen somit glasklar die Herrschaften von Mind Patrol.
Setliste – Comaniac
- Coal
- 1, 2, Rage
- Secret Seed
- Shattered
- Heart Of Stone
- Instruction
- Self Control
PERTNESS
Quizfrage: Man gibt sowohl etwas Blind Guardian als auch ein wenig Ensiferum in einen Topf und rührt die ganze Suppe ein paar Mal um. Daraus ergibt sich welches Resultat? Antwort: Genau, den idealen Beschrieb für die Musik der nächsten Gruppe. Die Berner Oberländer Pertness hatte ich bisher überhaupt nicht auf dem Schirm. Und bereits nach den ersten paar Songs könnte ich mir dafür mit vollem Elan in meinen Allerwertesten beissen. Denn die Truppe ist schlichtweg überragend. Mein Kiefer hat wieder einmal Bodenkontakt. Da befindet sich eindeutig eine ordentliche Ladung Metal unter den Kilts der vier Herren. Im inzwischen gar nicht einmal so schlecht gefüllten Metal-Tempel Z7 wird inzwischen so manche Haarpracht kräftig durchgeschüttelt.
Frontmann Tom Schluchter und seine Mitstreiter bezeichnen ihr musikalisches Schaffen als «Swiss Highland Metal». Die Spielfreude steht allen ins Gesicht geschrieben. Meiner Meinung nach ist das zurecht ein headlinerwürdiger Auftritt und somit gleichzeitig eine echte Kampfansage an die anschliessend aufspielenden Hexen. Pertness werden nach diesem Gig sicherlich ein paar neue Anhänger in ihren Reihen begrüssen dürfen.
Nach der Show wage ich sogleich einen Abstecher an den Merchandise-Stand und sichere mir ein Exemplar der 2012er-Scheibe «Frozen Time». Unterwegs entdecke ich auch Prominenz in den Reihen der Fans. Wir hätten da zum einen den glorreichen Einhorn-Prinz Angus McFife (a.k.a. Thomas Laszlo Winkler) von Gloryhammer. Er nimmt sich stets gerne Zeit für eine kleine Plauderei. Ebenfalls in der Halle herum streift Destruction-Aushängeschild Schmier. Der «Paten-Onkel» der Burning Witches wartet sicherlich bereits gespannt auf den Auftritt seiner Mädels.
Setliste – Pertness
- Intro
- Frozen Time
- Invisible Chains
- Seven Times Eternity
- The Star Of The County Down
- Farewell To The Past
- From The Beginning To The End
- My Prophecy
- Cold Wind Of Death
- Foggy Dew
BURNING WITCHES
Oh, die fünf Damen haben offenbar seit ihrer Plattentaufe Ende Mai ein wenig aufgerüstet. Zumindest gilt das für das nun aus den Boxen dröhnende Intro. Offenbar bahnen wir uns gerade einen Weg durch einen finsteren Wald und enden schliesslich vor einem furchteinflössenden Hexenhäuschen. Seraina Telli (Gesang), Romana Kalkuhl (Gitarre), Jay Grob (Bass), Alea Wyss (Gitarre) und Lala Frischknecht (Drums) sind nun «ready to fight» und starten mit «Metal Demons» in ihr Set. Zu Beginn hatte ich ehrlichgesagt Angst, dass die Witches mit dem ausgezeichneten Auftritt von Pertness nicht Schritt halten können. Doch meine Befürchtungen werden bereits während dieses ersten Songs zerschlagen. Unsere «All Woman Swiss Heavy Metal Band» präsentiert sich in bestechender Form.
Ober-Hexe Seraina ist am Mikro schlichtweg eine Macht und glänzt einmal mehr mit ihrer stimmlichen Vielfalt. Zu Beginn verbirgt sie ihr Gesicht noch unter einer Kapuze. Doch dies hat nicht lange Bestand. Die Haare wollen schon bald freigelassen und herumgewirbelt werden. Das ultrafiese Lachen vor «We Eat The Children» geht einem durch Mark und Bein. Aber keine Angst, die Ladies sind alles andere als vollgefressen und haben allesamt attraktive Figürchen. Hier kriegt man(n) sowohl akustisch als auch optisch das volle Programm. Leider führen genau diese Punkte häufig zu Diskussionen und Kritikbombardement. Irgendwo habe ich sogar etwas von (Achtung abschätzig) «Titten-Bonus» gelesen. Tja, Erfolg bringt nun einmal auch einige Neider mit sich. Uns beweisen die Burning Witches heute Abend jedenfalls, dass sie locker über ausreichend musikalisches Talent verfügen und nicht bloss gut aussehen können.
Mit «Bloody Rose» folgt etwas später einer meiner Favoriten des Hexen-Debütsilberlings. Bei diesem Refrain singt die Zuhörerschaft beinahe automatisch mit. Seraina packt Screams und Growls auf. Gibt’s eigentlich eine Steigerungsform für überragend? Romana kitzelt währenddessen unermüdlich Soli aus ihrer markant-gelben Saitenkönigin heraus. Bass-Hexe Jay strapaziert ihrer Nackenwirbel durch ständiges Headbangen. Da wird wohl jemand morgen einen mühsamen Sonntag vor sich haben. Lala thront hinter ihrer erhöhten Schiessbude und hat von dort aus sowieso die beste Aussicht am heutigen Abend. Einzig Alea wirkt für mich etwas passiv und ausschliesslich auf ihr Instrument fokussiert.
Hühnerhautmomente garantiert schliesslich die Ballade «Save Me». Nach dieser doch eher gemächlichen Nummer zollen die fünf Hexen ihren Idolen von Judas Priest mittels einer Cover-Version von «Jawbreaker» Tribut. Und auch beim später stattfindenden Zugaben-Block wird zuerst eine Metal-Legende geehrt. Zu hören gibt’s den Dio-Klassiker «Holy Diver» – der einzige Song des Abends, der sich nicht auf Burning Witches-Debütplatte befindet. Das Ding ist aber so genial, dass ich den Mädels dringend anrate, das Stück unbedingt auf dem nächsten Album zu verewigen. Mit «Burning Witches» beenden die Hexen ihre fulminante Headliner-Show und ernten anschliessend tosenden Applaus. Chapeau, Mesdames!
Setliste – Burning Witches
- Intro
- Metal Demons
- We Eat The Children
- The Deathlist
- Creatures Of The Night
- Bloody Rose
- Creator Of Hell
- Save Me
- Jawbreaker (Judas Priest-Cover)
- Dark Companion
- Black Widow
- Holy Diver (Dio-Cover)*
- Burning Witches*
*Zugaben
FAZIT
Die Gewinner des Abends waren ohne Zweifel Mind Patrol, Burning Witches und Pertness. Insbesondere Letztgenannte entpuppten sich für meine Wenigkeit als DIE Entdeckung des Abends. Einmal mehr wurde bewiesen, dass sich in unserer Szene tonnenweise talentierte Truppen herumtreiben. Nichtsdestotrotz fiel der Zuschaueraufmarsch immer noch ein wenig zu bescheiden aus. Der abschliessende Dank gebührt Damir und seinem Team, die einmal mehr eine äusserst gelungene Veranstaltung auf die Beine gestellt haben. Ich freue mich bereits auf die nächste Ausgabe.
Cheers
Dutti \m/